Griechische Mythologie. Ludwig Preller
v. ἐπενεγκεῖν δόρυ, vgl. die Erklärung des Ἄρειος πάρος, ὅτι ἔπηξε τὸ δόρυ ἐκεῖ ἐν τῇ πρὸς Ποσειδῶνα ὑπὲρ Ἁλιρροϑίου δίκῃ b. Suid. v. Ἀρ. π.. und das Sprichwort δόρυ καὶ κηρύκειον. Bei Kallim. Del. 136 schlägt Ares mit seinem Speere den Schild, worüber ganz Thessalien erbebt, vgl. Virg. A. 12, 332, wahrscheinlich eine herkömmliche Ceremonie bei Eröffnung des Kriegs, wie in Rom.
736 Eurip. Phoen. 1377 Schol., vgl. Xenoph. d. rep. Laced. 13, 2. Erst später wurde dieser Gebrauch durch die Trompete verdrängt.
737 κυσὶν μέλπηϑρα γενέσϑαι Il. 13, 233; 17, 255; 18, 179, vgl. Cornut. 21.
738 O. Müller Handb. § 372. 373, D. A. K. 2, 23, Braun K. M. t. 83–86.
8. Aphrodite.
Die Göttin der Liebe in einem so weiten Umfange des Wortes wie ihn nur die Naturreligion zu fassen vermochte. Es ist zunächst die Liebe mit welcher der Himmel die Mutter Erde liebt und die Macht des Eros die werdende Schöpfung durchdringt, kurz jener kosmogonische Werdetrieb der Theogonie, von dem auch der Cultus des Zeus in so vielen Bildern zu erzählen wußte. Dann der schöpferische und zeugerische Trieb in dem Gebiete wo er sich am allervernehmlichsten darstellt, nehmlich in dem des organischen Erdelebens, besonders in dem der geschlechtlichen Zeugung, welche die Naturreligion von den Thieren und Menschen auf die Götter überträgt und dadurch zu einem allgemeinen Gesetze der Schöpfung erhebt. Daher die Eigenthümlichkeit dieses Gottesdienstes, wodurch er ein Sinnbild der Naturreligion überhaupt wird, daß wir in ihm das Schöne und das Häßliche, das Erhabene und das Gemeine, das Sittliche und das Unsittliche in seltsamer Verwirrung neben einander finden. Doch ist dabei wohl zu beachten daß die Religion der Aphrodite, obgleich von den Griechen als einem den Einflüssen des Orients damals wie jetzt in Europa am meisten zugänglichen Volke zwar sehr früh adoptirt, doch ursprünglich keine griechische ist, so wie zweitens dieses, daß die Griechen in ihrer besseren Zeit überwiegend die feineren und schöneren Momente dieser Religion ergriffen und in der dichterischen Sage und Kunst entwickelt haben. Dahingegen bei größerer Ausartung der Nation, namentlich in dem Zeitalter der Hetären, allerdings auch der griechische Aphroditedienst vorzüglich die üppigen und weichlichen, ganz ins Sinnliche und Gemeine ausgearteten Formen herauskehrt.
Es ist nehmlich immerhin wahrscheinlich, ja für gewiß zu halten daß das griechische Volk, so gut wie die verwandte Bevölkerung in Italien und im germanischen und skandinavischen Norden, eine der Venus und der Freyja verwandte Liebesgöttin auch vor der Berührung mit der orientalischen Cultur bereits verehrte. Ja es ist uns in der Dione, welche in der Ilias (5, 370. 428) für die Mutter der Aphrodite gilt, in Dodona an der Seite des Zeus verehrt und von Euripides für identisch mit der Thyone, der Mutter des Dionysos gehalten wurde (S. 97), sogar eine bestimmte Andeutung von einer derartigen Göttin gegeben, wie andrerseits auch Hera als Mutter der Hebe, Herrin der Chariten und Göttin der Ehe und der Frauen die entschiedene Anlage hatte eine ähnliche Göttin zu werden. Aber eben so gewiß und eine der wichtigsten Thatsachen der griechischen Cultur- und Religionsgeschichte ist es daß Aphrodite d. h. die mit diesem ausländischen Namen benannte Göttin, welche jene einheimische Liebesgöttin der Griechen verdrängt oder absorbirt hat, ursprünglich nicht dem Göttersysteme der Griechen, sondern dem der großen Völkerfamilie semitischer Abstammung angehört, welche von Kleinasien bis Babylon und Arabien verbreitet war und durch Vermittlung der phoenikischen und kanaanitischen Küste bekanntlich sehr früh das mittelländische Meer gewann, dessen Handelsverkehr es lange behauptete. Namentlich hat Kypros, die fruchtbare und für diesen Handelsverkehr sehr günstig gelegene Insel, immer für die wahre Heimath und das Geburtsland der Aphrodite gegolten, welche deshalb schon in der Ilias Κύπρις und bei den folgenden Dichtern so oft Κυπρογενής und Κυπρογένεια genannt wird739, vorzüglich die beiden Städte von unbestritten phoenikischer Abkunft Paphos und Amathus, nach denen sie Παφία und Ἀμαϑουσία heißt. Eben so galt in den griechischen Gewässern die südlich vom Peloponnes gelegene Insel Kythera, von welcher diese Göttin den Namen Κυϑέρεια bekommen hat740, für einen ihrer ältesten Sitze, auch sie ein alter Stapelplatz des phoenikischen Handels. Auch hatte sich an beiden Punkten, sowohl auf Cypern als auf Kythera, die bestimmte Ueberlieferung eines Zusammenhanges mit dem Dienste der Aphrodite Urania zu Askalon an der kanaanitischen Küste erhalten741, deren nahe Verwandte die Astarte von Phoenikien, die Mylitta von Babylon, die Alilat der Araber war, eine kosmische Liebesgöttin von so weitem Umfange daß sie zugleich den Himmel, die Erde und das Meer umfaßte. Von Cypern oder direct aus Phoenikien hatte diese Religion sich über einen großen Theil von Kleinasien, namentlich nach Karien und Lydien, nach Troas in der Gegend des adramyttenischen Meerbusens742, nach Lemnos Lesbos Boeotien, auch wohl nach Attika Delos743 und Kreta verbreitet, während die Aphrodite der Insel Kythera sich von dort der Bevölkerung des Peloponnes mittheilte. So läßt sich ein Zweig derselben an der lakonischen Küste und im Eurotasthale aufwärts bis Amyklae und Sparta verfolgen, wo die Sage von der Helena einen frühen Einfluß dieses Glaubens deutlich genug beweist. Ein andrer Zweig führt nach der reichen Handelsstadt Korinth744, welche bald zum Lieblingssitze der griechischen Aphrodite wurde, nach Argos und Sikyon, wieder ein andrer nach Elis. Endlich im Westen hatte Aphrodite in Sicilien auf dem Berge Eryx zwischen Drepana und Egesta eine Station gewonnen, welche nicht blos bei der eingebornen Bevölkerung und den Griechen der Insel, sondern auch bei den Puniern in Karthago und Panormos745 und bei der Bevölkerung von Italien wie in Rom und Latium eines außerordentlichen Ansehns sich erfreute. In Karthago war die »himmlische Göttin« mit der mythischen Umgebung der Dido und Anna im Wesentlichen dieselbe Göttin746, über Italien und bis Rom hatte sich der Dienst der erycinischen Venus theils in Folge seines eignen Ansehns theils im Anschlusse an die Aeneassage verbreitet.
Als die Griechen die ausländischen Culturelemente ihres Landes in ihr eigenstes Blut umgesetzt hatten und sich in einem reichen Strome von Auswanderungen und Ansiedelungen über die Inseln und Küsten des Ostens und Westens ergossen, hat unter andern Gottesdiensten und Sagen vorzüglich der Aphroditedienst eine durchgreifende Umbildung erfahren. Wir begegnen demselben in älteren und jüngeren Formen sowohl bei den Ioniern von Athen bis Milet und seinen Colonien als bei den Doriern von Rhodos und Knidos bis Kyrene. Wie die Sagendichtung seitdem die gegebenen Elemente veredelt und mit den hellenischen Stoffen und Vorstellungen verschmolzen hat, davon können besonders die Kyprien und der Homerische Hymnus auf Aphrodite einen Begriff geben. Doch lehrt eben jenes für die Sagengeschichte des trojanischen Kreises sehr wichtige Gedicht und schon durch seinen Namen, daß Kypros und seine Aphrodite nach wie vor ein Vorrecht und das höchste Ansehn behauptete, nur daß sich auch hier seitdem die hellenischen und orientalischen Culturelemente mit einander vermischten und neue Formen gleichsam eines ersten Hellenismus schufen, wie es einen solchen überhaupt schon lange vor Alexander d. Gr. gegeben hat. Salamis auf Cypern, welches seine Bewohner von Athen und der Insel Salamis ableitete und wo die Feste der Kypris durch poetische Wettkämpfe verherrlicht wurden747, scheint ein alter Mittelpunkt dieser hellenisirenden Sagenbildung gewesen zu sein, deren Früchte die Dichtungen vom Kinyras, vom Pygmalion,