Der Gott, der uns nicht passt. Tobias Wolff

Der Gott, der uns nicht passt - Tobias  Wolff


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      » Gott reagiert im Gericht …

      „Ich werde wegwischen …“ Gott ist nicht launisch, nicht gemütskrank oder grausam. Er sieht, dass der Mensch in seiner Freiheit dabei ist, die Hölle auf Erden zu schaffen, ein Leben in Gewalttat und Bosheit. Der gesamte Einflussbereich des Menschen ist infiziert, ist verdorben. Das Übel kann nicht mehr geheilt und rückgängig gemacht werden. Gott bewahrt das Leben auf die einzig mögliche Art: indem er den einzig „exemplarisch“ Gerechten bewahrt. Und so gibt es in diesem düsteren Gemälde einen hellen Schein.

      » … und im Heil

      „Aber Noah fand Gunst in den Augen des Herrn“! Was ist das für ein Mensch, der dem Gericht entkam? Im Gegensatz zu seinen Zeitgenossen war Noah ein rechtschaffener, durch und durch redlicher Mann, der in enger Verbindung mit Gott lebte. Die Augen Gottes, die zu Beginn all das Böse sahen, sehen mit Barmherzigkeit und Gunst auf den, der mit Gott lebt, der ihn sucht.

      Vers 9:

      Noah war ein gerechter Mann (isch zadiq)

      und vollkommen (tamim) unter seinen Zeitgenossen;

      Mit Gott wandelte (hithallech) Noah

      Drei Dinge werden von Noah ausgesagt:

      1. Er war „gerecht“, wie viele im AT. Zadiq begegnet 206-mal im AT, vor allem im Psalter und in den Sprüchen. Oft in Kontrast zum „Frevler, Bösewicht“ (Ps 1). Besonders von Menschen, die das Gesetz halten.

      2. Er war „ganz, vollkommen“, eine schon seltenere Charakterisierung. Die Wortwurzel bedeutet „Ganzheit, Vollständigkeit“. Ein Fachwort für fehlerfreie Opfertiere (Lev 1,3 u. a.), das allein Gott dargebracht werden darf. Der tamim enthält sich allen Unrechts (Hes 28,15) und wandelt in Gottes Geboten (Ps 119,1). Beispiele sind Hiob und Abraham (Gen 17,1).

      3. „… mit Gott wandelte Noah“. Das lesen wir nur noch von Henoch (Gen 5,24 wajjithallech chanoch et-ha’elohim)! In Noahs Fall steht Gott betont an erster Stelle (Gen 6,9 et-ha’elohim hithallech-noach).

      Und nun? Der Verweis auf die überwiegend vielen „hellen“ Momente im AT macht die „dunklen“ Seiten des Buches nicht erträglicher oder besser. Man kann diese Frage nicht durch Anhäufung andersartiger Berichte klären. Die Antwort darauf liegt nicht in unserem Wissen über Gott, sondern in unserer Haltung vor Gott. Es ist eine Frage der Beziehung, nicht der Erkenntnis. Noah lebte in dieser Beziehung mit seinem Gott. Daher konnte er Altäre bauen anstelle religionskritische Bücher zu schreiben.

      Leben und Tod, Frieden und Gewalt – diese ungleichen Paare werden die Welt begleiten, solange sie besteht. Die Bibel verursacht sie nicht, sie zeugt nur von ihnen. Es ändert nichts, diese dunklen Seiten aus dem Buch herauszureißen. Wir haben Gott nicht zu kritisieren, wenn seine Wege uns nicht gefallen. Auch in ihnen ist er uns nahe (Ps 23,4; Ps 27,1). Viele Menschen vertreten heute die Position aus Hiob 2,9: Lästere Gott und stirb! Unsere Antwort darauf sollte mit Vers 10 lauten: Nehmen wir das Gute an von Gott, sollen wir dann nicht auch das Böse annehmen?

      Noah und Hiob zeigen exemplarisch: Wir finden Vorbilder nicht nur im NT, sondern in besonderer Weise auch im AT. Das ist die Schrift, die von Jesus zeugt (Joh 5,39). Wer „Mose“ glauben kann, glaubt auch Jesu Wort (Joh 5,46f). Gottes Wort redet auch heute noch zu jedem, der hören will. Wenn immer wir das Alte Testament lesen, sollten wir es in der Haltung tun, die Pfarrer Wilhelm Busch auszeichnete:

      9 Literaturverzeichnis

      » Zum Thema „Gewalt“:

      Auel, Hans-Helmar: Der rätselhafte Gott. Gottesdienste zu unbequemen Bibeltexten. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 2010.

      Baumgart, Norbert Clemens. Nitsche, Martin (Hg.), Gewalt im Spiegel alttestamentlicher Texte (Erfurter Theologische Schriften 43). Würzburg: Echter Verlag, 2012.

      Becker-Spörl, Silvia: Krieg, Gewalt und die Rede von Gott im Deboralied (Ri 5). In: Ein Gott der Gewalt? Bibel und Kirche. 51. Jahrgang, 3. Quartal, Stuttgart: Katholisches Bibelwerk 1996, S. 101–106.

      Bodendorfer, Gerhard: Erfahrung und Verständnis von Gewalt im Judentum. In: Hempelmann, Reinhard/Kandel, Johannes (Hg.): Religion und Gewalt. Konflikt- und Friedenspotentiale in den Weltreligionen. Göttingen: V&R unipress, 2006, S. 195–225.

      Busch, Wilhelm „Was tun wir mit dem Alten Testament?“ In: Währisch, Hans (Hg.), Verkündigung im Angriff. Wuppertal: Aussaat Verlag 1968, S. 41–47.

      Cowles, C.S. et alii: Four Views on God and Canaan Genocide. Grand Rapids: 2003.

      Die deutschen Bischöfe. Gerechter Friede (Hirtenschreiben. 66), 4. Aufl., Bonn 2013. http://www.dbk-shop.de/media/files_public/qxjkjjqep/DBK_1166.pdf (Stand 2.4. 2015).

      Ebach, Jürgen: Nicht den Frieden, sondern das Schwert!? Drängende Fragen an Texte, die von Gewalt sprechen. Vortrag München: 2010, Quelle: http://www.bibel-in-gerechter-sprache.de/wp-content/uploads/Ebach-OEKT2010_Gewalt.pdf (Stand 2.4.2015).

      Ders., Nicht nur „der liebe Gott“. Das Problem des Bösen


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