Wyatt Earp Staffel 3 – Western. William Mark D.
Bankangestellte aus Kansas City hier in der kleinen Stadt den Job des Sheriffs angenommen. Es machte ihm ja nichts aus, nachts wach zu sitzen. Dafür konnte er sich dann am Tage hinlegen. Echten Schlaf fand er nicht mehr. Mit der Gesundheit des Fünfundvierzigjährigen war es schnell bergab gegangen. Ohne Schlaf konnte eben kein Mensch existieren. Und Ruhe mit geschlossenen Augen war eben noch längst kein Schlaf. Jim Forrestier sah aus wie ein Mann in den Sechzigern. Grauhaarig, mit eingefallenem Gesicht und gebeugten Schultern.
Die Menschen in der Stadt empfanden tiefes Mitleid mit diesem unglücklichen Mann. Er war ein guter Sheriff, der Mann ohne Schlaf. Bisher hatte es während seiner Amtszeit nichts gegeben, was die Stadt hätte beunruhigen können. Der Sheriff ohne Schlaf war ja immer auf dem Posten.
Forrestier hatte sogar den Aufprall der Flasche in dem großen Spiegel und das Klirren der Glasscherben gehört.
Als der Schuß fiel, war der Sheriff schon auf der Straße. Er sah drüben die halboffene Tür von Kellys Bar, sah den schwachen Lichtschein auf den Vorbau dringen und das Pferd am Zügelholm.
Forrestier lief auf die Schenke zu. Als er in der Tür erschien, wirbelte Idaho Kid herum. In seiner linken Hand blitzte es auf.
Forrestier hatte das Gefühl, einen Keulenschlag gegen den Kopf bekommen zu haben. Er stürzte rücklings auf den Vorbau.
Idaho Kid nahm noch einen Schluck aus der Flasche, wischte sich mit der Rechten den Mund ab und ging dann hinaus. Draußen trat der brutale Mann über den Niedergeschossenen hinweg, ohne ihn eines Blickes zu würdigen.
Er stieg auf sein Pferd und ritt aus der Stadt.
Doc Collins, der alte weißbärtige Arzt, wohnte schräg gegenüber. Er hatte den letzten Schuß gehört, sprang aus dem Bett und stürzte ans Fenster. Er sah drüben in dem dünnen Lichtstreifen, der aus der Bar fiel, einen Mann am Boden liegen.
Als er das Fenster hochriß, hörte er ganz weit in den Ferne noch den
Hufschlag eines galoppierenden Pferdes.
Der Arzt, der es gewohnt war, nachts aus den Federn zu müssen, war rasch angekleidet, nahm seine Tasche an sich, stülpte den Hut auf den Kopf und rannte los. Seine Frau sah erschrocken und stumm hinter ihm her.
»Heavens! Der Sheriff!« entfuhr es dem alten Arzt. Er warf einen raschen Blick in den Schankraum und beugte sich, als er festgestellt hatte, daß er leer war, über Forrestier.
Das Herz des Sheriffs schlug noch. Und von seiner linken Schädelseite rann Blut.
Collins richtete den Schwerverletzten auf und schleifte ihn keuchend in den Schankraum.
Forrestier wurde verbunden.
Als der Arzt noch damit beschäftigt war, hörte er ein Geräusch an der Tür.
Da stand ein Junge von vielleicht zehn Jahren und blickte mit ängstlichen Augen auf die reglose Gestalt des Sheriffs.
»Doc«, fragte er entgeistert, »was ist geschehen?«
»Das weiß ich auch nicht. Irgend jemand hat den Sheriff niedergeschossen.«
Der Bursche wandte sich um und verschwand. Bald darauf kam er mit seinem Vater zurück. Das war ein breiter untersetzter Mann mit bärtigem, hartem Gesicht und schweren, verarbeiteten Händen.
Der Arzt sah zu ihm hinüber. Er erkannte den Schmied Nic Barrymoore.
»Sie können mir gleich helfen, ihn zu mir zu bringen«, sagte der Arzt.
Der Blacksmith nickte. Und während er in das aschgraue Gesicht des Sheriffs blickte, fragte er: »Hat er noch eine Chance?«
Collins zuckte mit den Schultern.
»Ich weiß es nicht.«
Barrymoore sah sich um. »Wo steckt eigentlich Kelly? He, Bud, Bud!«
Er rannte durch den Schankraum – und blieb neben der Theke plötzlich wie angewurzelt stehen.
»Doc!«
»Was gibt’s?«
»Kelly. Hier liegt er. Ich glaube…, er ist tot…«
Bud Kelly war tot. Die Kugel hatte sein Herz angerissen.
Die schlimme Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der Stadt.
Barrymoore trommelte in aller Eile mehrere Männer zusammen, die dem Mörder folgten.
Der Doc hatte ja gehört, nach welcher Richtung er sich entfernt hatte.
Wie auf eine stumme Vereinbarung zwischen dem Todesschützen und dem Schicksal begann es zu regnen, noch ehe die Verfolger den Stadtrand erreicht hatten. Es goß plötzlich wie aus Kübeln.
Barrymoore hielt an. »Es hat keinen Sinn. Wir müssen den Tag abwarten.«
Im Morgengrauen war der Regen dünner geworden.
Die Männer brachen wieder auf.
Und als sie gegen Mittag in die Stadt zurückkamen, hatten ihre Gesichter etwas von der Regendüsternis des Himmels.
Der Mörder war entkommen, ohne eine Spur hinterlassen zu haben. Die Prärie hatte ihn verschluckt, und der Regen hatte seine Fährte noch in der Nacht verwischt.
Daß Idaho Kid in Silverlake gewesen war, wußte niemand.
Bud Kelly, der einzige, der ihn wirklich gesehen und gesprochen hatte, war tot.
Der Sheriff lebte zwar, aber er war noch immer ohne Bewußtsein.
Das Ereignis, das die Stadt mit Schrecken erfüllt hatte, verblaßte jedoch nach ein paar Tagen hinter dem, was dann geschah.
*
Es war eine schwarzgraue Regennacht. Der Wind peitschte die Tropfen in Böen vor sich her.
Von Osten näherte sich eine Reiterschar der Stadt Silverlake.
Mit einer Pferdlänge Vorsprung ritt ein einzelner Mann vor den anderen her.
Idaho Kid kam zurück.
Es war Mitternacht.
In Wynn Logans Cattle Salon brannte noch Licht.
Wortkrag saßen die Männer an den Tischen und blickten betreten in ihre Gläser.
Das Orchestrion schwieg.
Ceveller stieß die Tür auf und trat ein.
Er trug wieder seinen steifen, schmalrandigen Bostonhut, einen eleganten grauen Tuchanzug und ein weißes Hemd mit schwarzer Schleife. Links war der Schoß seines Rockes von dem darunter steckenden großen Revolver ausgebeult. Er sah elegant aus, und doch wirkte er furchterregend. Das Glasauge in seiner linken Augenhöhle verlieh dem ganzen Gesicht etwas seltsames Starres, Lebloses. Ceveller nahm an einem der freien Tische in der Nähe der Theke Platz.
Seine Männer blieben in respektvollem Abstand hinter ihm stehen.
Der Boß hob die Hand und sagte in gebieterischem Ton: »Setzt euch.«
Die Tramps ließen sich an dem runden Tisch nieder.
Ceveller schnipste mit den Fingern.
»Whisky!«
Wynn Logan blickte auf. »Drei Flaschen?«
Der Bandit verzog den Mund. »Siehst du nicht, wieviel Männer wir sind?«
Mit nicht sehr vergnügtem Gesicht schleppte der Salooner ein gutes Dutzend Flaschen heran.
Die Banditen nahmen einen tiefen Zug.
Dann blickte sich Ceveller um.
An einem der Nachbartische saß ein wohlbeleibter Mann mit blondem Haar und frischem vollem Gesicht. Er trug einen Galvestone-Anzug und einen breitrandigen Melba-Hut. Der Viehzüchter war ihm auf fünfzig Schritt anzusehen.
Ceveller zog eine lange dünne Zigarre aus der Reverstasche, riß ein Zündholz an der Tischkante an und