Der Gott, der uns nicht passt. Tobias Wolff

Der Gott, der uns nicht passt - Tobias  Wolff


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Gottes Schmerz vor der Bestrafung: Gott empfindet. Es reute ihn (wajjinachem), den Menschen geschaffen zu haben! Und „es tat ihm weh bis ins Herz hinein (wajjitazzev el-libbo)!“

      Kann Gott Reue empfinden? Dann hätte er doch zuvor etwas falsch gemacht? Heißt es nicht anderswo (Num 23,19): Gott ist kein Mensch, der etwas bereut oder 1Sam 15,29: Er ist doch kein Mensch, sodass er etwas bereuen müsste? Viel öfter aber lesen wir das andere, ja, sogar im gleichen Kapitel in 1Sam 15,11: Es reut mich, dass ich Saul zum König gemacht habe. Im ersten Fall geht es immer um Zukünftiges: Was Gott vorhersagt durch seine Propheten, wird eintreffen! Im zweiten Fall, wie auch hier, geht es um Gegenwärtiges oder Vergangenes: Hatte Gott Gericht beschlossen, aber der Mensch sich geändert durch Umkehr oder Gebet, so kann Gott sein Verhalten ändern, also „bereuen“. Klassisch hat dies Jeremia 18,7ff formuliert: … drohe ich einem Volk oder einem Reich, es auszureißen, niederzureißen und zu vernichten. Kehrt aber das Volk, dem ich gedroht habe, um von seinem bösen Tun, so reut mich das Unheil, das ich ihm zugedacht hatte. Hier „reut“ es Gott, seine Geschöpfe zu sehen, die ihre Herrlichkeit mit Bosheit, ihren schalom („Frieden“) mit chamas („Gewalttat“) vertauscht haben.

      » Der (mit)leidende Gott

      So fühlten die Brüder Dinas, nachdem sie von der Vergewaltigung ihrer Schwester hörten (Gen 34,7 hitp.), so reagierte Jonatan, als er erfuhr, dass sein Vater David töten wollte (1Sam 20,34 ni.), so wird der Schmerz Davids beim Tode seines Sohnes Absalom beschrieben (2Sam 19,3 ni.). Von einer Frau, die von ihrem Mann verlassen wurde, heißt es in Jes 54,6, sie sei „verlassen und im Geist tiefbekümmert“ (q.). Noch zweimal – außer an unserer Stelle – wird das Wort auf Gott angewendet: In Psalm 78,40 (über Israel, das Gott oft „in der Wüste kränkte“ hi.) und in Jes 63,10 (das Volk, das „widerspenstig war und seinen Heiligen Geist betrübte“ pi.)! In dieser Vokabel schwingt demnach tiefe Trauer und das Gefühl des Verrats und der Verlassenheit mit.


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