Wyatt Earp Staffel 3 – Western. William Mark D.
Inhalt
Sein Gesicht war wächsern, gläsern sein Blick, das sandfarbene Hemd war blutdurchtränkt. Aus seinen Augen schrie der Schmerz. Langausgestreckt lag er im kniehohen Gras. Das graue Haar klebte ihm in breiten Strähnen in der Stirn.
Links neben ihm lag ein dunkler, breitrandiger Hut – rechts, etwas abseits, schimmerte ein großer Revolver mit sechskantigem Lauf.
So fand ihn der Marshal Wyatt Earp, als er die Halde hinunterritt.
Fünf Yards vor dem Mann im Gras hielt der Missourier sein Pferd an und sprang aus dem Sattel. Er kniete neben ihm nieder, warf einen forschenden Blick in sein Gesicht und riß ihm dann das Hemd über der Brust auf. Was er da sah, veranlaßte ihn, die Hemdfetzen resigniert wieder zusammenzulegen.
Der Mann war verloren. Daran konnte es keinen Zweifel geben.
Mehrere Bleigeschosse, die aus nächster Nähe auf seinen Rücken abgefeuert worden waren, hatten ihm beim Verlassen des Körpers die linke Brustseite entsetzlich aufgerissen. Er hatte offensichtlich nur noch Minuten zu leben.
Der Missourier lief zu seinem Pferd, holte die Wasserflasche, nahm eine kleine Whiskyflasche aus der Satteltasche, kippte etwas Wasser in einen Becher und goß Whisky dazu. Die Mixtur träufelte er dem Sterbenden zwischen die Lippen.
Der Mann wollte etwas sagen; zitternd bewegte er den Mund, aber nur mit äußerster Anstrengung gelang es ihm, einen Laut aus der Kehle zu bringen.
Wyatt blickte ihn scharf an. »Sie brauchen nichts zu sagen, Mister. Lassen Sie mich lieber fragen. – War er groß?«
Der Sterbende nickte.
»Dunkel?«
»Nein.«
»Also blond?«
Der Mann im Gras versuchte zu nicken.
»Ritt er einen Braunen?«
»Nein.«
»Einen Fuchs?«
»Ja.«
»War er jung?«
Nach einiger Mühe hatte Wyatt herausgefunden, daß der Mörder etwa dreißig Jahre alt sein mußte.
»Wissen Sie, weshalb er Sie niedergeschossen hat?«
Die blutverschmierte Hand des Mannes tastete zur Tasche.
Wyatt verstand. Der Bandit hatte ihn also beraubt.
Etwas leiser fragte der Marshal: »Soll ich jemanden verständigen?«
Der Mann, der zu schwach war, dem Missourier noch seinen Namen zu sagen, blickte ihn aus brechenden Augen an. Seine Linke tastete zur Seite.
Er suchte den Revolver.
Wyatt biß die Zähne hart aufeinander bei dem erbarmungswürdigen Anblick, den der Unglückliche bot. Dann bückte er sich und hob den Revolver auf.
»Machen Sie sich keine Sorgen, Mister«, sagte er, wobei er sich ein Lächeln ins Gesicht zwang. »Es wird schon wieder werden Sie müssen jetzt noch einen Schluck trinken.«
Der Sterbende hob mutlos die Hand und ließ sie wieder ins Gras sinken.
Wyatt ergriff diese Hand. »Ich werde ihn finden, Mister. Das verspreche ich Ihnen, ich...«
Der Kopf des Grauhaarigen rollte zur Seite. Starr blickten die Augen zu den Gipfeln der Pawnee-River-Mountains hinüber. Die von zahllosen Falten zerschnittene, pergamentfarbene Haut schien sich plötzlich zu glätten.
Der Marshal sah stumm in das Gesicht des Toten. Dann richtete er sich langsam auf, nahm seinen Campspaten und hob neben dem Toten eine Grube aus.
Sanft strich der Abendwind durch die Gräser und neigte sie. Der blauweiße Kansashimmel trug einen orangeroten, leuchtenden Gürtel über dem Horizont.
Der Tag neigte sich seinem Ende zu.
Wyatt hatte seinen breitrandigen schwarzen Hut in der Hand und blickte noch einen Augenblick auf den frischaufgeworfenen Grabhügel. Als er den Hut aufsetzte, fiel sein Blick wieder auf den Revolver, der neben dem Erdhügel im Gras lag. Wyatt hob ihn auf und betrachtete ihn genauer, als er es vorhin getan hatte. Es war eine alte, sehr schwere Waffe, deren Griffschalen die eingebrannten Buchstaben M. W. trugen.
Der Missourier ließ die Trommel rotieren und stellte fest, daß alle Kammern gefüllt waren.
Langsam steckte Wyatt die Waffe vorn in seinen Gurt.
Nach einem letzten Blick auf den Grabhügel zog er sich in den Sattel auf und blickte auf die dunkle, schmale Spur, die sich nach Westen hin durchs Gras der Prärie zog.
Der Mörder hatte auch das Pferd des von ihm niedergeschossenen Mannes mitgenommen.
An den teilweise wieder aufgerichteten Gräsern erkannte Wyatt, daß sich das Drama in den Vormittagsstunden hier abgespielt haben mußte. Das Drama, von dem nur noch ein alter Revolver mit sechskantigem Lauf und auf der linken Griffschale eingebrannten Initialen übriggeblieben war.
Der Mörder hatte einen Vorsprung von wenigstens acht Stunden. In acht Stunden konnte ein eiliger Mann ein gutes Stück Land zwischen sich und einen Ort bringen, den er gern vergessen wollte.
*
Der Missourier folgte der Fährte im harten Galopp, mußte aber nach einer Stunde auf einer sandigen Bodenstelle feststellen, daß der Mörder ebenfalls mit großer Geschwindigkeit geritten war. Wyatt erkannte es deutlich an den Hufeindrücken der beiden Pferde.
Allzuschnell brach die Dämmerung herein und breitete ihre Schatten über das Land.
Die Spur im Gras wurde immer undeutlicher, und schließlich konnte Wyatt sie in der Dunkelheit nicht mehr erkennen. Da sie aber, von einigen geringfügigen Abweichungen abgesehen, ziemlich genau nach Nordwesten geführt hatte, blieb Wyatt in dieser Richtung.
Er kannte die Stadt nicht, die jetzt vor dem hellschimmernden Horizont mit den schwarzen Silhouetten ihrer Häuser auftauchte.
Es war eine Stadt wie jede andere in diesem Land. Eine jener Kistenstädte mit einer breiten Hauptstraße und ein paar Quergassen.
Vor den ersten Häusern stand ein großes Schild am Weg.
Wyatt riß ein Zündholz an.
Der kleine Lichtschein tanzte über das grobbehauene Holzschild und beleuchtete den Namen Keystone.
Wyatt ritt weiter.
In den meisten Häusern war das Licht schon erloschen.