Griechische Mythologie. Ludwig Preller
welche das Bild der Göttin dann badeten und schmückten wie einst die Göttin bei ihrer Geburt gebadet und geschmückt worden war, und darauf selbst unter Myrtengebüschen oder im Flusse badeten um sich zu dem Genusse der Liebe vorzubereiten786.
Aber in allen Religionen wo das Erdeleben gefeiert wird entspricht der Ausgelassenheit der Frühlingslust ein eben so ausgelassener Schmerz in der Jahreszeit welche die Blüthen und Früchte bricht und die Felder ihres Schmuckes beraubt, und so finden wir denn auch in dem Culte der Aphrodite sehr wehmüthige Bilder dieses Schmerzes, besonders in der Mythe und der Feier des schönen Adonis, die sich fast überall mit der der Aphrodite verbunden findet. In Syrien war Byblos und dessen Umgegend am Libanon ein alter Mittelpunkt dieser Adonisfeier, auf Kypros Amathus (Paus. 9, 41, 2); aber auch über Kleinasien und Griechenland war sie verbreitet, namentlich treffen wir sie in Athen, wohin sie vermuthlich in der Zeit des Kimon und Perikles bei dem damals sehr lebhaften Verkehre mit Kypros gekommen war. Im Wesentlichen überall dieselbe Fabel und dieselben Gebräuche. Ein schöner Jüngling, nach kyprischer Legende ein Sohn des Kinyras und seiner Tochter Myrrha oder Smyrna787, wächst in der Pflege der Nymphen auf, schön wie ein Liebesgott und die Wonne der Liebesgöttin, die über ihn alles Andre vergißt. Mit ihm hütete sie die Heerden auf den fruchtbaren Triften der Insel, mit ihm jagte sie in den Wäldern, bis der böse Eber ihn in der besten Blüthe seiner Jahre tödtete. Einige sagten daß Artemis ihn gesendet, nach Andern hatte sich der eifersüchtige Ares in diesen Eber verwandelt788. Da überläßt die Göttin sich der wildesten Verzweiflung und will selbst von dem todten Adonis nicht lassen, aber auch Persephone in der Unterwelt, so groß war der Reiz seiner Schönheit, vermag sich nicht von ihm zu trennen: bis Zeus den Streit der beiden dahin entscheidet daß Adonis die eine Hälfte des Jahres bei der Persephone, die andre bei der Aphrodite verweilen solle, welche letztere aus seinem Blute die Anemonen oder die Rosen entstehen läßt, die Symbole seiner kurzen Lebensdauer und seines blutigen Schicksals, aber auch die seiner Wiederkehr mit der schönen Jahreszeit789. Denn nur im Frühlinge und im Sommer kann Adonis sich des süßen Sonnenlichtes und des schönen Himmels und aller Wonnen des Erdelebens erfreuen; wenn die Erndte und der Herbst kommen, muß er wieder hinab zu den Todten und seiner neuen Emporkunft harren. Dieser Mythe entsprach die Festfeier welche in den heißen Sommer fiel790 und im Morgenlande mit großem Pomp begangen wurde, indem man zuerst das Verschwinden des Adonis sinnbildlich ausdrückte, darauf ihn als Verstorbenen beklagte, durch Ausstellung seines Bildes und mit düstern Klaggesängen und allen Gebräuchen eines Leichenbegängnisses, bis endlich diese Feierlichkeit und die verwandten Feste der Persephone, des Hyakinthos, des Attis mit der jubelnden Freude über seine Wiederkehr aus der Unterwelt und seine Erhöhung endete. Einfacher war sie in Griechenland, z. B. in Athen, obwohl auch hier die Ausstellung des Leichnams und die heftigen Klagen der Frauen nicht fehlten791, auch nicht die sogenannten Adonisgärten (Ἀδώνιδος κῆποι), das sind Scherben mit allerlei zarten Pflanzen, die in wenigen Tagen getrieben wurden, aber auch eben so schnell wieder verwelkten und dann ins Wasser geworfen wurden: Sinnbilder der vergänglichen Blüthe des Jahres und des Lebens, welche Adonis darstellte. Endlich schildert Theokrit in seinem reizenden Gedichte der Adoniazusen die prachtvolle Ausstellung des Adonisbildes am königlichen Hofe in Alexandrien, wie er mit allen Mitteln der Kunst geschmückt auf silberner Bahre da lag, umgeben von den Blüthen und Früchten des Jahres, kostbaren Salben, Gewinden Teppichen u. s. w., um am andern Morgen von den Frauen ans Meer getragen und dort den Wogen übergeben zu werden. Ueberall derselbe tiefe Schmerz über die verlorne Schöne, dieselbe Angst vor dem mit dem Tode gleichbedeutenden Absterben der Natur, mit den heftigsten Aeußerungen einer Verzweifelung die nur durch den Hoffnungsstrahl des Frühlings und der Wiederkehr des Adonis gemildert wurde. Sein Name bedeutete in den semitischen Sprachen zunächst blos Herr, daher neben diesem allgemeineren verschiedene andre vorkommen, in Palaestina Tammuz, auf Cypern Κύρις oder Κίρρις792. Ueberdies war mit seinem Namen und mit seiner Feier wie bei allen gleichartigen Gestalten eine Tradition alter musikalischer Weisen und Lieder traurigen Inhalts verbunden, die zur Harfe oder zur Flöte gesungen wurden, daher der Name Kinyras (von κινύρα, phoenikisch kinnor, einer Harfe, daher κινύρεσϑαι) für den ersten Priester der paphischen Aphrodite und der Name Gingras für den Adonis selbst, von einer klagenden Flötenmusik welche bei den Phoeniciern diesen Namen führte und auch in Karien herkömmlich war793, bei den Syrern aber abub hieß, womit der in Perge gebräuchliche Name Abobas für Adonis zusammenhängt. Und so hat auch die bildende Kunst und die Malerei die Adonisfeier und die Sage vom Adonis durch manche schöne Compositionen verewigt, welche freilich oft blos dazu dienten den sinnlichen Reiz der Schönheit auszudrücken, aber häufig und zwar in der Uebertragung auf Sarkophage doch auch ihre tiefere symbolische Bedeutung bewährten794.
Fußnote
739 Κύπρις Il. 5, 330. 422. 760. 883, Κυπρογενής, Κυπρογένεια b. Hesiod th. 199, Panvasis b. Athen. 2, 3, Κυπρία b. Pind. Ol. 1, 75, N. 8, 7. Vgl. Od. 8, 362 ἣ δ' ἄρα Κύπρον ἵκανε φιλομμειδὴς Ἀφροδίτη ἐς Πάφον, ἔνϑα τέ οἱ τέμενος βωμός τε ϑυήεις, Hom. H. in Ven. 59. 66, Virg. A. 1, 415, Tacit. A. 3, 62, H. 2, 3.
740 Κυϑέρεια Od. 8, 288; 18, 193, vgl. Il. 15, 432 Κυϑήροισι ζαϑέοισι, Hom. H. 10, 1 Κυπρογενῆ Κυϑέρειαν ἀείσομαι.
741 Herod. 1, 105, Paus. 1, 14, 6, vgl. Böckh metrol. Unters. S. 43.
742 Wo der Name Adramyttion und Astyra mit Sicherheit auf eine phoenikische Ansiedlung schließen läßt, s. I. Olshausen im Rh. Mus. f. Phil. N. F. 8, 322. 325. Aphrodite wurde auf der Höhe des Gebirges Gargara und oberhalb der Stadt Antandros verehrt, Strabo 13, 606. Doch gab es auch in der Ebene von Troja ein H. der Aphrodite, Plut. Lucull. 12, Aeschin. ep. 10.
743 Nach Paus. 1, 14, 6 kam der Dienst der Urania nach Athen durch Aegeus, den gewöhnlichen Repräsentanten des ionischen Seelebens. Ausserdem wurde diese Göttin, angeblich seit älterer Zeit, in dem nicht weit von Athen gelegenen Demos Athmonon verehrt. Auf Delos galt ein altes Bild der Aphrodite für eine Stiftung des Theseus, Kallim. Del. 307, Plut. Thes. 21, Paus. 9, 40, 2.
744 Alkiphr. 3, 60 καίτοι γέ φασι τὴν Ἀφροδίτην ἐκ Κυϑήρων ἀνασχοῦσαν τὴν Ἀκροκόρινϑον ἀσπάσασϑαι. Paus. 3, 23, 1 von Kythera: τὸ δὲ ἱερὸν τῆς Οὐρανίας ἁγιώτατον καὶ ἱερῶν ὁπόσα Ἀφροδίτης παρ' Ἕλλησίν ἐστιν ἀρχαιότατον.
745 Polyb. 1, 55, Strabo 6, 272, Diod. 4, 83, Aelian N. A. 10, 50, Sappho fr. 6 ἢ σε Κύπρος ἢ Πάφος ἢ Πάνορμος, C. I. Gr. n. 5499, 5543, 5553, 5615. Ueber die erycinische