Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman. Friederike von Buchner

Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman - Friederike von Buchner


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immer verziehen. Doch wenn es so war, wie Dorothea vermutete, dann war Sue dieses Mal zu weit gegangen.

      »So, das ist dein Zimmer! Es ist eigentlich kein richtiges Gästezimmer. Da war keins mehr frei. Das Zimmer gehörte meiner Tochter. Jetzt ist sie schon lange verheiratet und lebt in der Stadt. Und für jemanden, wie du es bist, da freuen wir uns, wenn es dir gefällt. Fließend Wasser hat es nicht. Aber da in dem großen Blechkrug ist Wasser, und die Schüssel steht daneben. Das Gästeklo ist unten, hinten am Gang, wo die Gästezimmer sind. Da mußt du aber nicht hingehen. Kannst unsers benutzen. Die Wohnungstür ist immer offen.«

      »Da… da… danke!« stotterte Dorothea und setzte sich auf das Bett.

      Schmunzelnd ging Meta hinaus und schloß leise die Tür. Dorothea hörte am Geräusch ihrer Schritte, wie sie sich entfernte und die Stiege hinabging.

      Dorothea schaute sich um. Das kleine Dachzimmer war niedrig. Wenn sie den Arm ausstreckte, konnte sie die Holzbalken erreichen. Alle Wände waren aus Holz, welches im Laufe der Zeit eine dunkele Farbe angenommen hatte und matt glänzte. Alle Möbel waren bemalt, das Bauernbrett, der Nachtkasten daneben, die beiden Stühle an dem kleinen Tisch vor dem Fenster und die Kommode mit den drei Schubfächern. Auf ihr standen der Wasserkrug und die Schüssel. An der Wand hing ein Spiegel in einem breiten Holzrahmen. Dieser war auch bemalt. Die Lampe an der Decke hatte einen milchigweißen Lampenschirm aus Porzellan, ebenso wie die Lampe auf dem Nachttisch. In einer Ecke des Zimmers hing ein Kruzifix, an dem ein kleiner trockener Zweig steckte. Dorothea war nicht sehr religiös, aber in ihrer Situation konnte sie doch wirklich jeden Beistand gebrauchen, fand sie.

      Dorothea fuhr mit der Hand über die Türen des Schrankes. Sicherlich hatte sie einmal jemand von Hand bemalt. Das mußte vor langer, langer Zeit geschehen sein.

      Dann hörte sie Schritte. Es mußten Männerschritte sein. Dorotheas Herz klopfte wild. Sofort war sie bei der Tür. Sie wollte abschließen, aber der Schlüssel steckte von außen in dem alten Kastenschloß. Zum Glück ließ sich der Riegel vorschieben. Dorotheka hielt ihre Hände vor die Brust, so als wollte sie ihr Herz festhalten. Es klopfte. Sie antwortete nicht. Es klopfte noch einmal. Dorothea verspürte einen Kloß im Hals. Sie antwortete nicht.

      »Dann stell ich die Reisetasche einfach hier ab, vor die Tür. Und die Mutter läßt dir sagen, daß das Essen nun fertig ist. Wenn die Vesper nicht kalt werden soll oder anbrennen, dann mußt jeatzt schon runterkommen. Hörst!«

      Das war seine Stimme. Dorothea nickte hinter der Tür, wagte aber nichts zu sagen.

      Lachen drang durch die Tür.

      »Komm schon, Dorothea. Wirst sehen, ich tu dir auch nichts. Ich gebe ja zu, daß die Susanne und ich uns einen Spaß mit dir gemacht haben. Aber es war ganz allein die Idee von der Susanne.«

      Dorothea schob den Riegel zurück und öffnete langsam die Tür.

      Er stand genau vor ihr. Oh, wie ihr Herz klopfte! Er lächelte sie an. Dabei zeigten sich wieder die Grübchen auf seinen Wangen.

      »Willkommen! Schön, daß du da bist! Wünsche dir angenehme und erholsame Tage.«

      Verlegen rieb er die Hände.

      »Ja, und da ist deine Tasche. Und die Susanne, also die Sue, wie du sie nennen tust, die hat gesagt, daß du Schuhe brauchen tust, flache. Dort im Schrank stehen noch Schuhe von meiner Schwester. Vielleicht passen sie dir. Dann kannst du sie nehmen, bis… Also, das war es dann und kommst bald.«

      Statt ihn zu begrüßen, flüsterte Dorothea nur:

      »Sind noch viele Leute da?«

      »Nein! Die Stammtischbrüder sind heim. Hier in den Bergen geht man früh schlafen, weil man auch mit den Hühnern aufstehen muß. Und die Gäste sind auch schon auf den Zimmern. Wir sind also ganz unter uns. Ist dir das recht so?«

      Dorothea nickte. Langsam fand sie ihre Sprache wieder.

      »Wann habt ihr beide das ausgeheckt?«

      Verlegen fuhr sich Antonius durch sein lockiges Haar.

      »Mei, das war heute morgen. Ich habe angerufen, weil ich wissen wollte, ob du dein Notizbuch bekommen hast.«

      »Habe ich! Vielen Dank!«

      »Ach, das war eine Kleinigkeit. Habe es gern getan. Ich wollte natürlich wissen, ob du es auch wirklich gekriegt hast. Und da haben die Susanne, also die Sue, und ich am Telefon lange miteinander geredet.«

      Dorothea wurde rot. Schnell bückte sie sich und griff nach ihrer Reisetasche.

      »Ja, und die Sue, also die Susanne, meinte, daß du noch nie die Berge gesehen hättest. Also, die Berge gesehen, in Wirklichkeit, nicht nur vom Flugzeug aus. Deine Freundin ist ganz vernarrt in die Berge. Sie wollte halt, daß du die Berge auch mal kennenlernen tust. Den Gefallen wollte ich dann deiner Freundin tun. Dann haben wir es eben so gemacht, wie wir es gemacht haben.«

      Für einen kurzen Moment schaute er auf den Boden. Dann sagte er leise:

      »Ja, und ich hab auch nichts dagegen gehabt, dich wiederzusehen. Freue mich ordentlich, daß du da bist. Wenn du willst, zeige ich dir morgen die Berge. Eine leichte Bergwanderung, denke ich, wäre das Richtige. Willst?«

      »Mal sehen! Ich weiß nicht. Ich denke eher nicht. Mache dir also bitte keine große Hoffnungen. Berge sind nicht mein Ding. Ich bin nur hier, weil ich meiner Freundin den Spaß nicht verderben wollte. Ich mag die Berge nicht und daran wird sich auch nichts ändern, denke ich.«

      Dorothea nahm ihre Tasche und stellte sie auf das Bett. Sie begann mit dem Auspacken. Sie hoffte, daß Antonius das Signal verstehen würde. Er sollte gehen. Das Gespräch war zu Ende.

      »Ja, was ist jetzt? Kommst du nun mit zum Essen oder nicht? Willst erst noch auspacken?«

      Dorothea drehte sich um. Da stand er lässig im Türrahmen, die Hände in den Taschen.

      »Kannst schon gehen! Ich komme gleich nach, Antonius.«

      Zum ersten Mal hatte sie ihn mit Namen angesprochen.

      »Gut! Aber keiner sagt Antonius zu mir hier bei uns. Hier bin der Toni oder einfach der Baumberger.«

      Dorothea nickte.

      »Und du, wie ist das bei dir? Die Susanne, da sagst du Sue. Wie ruft man dich?«

      »Dorothea! Immer nur Dorothea.«

      »Mm! Bei uns ist das ein bisserl anders mit den Namen. Wenn’s ein langer Name ist, dann wird der abgekürzt. Dorothea, da kann man Dorle nehmen oder Thea oder auch Dora. Na ja, das kommt auch noch, wirst schon sehen.«

      Dorothea wußte nicht, was sie sagen sollte. Er nahm sie ganz gefangen. Die Selbstverständlichkeit, wie er mit ihr sprach, war für sie etwas ganz Neues. Die Schlichtheit, diese Ehrlichkeit ohne Taktik, verblüffte sie. Noch niemals war ein Mann ihr gegenüber so aufgetreten.

      »Dann geh jetzt, Toni! Ich komme gleich.«

      Langsam schloß Dorothea die Tür und schob sofort wieder den Riegel vor. Sie hielt ihr Ohr ans Türblatt und lauschte. Antonius stand noch einige Augenblicke vor der Tür, dann ging er hinunter.

      Dorothea sank auf das Bett. In ihrem Kopf drehte sich alles.

      Was hatte Sue ihm erzählt? Wie konnte sie nur auf so ein Komplott hereinfallen? Aber nun war es zu spät, um sich auf und davon zu machen. Bis morgen mußte sie schon durchhalten. Dann konnte sie vielleicht einen Bus finden, der sie in die nächste Stadt bringen würde. Von dort käme sie sicherlich wieder in die Zivilisation zurück, dachte Dorothea. Doch gleichzeitig war sie froh, daß sie hier war. Sie kühlte ihr Gesicht mit Wasser und zog sich um. Die Schuhe im Schrank paßten. Das war gut. Dorothea betrachtete sich im Spiegel. In den dunkelblauen Hosen und dem hellblauen Pullover sah sie gut aus. Ihren Seemannspullover band sie um die Schultern.

      Sie setzte sich noch einmal für einen kurzen Augenblick auf das Bett und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Schließlich sagte sie sich, daß sie Urlaub hatte. Sie würde auch bleiben können, ein paar


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