Reisen im Kongogebiet. Richard Buttner
die Expedition mit Trägern von San Salvador, die den Verkehr dieses Platzes (wo sich zur damaligen Zeit zwei Missions- und zwei Handelsstationen befanden) über den Strom vermitteln, sich zu dieser Residenz des alten Königreichs Kongo begeben, dessen Herrscher – nach den Erfahrungen des Mr. Comber – durch Überweisung und Überlassung von eingeborenen Leuten als Träger für das weitere Fortkommen, zum mindesten aber bis zur Stadt des großen Kiamwo am Quango, Sorge tragen würde. Mit diesem König müßten sodann, wenn die Kongoleute der Expedition nicht weiter zu folgen willens sein sollten, Verhandlungen wegen neuer Träger angeknüpft werden.
Allerdings erkannten wir schon damals die Gefahr, die durch Verzichtleistung auf ein für die Dauer der Expedition zu engagierendes festes Trägermaterial entstehen mußte, doch wurden wir von allen Seiten der Unmöglichkeit eines solchen Engagements von Küstenleuten versichert – was allerdings durch die Erfahrungen der Loango-Expedition, des Premierleutnants Schulze und des Dr. Wolff bestätigt schien – so daß schließlich die von Revd. Comber vorgeführte Möglichkeit ernstlich in Betracht genommen wurde.
Dieses war der Stand der Verhältnisse am Tage meiner Ankunft in Banana, an welchem selben Tage noch an den König von Kongo in San Salvador, durch Vermittlung der Baptistenstationen in Tondoa und in jener Residenz, Geschenke abgesandt wurden mit einem Schreiben, in dem wir um Überlassung einer Trägerkarawane baten, die die Expedition, oder einen Teil derselben, von Tondoa nach des Königs Stadt führen sollte. Derselben Sendung wurden Geschenke für den großen Kiamwo am Quango beigegeben und um deren Übermittelung an jenen Herrscher ersucht.
Herr Comber war ferner so liebenswürdig, einige Bemühungen zu machen, um uns dennoch in den Besitz einer ständigen, wenn auch wenig zahlreichen, Begleitung zu setzen. Er sendete zu dem Zwecke einen der eigenen Loangoleute nach dessen Heimat, um dort für die Expedition zwanzig Boys zu werben, die für die persönliche Bedienung der Mitglieder in Aussicht genommen waren, d.i. als Wäscher, Köche, table-boys u.s.w.
Endlich hatte Herr Comber, der zu unser aller Bedauern kurze Zeit nachher Afrika verließ, um durch einen zeitweiligen Aufenthalt in England seine sehr geschwächte Gesundheit wiederherzustellen,6 Herrn Premierleutnant Kund mit Rat für die Ausrüstung an Tauschwaren für das Inland sehr unterstützt und in höchster Liebenswürdigkeit der Expedition unbeschränkte Gastfreundschaft und Unterstützung in allen Stationen der Mission zugesichert.
Da Premierleutnant Schulze sich auch die Unterstützung der »Association internationale africaine« sichern wollte, deren Chef, zur damaligen Zeit der Colonel Sir Francis de Winton in Vivi residierte, da es ferner für uns wichtig war, den von uns in Aussicht genommenen Ausgangspunkt der Inlandreise im voraus kennen zu lernen, da endlich Premierleutnant Kund die Expeditionsinteressen in Banana eifrig wahrnahm, zudem das holländische Haus, in dem wir ein gastfreies Unterkommen gefunden hatten, mehr wie überfüllt war, so beschlossen Premierleutnant Schulze und ich selbst mit erster Gelegenheit kongoaufwärts zu gehen und in Tondoa oder Ango-Ango Nachrichten und Träger von San Salvador zu erwarten.
Banana konnte mich um so weniger zu einem längeren Aufenthalt als notwendig veranlassen, da es ein sehr ungünstiger Ort für einen Botaniker oder Zoologen ist. Die den Platz bildenden Geschäftshäuser, deren man je ein holländisches, französisches, englisches und zwei portugiesische zählte, sind auf einer schmalen Landzunge errichtet, die auf der einen Seite vom Meer, auf der anderen vom Kongo bespült wird. Die Vegetation ist beschränkt auf einiges Küsten- und Brackwasserufergestrüpp, zu dem sich nur wenige Arten von Gräsern, Hartgräsern und anderen Strandpflanzen gesellen. Stellenweise ist die im übrigen sandige Landzunge von mit jungen Mangroven bestandenen Sümpfen unterbrochen, in denen ungezählte Moskitoschwärme ihren Geburtsort und tödliche Fieberdünste ihren Ursprung haben. Ein freundlicheres Bild bietet allein die Yard des holländischen Hauses, in der man Kokospalmen, die hier sehr gut gedeihen, Spondias, Akazien, Cassien und Caesalpinien, sowie auch einige Bananenbüsche angepflanzt hat. Dieser Vegetation entsprechend ist die Tierwelt der Landzunge eine sehr beschränkte, der übrigens in Herrn Hesse, einem deutschen Angestellten des holländischen Hauses, ein eifriger Verfolger und Sammler geworden war. Der Kontrast endlich zwischen der ruhigen und gemütlichen Häuslichkeit, die ich auf der Sibangefarm genossen hatte, und dem geschäftlichen und steifen Leben in dem großen Handelshause, das in Banana allein über sechzig weiße Angestellte zählte, ließ mir die Abreise von diesem Küstenplatz nicht allzu schwer werden. Mit herzlichem Wunsch für Gesundheit und Erfolg nahm ich von Herrn Veth Abschied, und in der Hoffnung, die anderen Herren uns in kurzer Zeit stromaufwärts folgen zu sehen, gingen Premierleutnant Schulze und ich selbst, sowie David Kornelius am 19. November morgens an Bord des »Heron«, eines kleinen Dampfers der »Association internationale africaine«, hier zum ersten Male die Gastfreundschaft des späteren Kongostaates genießend. Wir fanden an Bord verschiedene Herren der Assoziation, sowie einige portugiesische Kaufleute vor, die auf ihre Posten kongoaufwärts gingen. Die Ladung des Dampfers bestand in acht Mossamedesochsen, für Vivi als Schlachtvieh bestimmt, denn im ganzen Gebiet des Kongostaates gibt es nur an wenigen Orten vereinzelte Stücke von Rindvieh, die überdies sämtlich von Süden her eingeführt sein dürften.
Nach etwa zehnstündiger Fahrt langten wir in Boma an, dem jetzigen Hauptplatz des Staates. Die Fahrt von Banana bis Boma bietet des Interessanten nur herzlich wenig; zumeist kommt nicht einmal die Größe des gewaltigen Stromes zur Geltung, da zahlreiche Inseln, zwischen denen man wie in Kanälen dahinfährt, die Breite desselben durchsetzen und das Ufer nur zuweilen als ferne Bergkette sichtbar wird. Die Inseln sind niedrig und zum Teil hübsch bewaldet, auf einigen derselben finden sich Niederlassungen der in Banana etablierten Häuser. Ein anmutiges Bild gewährt Ponta da Lenha mit seinen Faktoreien, indem die einförmige Mangroven- und Buschvegetation durch Palmen, Orangen, Mangopflaumen, selbst Laubengänge der herrlichen Marakuja unterbrochen wird. Dann schwindet das Ufergebüsch und man blickt auf die mit hohem Gras bestandene Kampine, aus der sich vereinzelt Buschwerk und Ölpalmen erheben. Der Fetischfelsen und auf den Hügelrändern zerstreute Felsblöcke lassen groteskere Uferbildungen ahnen, doch die Fahrt findet für heute ihr Ende vor den in lange Reihe sich erstreckenden Faktoreien von Boma, deren weiße Dächer schon seit fast zwei Stunden dem bewaffneten Auge sichtbar waren.
Auch in Boma zeichnet sich die Faktorei der Afrikanischen Handelsgennootschap vor den Niederlassungen der anderen Firmen durch sehr bemerkbare Gediegenheit der Ausstattung aus, wie auch die Angestellten des holländischen Hauses diejenigen anderer Nationalität, besonders aber die Portugiesen, in jeder Beziehung weit überragen. Wir fanden für die Nacht bei dem liebenswürdigen holländischen Faktoreichef gastfreie Aufnahme, für die wir indessen an dieser Stelle das Vergnügen hatten, uns dankbar zu erweisen, hatte uns doch Herr Dr. Zintgraff (der sich zur damaligen Zeit im Hause der Assoziation aufhielt, Dr. Chavannes Rückkehr von Europa erwartend, um sodann die Aufnahmen am unteren Kongo fortzusetzen) bei unserer Ankunft durch Übersendung von fünfzig Flaschen Pschorrbier erfreut, die ein bayrischer Kapitän der Association internationale unserer Expedition zum Geschenk gemacht hatte.
In Boma besuchte ich wiederum die Station der Mission du Saint Esprit und fand dort denselben musterhaften Zustand wie in Landana und Gabun.
Es befindet sich ferner dortselbst eine Gesundheitsstation, Sanatorium genannt, für die kranken Angestellten der Assoziation, doch, trotzdem die Anlage mit vielen Mitteln hergestellt worden ist, wurden wir vor einem Besuch des Instituts ernstlich gewarnt, das nur schon zu viele Weiße betreten hatten, um es erst als Leichen wieder zu verlassen.
Daß der Ruhm Bomas, am unteren Strom die zahlreichsten und blutgierigsten Moskitos zu besitzen, wohlbegründet ist, kann ich sowohl von diesem, als meinen beiden späteren Besuchen bestätigen, habe ich doch dortselbst kaum die Augen zum Schlaf geschlossen.
Am folgenden Tage, nachdem noch ein Angestellter der englischen Mission mit seinen zwanzig neugeworbenen Loangoboys an Bord gekommen war, setzten wir die Fahrt stromaufwärts fort. Die schokoladenbraunen Wasser des Kongo sind oberhalb Boma bis zu den Yellalafällen zwischen hohen Ufern eingepreßt, die, wenn auch nicht ein schönes, so doch stellenweise ein recht interessantes Bild gewähren. Hügel reiht sich an Hügel, bedeckt von Unmengen von Blöcken und scharfkantigen Steinen, in tristester Weise bekleidet von gelbem Gras und wenigem verkümmerten Gesträuch, über dem sich ab und zu eine Ölpalme oder ein gewaltiger weißrindiger Baobab mit lang