Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman. Friederike von Buchner

Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman - Friederike von Buchner


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war schon immer die Anführerin gewesen. Dorothea war nie gegen sie angekommen.

      »Und was ist mit dem Baby? Das kannst du doch nicht mit in die Berge nehmen?«

      »Ich stille noch voll, also ist für seine Verpflegung auch gesorgt. Sollte die Milch weniger werden, dann bekomme ich in den Bergen bestimmt Ziegenmilch für den Kleinen zum Zufüttern.«

      Sprachlos schaute Dorothea Sue mit großen Augen an.

      »Schau nicht so! Du wolltest doch drei Wochen Urlaub machen. Jetzt verbringst du ein paar Tage in der Pension in den Bergen und dann sehen wir weiter.«

      »Und warum quartierst du mich da alleine ein?«

      »Es war sehr schwierig, mit dem Zimmer. Das ist eine schöne Gegend. Einen Bergsee gibt es da auch. Also kannst du auch am Wasser sein, wenn du nicht auf die Berge willst.«

      »Will ich sicherlich nicht! Bewahre!«

      Dorothea überlegte kurz, dann sprach sie Sue an:

      »Ich kann doch hier bleiben und das Haus hüten. Das ist doch eine gute Idee.«

      »Nein! Nein, Dorothea Annabelle! Du kommst mit! Dich mußte ich schon immer zu deinem Glück zwingen. Also gleich geht es los. Meine Sachen und die Babysachen sind schon im Kombi. Pack dir ein paar Hosen, Blusen und Pullis ein – und vor allem – flache Schuhe. Den Rest kannst du hierlassen.«

      »Flache Schuhe?«

      »Sag bloß, daß du keine flachen Schuhe dabeihast!«

      »Ich habe elegante Sachen eingepackt und Abendkleider zum Ausgehen. Ich dachte mir, daß wir uns ins Nachtleben stürzen, Sue, wie in alten Zeiten, und uns vergnügen.«

      »Das können wir danach immer noch machen. Wir müssen uns auf den Weg machen. Vor uns liegen mindestens zehn Stunden Fahrzeit.«

      »Du bist verrückt, Sue!«

      »Nein, nur praktisch veranlagt! Du wirst mir noch dankbar sein. Ich ziehe jetzt den Kleinen an und warte im Auto. Beeile dich! Die Haustür kannst du zumachen. Meine Schwiegermutter kommt und schaut nach dem Haus. Sie hat einen Schlüssel.«

      Dorothea fügte sich. Was hätte sie auch sonst tun sollen.

      *

      Die Fahrt verlief gut. Sie wechselten sich beim Fahren ab. Wenn Dorothea fuhr, saß Sue auf dem Rücksitz und stillte ihren Sohn.

      Für das letzte Teilstück saß Sue am Steuer. Sie kannte sich in den Bergen gut aus und fand zielsicher den Weg in das kleine Dorf am Bergsee.

      »So, meine liebe Dorothea, da wären wir!«

      Sie stiegen aus. Während Dorothea am Auto stand und sich umsah, holte Sue ihre Reistasche aus dem Kofferraum.

      »Ich wünsche dir von Herzen alles Gute. Den Weg hinein findest du sicher allein. Die warten schon auf dich. Bist ja angemeldet. Für dich ist ein besonders schönes Zimmer reserviert mit Aussicht auf die Berge.«

      Sue umarmte die Freundin. Stieg dann sofort wieder ins Auto.

      »Du kommst nicht einen Augenblick mit mir rein?«

      »Das würde ich liebend gern. Aber die Sonne steht schon tief über den Bergen. Bald wird es dunkel sein. Vielleicht wird es auch neblig. Ich muß noch eine Stunde fahren. Mein Mann wartet schon. Ich besuche dich aber in den Tagen und rufe dich an. Mach’s gut.«

      Sue startete den Motor und fuhr schnell los. Sie streckte noch ihre Hand durch das offene Fenster und winkte Dorothea zu.

      Diese schaute dem Auto nach, bis die Rücklichter nicht mehr zu sehen waren.

      Da stand Dorothea nun ganz alleine in der Wildnis. So kam es ihr vor. Entlang der Dorfstraße reihten sich in Abständen Bauernhäuser mit großen und tief heruntergezogenen Dächern. An den Balkonen und vor den Fenstern hingen Blumenkästen mit Geranien. Aus der Pension hinter ihr drangen Stimmen. Durch die kleinen Fenster konnte sie sehen, daß es einen Gastraum gab. Vorsichtig schaute Dorothea durch die Scheibe. Um einen runden Tisch in der Ecke saßen alte Männer. Sie rauchten Pfeifen, die in ihren Mundwinkeln hingen, und spielten Karten.

      An mehreren Tischen saßen vereinzelt Gäste und verzehrten ihr Abendessen. Ein älterer Mann, offensichtlich der Wirt, brachte Bier zum Stammtisch. Hinter dem Tresen trocknete eine freundlich aussehende Frau Gläser ab. Dorothea konnte den Blick kaum von ihrem Gesicht nehmen. Sie hatte viele Falten und sah trotzdem so ungeheuer jung und fröhlich aus. Ihr weißes Haar hatte sie in Zopfkränzen um den Kopf gewunden. Sie trug ein einfaches Dirndl mit einer Schürze. Auch die anderen Gäste waren ländlich gekleidet.

      Dorothea kam sich in ihren engen weißen Caprihosen und dem knappen blauen Pulli mit dem tiefen Ausschnitt seltsam vor. So konnte sie da nicht reingehen. Sie wühlte aus der Reisetasche ihren Seemannspullover hervor und zog ihn über. Es half nichts, sie mußte da rein. Warum mache ich mir so viel Gedanken? Ich stelle mich wirklich blöd an, dachte Dorothea. Da bin ich schon in Fünfsternehotels abgestiegen, aber jetzt habe ich Hemmungen, dieses Wirtshaus mit der Pension zu betreten.

      Ein kühler Wind wehte von den Bergen herunter und erinnerte sie daran, daß sie nicht länger draußen stehen sollte. Ihre Füße steckten in Sandaletten, doch dicke Socken und flache Schuhe wären ihr lieber gewesen. Sie erinnerte sich an Sues Worte.

      Dorothea straffte den Rücken und betrat den Schankraum.

      »Guten Abend!«

      Die Männer am Stammtisch drehten die Köpfe nach ihr um und schauten sie genau an. Dorothea fühlte sich so, als würde sie mit den Augen ausgezogen. Dann lachten sie und sagten etwas, was Dorothea nicht verstand. Sie ging zum Tresen.

      »Nochmals guten Abend! Eine Frau Haak hat für mich hier ein Zimmer reservieren lassen. Mein Name ist Dorothea Zwirner.«

      »Mei, du bist das Madl! Grüß Gott! Das habe ich mir beinah schon gedacht, als du zur Tür reingekommen bist!«

      Die ältere Dame streckte ihr die Hand entgegen.

      »So, so! Du bist also das Dorle. Oder wirst Thea gerufen? Wir haben schon auf dich gewartet!«

      Dorothea verschlug es die Sprache. Die ältere Frau sah ihre Verwunderung und lächelte gütig.

      »Ich bin die Meta und das ist mein Mann, der Xaver.«

      Der Wirt kam auf Dorothea zu und drückte ihr die Hand. Seine Hände waren rauh und sein Händedruck kräftig.

      »Meta, zeigst du dem Madl sein Zimmer? Der Bub kann die Tasche dann raufbringen. Ich gehe mal in die Küche und mach dem Madl ein kräftiges Abendessen.«

      »Ja mach das, Xaver. Und mach eine ordentliche Portion Rösti, hörst du?«

      »Ja, Frau! Ich weiß schon.«

      Ein paar Meter vom Tresen entfernt führte eine Holztreppe nach oben. Meta, die Wirtin, ging voraus und winkte. Dorothea sollte ihr folgen. Sie wollte ihre Reisetasche mitnehmen, doch der Wirt nahm sie ihr aus der Hand.

      »Nix da! Die bringt dir der Bub rauf, später! Der freut sich schon darauf. Hat den ganzen Tag schon auf dich gewartet. Ganz aufgeregt war der Kerl, wie ein unreifer Schulabgänger. Dabei ist er doch ein stattliches Mannsbild.«

      Dorothea beschlich ein ungeheurer Verdacht. Das Blut stieg ihr in den Kopf. Schnell wendete sie sich ab und folgte Meta die Treppe hinauf. Der Wirt hatte doch auch diese seltenen strahlend grünen Augen, oder? Sofort versuchte sich Dorothea einzureden, daß es in den Bergen vielleicht viele Leute gibt mit grünen Augen. Doch das hielt sie im gleichen Augenblick für wenig wahrscheinlich. In Dorotheas Kopf drehte sich alles. Sie mußte sich am Geländer festhalten, als sie die Stiege hinaufging, die unters Dach führte. Und das lag nicht daran, daß die Treppenstufen ausgetreten oder die Stiege zu steil war. Dorothea hatte vielmehr das Gefühl, als würden ihr jeden Augenblick die Beine versagen. Ihr Herz klopfte. Sie erinerte sich, wie merkwürdig schnell sich ihre Freundin Sue von ihr verabschiedet hatte. Dabei wäre es sicherlich nicht auf fünf Minuten angekommen. Dorothea


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