Wyatt Earp Paket 1 – Western. William Mark
Er sah Wyatt wieder an. »Also, Mann, wie hast du dir das vorgestellt?«
Wyatt verschränkte in einer für ihn typischen Manier die Arme über der Brust, schob mit der Zunge die Zigarre in den rechten Mundwinkel, spreizte die Beine und senkte den Kopf ein wenig.
»Was gibt’s da vorzustellen, Thompson? Sie sind ein Mörder und bekommen Ihre Strafe.«
Danach wandte sich der Missourier ab, nahm sich den Stern von der Brust und drückte ihn dem Mayor in die Hand.
»Hier, Mister, ich brauche ihn nicht mehr.« Er ging zur Tür.
»He!« Wie ein Tier hatte der Mörder den Schrei ausgestoßen, der den Postfahrer an der Schwelle festnagelte. »Du machst das Spiel nicht, Bursche! Mein Bruder Bill wird dir das Genick nach Osten drehen!«
Wyatt wandte den Kopf. Ein dünnes Lächeln lag um seine Lippen.
»Für den wird die Bürgerschaft einen neuen Marshal anwerben!«
»Earp!« rief der Bürgermeister, als er sah, daß der Postfahrer gehen wollte. »Sie können doch jetzt nicht weg!«
»Weshalb nicht? Meine Gäule kriegen einen Sonnenstich!«
»Haben Sie denn nicht gehört, was er gesagt hat? Sein Bruder Bill wird kommen!« zeterte der Mayor.
»Na und?«
»Kennen Sie Bill Thompson denn nicht? Er ist noch schlimmer als Ben!«
»Kann sein. Sperrt ihn in die Zelle nebenan, dann können die beiden durch das Gitter miteinander pokern.«
»Verdammter Skunk!« kreischte der Bandit.
»Ich verstehe Sie nicht, Thompson. Double-Poker ist ein sehr unterhaltsames Spiel. Man kann es tagelang spielen. Man vergißt darüber den Galgen.«
Wyatt wandte sich um und ging hinaus.
Stumm blickten die Männer hinter ihm her; sie liefen ans Fenster und sahen, wie er zu seinen Pferden trat.
»He!« grölte die bellende Stimme des Banditen hinter ihnen und riß sie herum. »Da glotzt ihr, ihr Ratten! Was passiert jetzt? Euer As pfeift euch was! Haha! Ihr Hohlköpfe. Was glaubt ihr, was Bill mit euch aufstellen wird, ihr Geier? Er wird euch der Reihe nach umbringen. Dich zuerst, du Fleischberg! Er hat eine Vorliebe für feiste Burschen wie dich. Er sagt, nichts ließe sich besser voll Blei pumpen, als ein Mann mit einem ganz schweren Bauch! Hahaha!«
Die grelle Lache des Banditen schnürte dem Mayor die Kehle zu.
Mit Unbehagen im Herzen wandten sich die Männer zur Tür.
Draußen zog sich der Postfahrer eben auf den Kutschbock, stemmte seine staubigen Stiefel gegen das Fußbrett, nahm die Zügelleinen zurück und rief. »Hooo –!«
*
Aber dieser 18. August sollte noch nicht zu Ende sein. Noch lange nicht.
Wyatt Earp hatte mit seiner Postkutsche kaum zwanzig Yards hinter sich gebracht, als das Geräusch von Pferdehufen an sein Ohr drang. Er wandte sich um und sah eine Reiterschar die Straße hinaufsprengen. Sofort nahm er die Zügelleinen hoch und hielt den Wagen an.
Die Reiter machten mitten auf der Straße vor dem Sheriff Office halt. Wyatt schätzte, daß es wenigstgens dreißig Mann waren. Rauhe Burschen mit harten Gesichtern und staubigen Treiberkleidung.
Ein mittelgroßer Mann mit olivfarbenem Gesicht und dunklen Augen hielt direkt vor dem Vorbau des Büros. Er lehnte sich nach vorn, stützte die Linke auf das Sattelhorn, die Rechte auf den Oberschenkel und fixierte Sefton Miller, den Mayor.
»Hallo, Dicker, wie geht’s?«
Der Mayor zog die Brauen hoch. Aber er wagte nicht, auf diesen Spott zu antworten.
»Wie’s geht?« fragte der Cowboy, und diesmal klang es schon bedeutend bedrohlicher.
Der Mayor hatte es gespürt und blickte unbehaglich und hilfesuchend den kleinen Mann mit der roten Nase an, der direkt neben ihm stand.
Da stieg der Reiter vom Pferd und trat an die Vorbautreppe heran.
»Hör zu, Dicker, wenn du hier der Mayor bist, so möchte ich dir sagen, daß wir die lieben Boys aus Texas sind. Wir haben 17.000 Rinder von Cheerbake heraufgetrieben. Und jetzt bringen wir die Dollars, die wir dabei gemacht haben, in eure dreckige Zigarrenkistenstadt. Hast du das kapiert, Alter?«
Der Bürgermeister war kein Mann von großer Überlegung, seine anfängliche Angst war verflogen, gereizt erwiderte er:
»Ihr befindet euch hier in Ellsworth. Das ist keine dreckige Zigarrenkistenstadt, verstanden!«
Der Cowboy war mit zwei schnellen Sprüngen oben auf dem Vorbau und stand dicht vor Miller.
»Hör zu, Lad. Dieser Ton mißfällt mir erheblich.«
Er wandte sich um, stützte sich mit der Linken gegen einen Vorbaupfeiler und sah zu seinen Leuten hinüber.
»He, Boys! Netter Empfang, was? Sollen wir ihnen ein paar von unseren Kunststücken vorführen?«
»Klar, Geg!« riefen mehrere Reiter.
Blitzschnell hatte der Cowboy auf dem Vorbau seinen Colt in der Rechten, stieß ihn nach vorn und jagte rasch hintereinander fünf Schüsse über die Straße, die drüben im Barber-Shop die Fenster zertrümmerten.
Ganz plötzlich hielt der Schütze inne und blickte auf einen braunen Wallach, der in der Seitengasse neben dem Smoky-Saloon an einem Querholm angebunden war.
»He, wenn das nicht Ben Thompsons Pferd ist, will ich meinen Sattel ungekocht verschlingen!«
Die andern musterten das Pferd jetzt auch. Und auch sie schienen das Tier zu kennen.
»Loppy, lauf rüber in den Saloon. Ben wird vielleicht mit dem Salooner ein Spiel machen.«
Einer der Reiter stieg vom Pferd und ging mit hölzernen Reiterschritten auf den Saloon zu.
Nach einer Minute kam er wieder, in der rechten Hand hielt er einen langläufigen Revolver, dessen Knauf mit zwei silbernen Andreaskreuzen ausgelegt war.
»Geg!« rief er und hob die Waffe hoch. »Das ist alles, was ich gefunden habe!«
»Bens Colt!« brüllte Geg. »Und wo steckt Ben selbst?«
»Ich weiß es nicht.«
Unendlich langsam drehte Geg sich zu dem Bürgermeister um, stemmte die Fäuste in die Hüften, kniff die Augen ein und wog sich herausfordernd auf den Außenkanten seiner Stiefelsohlen.
»He, Fettwanst! Lobby hat den Colt eines Mannes gefunden, den wir verdammt gut kennen. Die Bleispritze gehört Ben Thompson. Solltest du vielleicht wissen, wo Bennie ist?«
Es war einen Augenblick still. Dann hörte man den Bürgermeister sagen:
»Ja, er ist im Gefängnis!«
Geg wich einen halben Schritt zurück und ließ die Hände von den Hüften fallen.
»Was war das?« fragte er völlig entgeistert.
»Er ist im Gefängnis!«
Der Cowboy stieß einen kleinen Piff durch die Lücke in seinen Schneidezähnen.
»Sag das doch noch mal.«
»Ben Thompson ist im Gefängnis«, wiederholte der Mayor schon etwas zaghafter.
Da traf ihn eine so gewaltige Ohrfeige, daß er zurück gegen den Schmied prallte.
»Ben Thompson ist im Gefängnis?« röhrte Geg. »Das ist ja wohl der beste Witz, den der alte George Peshaur bis heute gehört hat. Und du hast ihn wohl einsperren lassen, he?«
Miller trat vor. Seine linke Wange war brandrot.
»Ja, ich habe ihn einsperren lassen!«
Loppy war inzwischen mit Thompsons Colt