Wyatt Earp Paket 1 – Western. William Mark
»Peshaur, es ist keine besonders feine Art, an den Türen zu lauschen. Aber ich habe es getan. Und ich bin froh, daß ich es getan habe!« Er warf das Bündel Banknoten auf den Tisch. »Hier ist Ihr Geld, Freund. Ich verzichte auf das Geschäft. Dann werden die Leute in Montana eben weiterhin auf Rinderfleisch verzichten müssen.«
Damit ging er hinaus.
Es war einen Augenblick still in dem kleinen Raum.
Dann lachte Geg Peshaur auf.
»Er hat sich selbst sein Grab geschaufelt, dieser alte Trottel!« stieß er wild hervor.
»Hättest du ihm die Bucks nicht ohnehin abgenommen?« fragte Bill Thompson grinsend.
»Sicher. Aber erst oben in Montana.«
»Und was willst du jetzt machen?«
»Abe Clinholm wird ihn auslöschen.«
»Clinholm?« wollte der Bruder des Mörders Ben Thompson wissen. »Ich denke, den hast du hinter diesem Earp hergeschickt?«
»Yeah, aber er wird bald zurück sein. Und dann bekommt er einen neuen Auftrag.« Ein häßliches Grinsen flog bei diesen Worten über das Gesicht des Cowboys. »Die Herde zieht weiter. Was geht es mich schließlich an, wenn der Mittelsmann des Aufkäufers in Montanta vor die Hunde geht? Rooper ist mit diesem Benston befreundet. Und da er hier in der Nähe eine Ranch hat, hat Benston ihn beauftragt, Rinder aufzukaufen und einen Trailboß mit ein paar Leuten zu suchen, die den Teufel nicht fürchten. Dieser Trailboß bin ich. Ich habe es Rooper gesagt.«
»Du hast ihn draußen im Camp getroffen?«
»Er kam vorgestern zu uns und sprach mit Eddie Cramer. Da ich ihn vom vergangenen Jahr her kannte, habe ich mich sofort eingeschaltet und ihm allein erklärt, daß ich eine Herde frei hätte. Eine Herde und eine Crew, die sie notfalls in die Hölle treiben würde. Rooper bot fünfundzwanzig Bucks pro Rind. So lief die Sache an.«
Thompson nickte. »Dann sieh zu, daß Abe Clinholm bald zurückkommt, sonst macht dieser Rancher noch Lärm.«
Peshaur grinste. »Lärm? Wo denn? Die Boys drüben im Saloon sind betrunken. Außerdem sind es meine Freunde. Und das Pack hier in der Stadt hat sich längst verkrochen. Der einzige Wolf in dieser Gegend war der Missourier. Clinholm wird inzwischen dafür gesorgt haben, daß er nicht mehr bellen kann…«
Es war für Wyatt höchste Zeit, zu verschwinden. Das, was er da gehört hatte, erfüllte ihn mit großer Sorge.
Mit Sorge um den alten Jim Duffy, der statt seiner die Overland-Kutsche nach Russell fahren sollte.
Wyatt gab dem Tupfschimmel die Sporen und sprengte aus der Stadt.
*
Mattschimmerndes Sternenlicht beleuchtete ihm spärlich den Weg. Er kannte ihn ja genau, schließlich befuhr er ihn seit Monaten zu jeder Tages- und Nachtzeit mit seinem holprigen Vierspänner.
Den Rancher vor dem beabsichtigten Überfall zu warnen, war sinnlos und überflüssig. Der Mann wuße nach dem Vorgefallenen ohnehin, daß er von den Cowboys nichts Gutes zu erwarten hatte. Er würde ganz von selbst auf der Hut sein.
Wyatt ritt im gestreckten Galopp auf den silbernschimmernden Wagenspuren durch die Nacht nach Westen.
So sehr er unterwegs auch Umschau hielt, er konnte keinen Reiter entdecken.
Aber Clinholm mußte doch die Straße nach Ellsworth zurückkommen.
Aber der ausgesandte Mörder kam nicht.
War Clinholm ein Mörder? Hatte er Duffy erreicht, bevor er in Russell angekommen war?
Möglich war es schon.
Wyatt trieb den alten Schimmel vorwärts. Er wollte das Tier nicht tothetzen und legte hin und wieder eine kurze Rast ein. Schließlich aber verlangte das Tier diese Pausen immer öfter und in immer kürzeren Abständen.
Der Missourier spähte über den Weg – aber er konnte weder etwas von einem einzelnen Reiter noch sonst irgend etwas Aufälliges bemerken.
Es war weit nach Mitternacht, als er jäh die Zügelleinen hochnahm.
Er ließ den Schimmel nur noch langsam vorwärtstraben, hielt ihn dann an und starrte auf den Körper, der mitten zwischen den Wagenspuren lag.
Wyatt rutschte aus dem Sattel. Er kniete neben dem reglosen Körper nieder.
Es war Jim Duffy.
Er hatte seine letzte Fahrt gemacht.
Eine Kugel hatte ihn links hinten im Rücken getroffen und wahrscheinlich vom Kutschbock geworfen.
Von der Kutsche selbst war nichts zu sehen.
Wyatt erhob sich und wischte sich durchs Gesicht. Er machte sich jetzt bittere Vorwürfe, daß er nicht selbst weitergefahren war. Durch den Tausch hatte er den Alten in den sicheren Tod getrieben.
Aber war es nicht einer jener rätselhaften Zufälle, der dafür gesorgt hatte, daß der Missourier weiterleben konnte? Ein anderer unbedeutender Mann hatte sterben müssen, um seinem Leben einen weiteren Verlauf zu ermöglichen. Das Schicksal hatte diesen Wyatt Earp ausersehen, noch eine lange Reihe von Jahren in diesem rauhen Lande zu leben und zu wirken.
Nein, darüber dachte der bedrückte Mann in diesem Augenblick gewiß nicht nach. Der Tod des alten Postfahrers hatte ihn tief getroffen.
Als er wieder in den Sattel stieg und weiter nach Westen ritt, hatte er sich geschworen, nicht eher zu rasten und zu ruhen, bis er jenen Mann gefunden hatte, der dem alten Jim Duffy die tödliche Kugel in den Rücken geschickt hatte.
Die Kugel, die eigentlich ihm gegolten hatte. Diese Tatsache bestärkte den Vorsatz des Missouriers nur noch.
*
Jeff Collins, der Boß der Overland Company, die zwischen Abilene und Coleman eine Postlinie betrieb, rieb sich den Schlaf aus den Augen, als der Missourier bei ihm eintrat.
»Wyatt! Da sind Sie ja! Was ist passiert? Die Pferde kamen spät abends allein hier auf der Station an.«
Wyatt berichtete, was geschehen war.
Jeff Collins, ein Mann in den Fünfzigern, erhob sich aus seinem Sessel und sah Wyatt mit einem durchdringenden Blick an. Seine braunen Hände stützten sich auf die grüne Schreibtischplatte, während er jetzt sagte:
»Ich habe Sie für einen brauchbaren Mann gehalten, Earp. Für einen Mann jedenfalls, auf den man sich verlassen kann. Ich sehe mich schmählich getäuscht. Sicher, Jim Duffy ist ein alter Fahrer und hätte die Kutsche zweifellos sicher nach hier gebracht. Ja, ich bin sogar sicher, daß er sie überdies noch ein paar Jahre recht ordentlich durch die Gegend geschaukelt hätte. Aber ich habe Ihnen seinen Job gegeben, Earp. Und Sie haben ihn eigenmächtig wieder mit Jim getauscht. Ich will nicht wissen, ob er Sie darum gebeten hat, denn ich weiß, daß er am Kutschbock hing…«
»Das hat er nicht!« unterbrach Wyatt. »Ich habe ihn augefordert, die Overland nach hier zu bringen…«
»Weil Sie nach Ihren Revolvergeschäften sehen wollten!« sagte Collins scharf. »Ich habe es geahnt, Earp. Es ist etwas an Ihnen und in Ihren Augen, das jene Leute haben, die von der Schnelligkeit ihres Colts leben. Vielleicht hat das bis heute nur in Ihnen geschlummert und ist jetzt geweckt worden. Sie sind ein Revolvermann, Earp…«
»Mister Collins!« Wyatt trat dicht an den Schreibtisch seines Chefs heran.
»Doch, Earp. Ich habe es schon längst befürchtet. Sie sind ein hervorragender Schütze, und es macht Ihnen Spaß, zu schießen und andere Menschen zu töten. Sie brauchen sich keine Mühe zu geben. Ich habe Sie durchschaut. Vielleicht können Sie nicht einmal etwas dazu. Es ist eben Ihr Schicksal…«
Wyatts bronzebraunes Gesicht hatte sich jäh verfärbt.
»Sie irren sich, Mister Collins. Die Leute in Ellsworth waren in Not. Ich habe es einfach für meine Pflicht gehalten,