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Der junge Mann nahm den Hut ab. Charlotte grüßte lächelnd.

      Zuerst führte der dienende Jesuitenbruder seinen Pflegebefohlenen zu dem Kurfürsten, der ihn freundlich begrüßte, ihn bei der Hand nahm, zu den Damen führte und, zu der Prinzessin gewendet, sagte: »Hier hast du, Charlotte, einen Vetter, den du noch gar nicht kennst.« Und zu dem jungen Manne bemerkte er: »Das ist meine Tochter, Elisabeth Charlotte, begrüßt euch!« –

      Der junge Graf neigte sich auf die Hand der Prinzessin, die ihn zu sich zog und durch einen herzhaften Kuß erfreute. »Gott grüß dich, lieber Vetter!« rief sie. »Wir wollen zusammen gute Freundschaft halten.«

      »Das wollen wir!« bestätigte der erfreute Jüngling.

      Nachdem Georg den übrigen Frauen vorgestellt war, näherte sich ihm auch Karl Ludwig, der junge Raugraf. Nur wenige Jahre Unterschied war zwischen beiden. Karl Ludwigs offenes Wesen sagte Georg zu, und die beiden Jünglinge schlossen eine herzliche Freundschaft.

      Der Kurfürst bemerkte zu seiner Tochter insgeheim: »Dafür, daß ihn die Schwarzröcke erzogen haben, ist er anständig, offenherzig und gutartig geraten. Nicht wahr, du kannst ihm gut sein?«

      »Von Herzen, Vater!« rief die Prinzessin. »Er hat so schöne, dunkle, treuherzige Augen. Gerade so habe ich mir den armen Onkel vorgestellt, den Euch das Geschick so früh entrissen hat. Nur schade, daß seine Mutter keine Prinzessin ist.«

      Gleich nachher tat ihr das Wort leid, indem sie an ihres Vaters Verhältnis zur Degenfeld dachte; aber es war zu spät. Der Kurfürst runzelte die Stirn, sein Auge trübte sich, und er erwiderte: »Muß es denn immer eine Prinzessin sein, die uns unseren schweren Stand ertragen lehrt, die uns armen Fürsten mit der Erde und ihrem Leide aussöhnt? O, meine Tochter, du verdientest das Opfer deiner Vorurteile zu sein! Du verdientest, daß der dir entzogen wird, den du liebest, und du dem in die Arme gelegt wirst, der nichts für dich hat als die Strahlen seines Sterns.«

      »O, Vater, welch ein grausamer Wunsch!«

      »Dann würdest du lernen, was es heißt, nach seinem Stande heiraten!« sagte der Kurfürst.

      Diese Worte hatten Charlotte tief gekränkt. Sie dachte über ihren Sinn nach und unbewußt tat sie einen langen, schweren Blick in eine freudlose Zukunft. Georg störte sie in den finsteren Gedanken: er trat zu ihr, faßte sie an der Hand und sagte schmeichelnd: »Warum traurig, Cousinchen! Die Welt ist ja so licht und so schön.«

      »Habt Ihr sie nie dunkel und trübe erschaut?« fragte Charlotte.

      »O wohl!« erwiderte er; »in Schottland, am Gestade des Sees Canongate, um das Schloß des alten Grafen Udallan, da war es einsam und furchtbar: aber hier, in dem schönen, lichten Heidelberg ist es fast so lustig wie in Paris.«

      »Waret Ihr in Paris?« fragte die Prinzessin.

      Des jungen Grafen Wange übergoß sich mit Purpur: er wußte nicht, was er sagen sollte. »Einmal,« erwiderte er, »die Väter des Kollegiums machten eine Reise und nahmen mich mit, aber es war nur auf ganz kurze Zeit.«

      »Paris muß schön sein,« erwiderte die Prinzessin. »Ich möchte wohl dort sein. Ich möchte auch den großen König sehen, von dem in ganz Europa so viel gesprochen wird. Habt Ihr ihn gesehen?«

      »Ich – wie käme ich dazu?« rief Georg bestürzt. »Ein armer Student den großen König!« Aber sich gleich darauf verbessernd, fügte er hinzu: »Auch hätten die Väter mir nie erlaubt, die Umgebungen des Hofes in Augenschein zu nehmen. Das ist nichts für einen jungen Geistlichen, dem sein Brevier das Wichtigste auf der Welt sein muß.«

      »Auch ich werde ihn wohl nie sehen,« sagte die Prinzessin. »Papa reist nicht, und ma tante ist auch nicht zu einer Reise nach Paris zu bewegen. Wenn ich unvermählt bleibe, so ist's demnach nichts, und wenn ich einen kleinen deutschen Fürsten heirate, so kann das mich auch nicht dorthin bringen.«

      »Außer Ihr heiratetet einen französischen Prinzen!« rief Georg plötzlich sehr lebhaft.

      »Laßt uns davon schweigen!« bemerkte Charlotte, den Kopf schüttelnd. »Ich will nicht heiraten; das Leben ist so lustig, wenn man ledig ist. Der Papa tut alles, was ich will, mir fehlt nichts, als daß es immer so bliebe. Geht Ihr gern auf die Jagd, Vetter Georg?«

      »Sehr gern; aber ich habe bis jetzt noch wenig Erfahrung.«

      »Ihr sollt mit mir gehen!« rief Charlotte. »Ja, das sollt Ihr. Ich will Euch alle Kunstgriffe zeigen. Karl Lutz ist noch zu jung; auch geht er morgen nach Trier, um mit seinem Präzeptor dort etwas für den Vater zu besorgen. Juchhe! Wie wollen wir hübsch jagen in dem schönen Forst um Heidelberg herum! Es soll eine Lust sein.«

      Und die Prinzessin veranstaltete eine Wildschweinjagd in dem Forste zu Heidelberg. Früh um sechs Uhr brach die kleine Gesellschaft auf. Es war ein schöner Tag, die Sonne leuchtete vom unbedeckten Himmel; das Paar ritt die Bergstraße hinab, zu beiden Seiten wogende Kornfelder, im Hintergrunde eine gebirgige Landschaft.

      »Wie gefällt Euch die Pfalz?« fragte Charlotte, ihrem Pferde die Zügel nachlassend und bequem sich auf dem Sattel schaukelnd, um dem Gange des Gesprächs zu folgen.

      »Ein schönes Land,« erwiderte der Gefragte, die Blicke um sich werfend, »so schön, daß ich wünschte, hier leben und sterben zu dürfen.«

      »Das erste ist Euch gewährt; an das andere dürft Ihr noch nicht denken,« entgegnete die junge Fürstentochter. »Für uns beide soll die Zeit noch geboren werden, wo wir streben und wirken.«

      »Es ist wahr,« entgegnete der Graf, »ich vergaß das! Wie leicht kommt einem das, was man schon erlebt und getan, als genug vor, und es ist so wenig.«

      »Für einen Mann sicherlich zu wenig! Ach, wer doch auch ein Mann wäre!«

      »Ist dies Euer Wunsch?«

      »Von jeher gewesen. Und ich denke, ich werde es noch,« sagte die Prinzessin.

      »Wie versteht Ihr das?« fragte Georg.

      »Habt Ihr nie von dem Mädchen Germaine gehört; die wurde in ihrem zwanzigsten Jahre vermittelst eines Sprunges aus einem Mädchen ein Jüngling. Gott, was bin ich in meinem Leben schon gesprungen, einzig aus diesem Grunde!«

      Georg sah vor sich hin und lächelte.

      »Seht, einem Manne, dem gehört die Welt,« fuhr das fürstliche Mädchen fort, »ist er vornehm und von unserem Stande, so sind sämtliche Weiber ihm untertan, von der Königin bis zur Bauernmagd. Er ist der Herr. Mit dem Degen in der Faust erwirbt er sich unsterbliche Lorbeeren, mit der Feder kämpft er und erstrebt sich unbestreitbare Verdienste, und dann die Hauptsache – niemand lebt, der ihn zwingen kann, zu lieben und zu heiraten. Wir armen Mädchen müssen es dulden, daß man uns herdenweise zur Schlachtbank treibt, wo die es am besten hat, die sich recht gefügig und willig in den Willen des Schlächters findet.«

      »Es gibt unter uns Männern auch solche willenlose Schafe!«

      »Alsdann sind es keine Männer!« rief die Prinzessin. »Sie haben nur den Anschein, es zu sein. Ein echter Mann kann nicht gezwungen, nicht besiegt werden. Er ist immer Herr. Habt Ihr schon die Weiber kennengelernt?«

      Georg errötete bei dieser eilig ausgestoßenen Frage. Er dachte an seine frühe Jugend und an das Gasthaus des Herrn Bertholet; an das Abenteuer, das ihm die hundert Gulden gekostet, und er zögerte mit der Antwort.

      »Sprecht!« rief die Fürstin dringender, »mir könnt Ihr vertrauen, ich plaudere nicht. Es scheint mir, als wüßtet Ihr noch nichts von der Liebe.«

      »Von der Liebe?« entgegnete der junge Graf von der Pfalz; »da mögt Ihr recht haben. Denn das, was ich erfahren habe, kann nicht Liebe genannt werden.«

      »Also schleicht sich in die Klöster Eures Ordens auch niedrige Sinnlichkeit ein?« rief sie und sah ihn halb mitleidig, halb boshaft lachend an. »Das hätte ich nimmermehr geglaubt.«

      »Nicht eigentlich in das Kloster,« stammelte der Befangene. »Ich war damals in der Freiheit; aber fragt mich nicht, ein solches


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