Lila. Klara Baum
der auf meiner Wunschliste steht. Ein Mann fürs Leben, einer, den man heiraten könnte.
Eva
Meine Liebste,
zweifelsohne ein reizvoller Gedanke, mit Dir vermählt zu sein. Ich würde in diesem Falle sogar in Erwägung ziehen, Deinen Namen anzunehmen. »Adam von der Insel Blumenreich«, einfach klasse.
Unsere geplanten Leseorgien erheitern mein Gemüt. Was meinst Du, würde es beim Lesen bleiben?
Was für Geschichten gefallen Dir? Und wie würdest Du reagieren, wenn ich sie Dir in einer einsamen, eingeschneiten Hütte auf einem Bärenfell vor dem Kamin vorlese?
Mit erwartungsvollen Grüßen,
Dein Adam
Liebster Adam von der Insel Blumenreich!
Es schmeichelt mir sehr, dass Du mir einen Heiratsantrag machst, ohne zumindest ein Bild von mir gesehen zu haben, und sogar schon die Hochzeitsreise in die Berge gebucht hast. Ist der Kamin angefeuert? Das Fell gegerbt? Die Schneekanone in Betrieb? Du bist ja wirklich schnell! Bist du bei den »after reading activities« auch so schnell?
Mir, liebster Adam, gefallen kurze, prickelnde Geschichten. Solche, die meine Phantasie beflügeln, mich schwärmen lassen und bei denen ich todsicher nicht einschlafen, abstauben oder mir die Fingernägel lackieren würde.
Damit du mich beim Standesamt erkennst, sende ich Dir ein Bild eines meiner Körperteile. Ich hätte auch gerne eins von Dir, damit ich vorbereitet bin und weiß, mit wem ich es zu tun habe. Sonst falle ich womöglich schreiend in Ohnmacht und muss anschließend in meiner Verzweiflung den Standesbeamten heiraten.
Deine Verlobte Eva von der Insel Blumenreich
Verführerische Eva,
bei dem Bild Deines wunderschönen Auges sehe ich meine Sehnsüchte mehr als erfüllt. Ein magischer Blick, so ganz in Türkis. Was muss ich tun, um mehr von Dir zu sehen?
Damit auch Du mit konkreten Vorstellungen zum Standesamt eilen kannst, werde ich mit der Malerin meines Vertrauens über ein Bild von mir verhandeln. Ich hoffe, Du kannst Dich so lange gedulden.
Die Sache mit dem Bären … Ich weiß ja, man soll auf seinem Fell keine neckischen Spielchen treiben, bevor man ihn erlegt hat. Vielleicht können wir ihn gemeinsam einfangen. Mal schauen, wie wir dann die folgenden Versuchungen vor unserem Kamin meistern.
Die »after reading activities« sind natürlich auch eine Folge Deiner Aktivitäten während der »reading session«. Da Du bei meinen Geschichten sicherlich nicht einschlafen wirst, könnte es zu durchaus lustvollen Ergebnissen kommen.
Vielleicht hast Du auch ganz verborgene Wünsche, die zu erfüllen mir eine große Freude wäre.
Dein Dir ergebener noch Adam v. d. Insel.
Sehr geehrter Herr noch von der Insel!
Es ist schön, wie bescheiden Du doch bist. Ein Bild von mir hat schon alle Sehnsüchte mehr als erfüllt. Das heißt, Du bist nun überglücklich und befriedigt. Also bin ich jetzt an der Reihe, verwöhnt zu werden. Beginne doch einfach mit einem Bild von Dir. Auf dem Foto sollten die wichtigsten Körperteile zu sehen sein. Welche sind das Deiner Meinung nach?
Im Übrigen bin ich Malerin. Ich zeichne sehr gerne Körperteile und verfremde sie dann bis zur Unkenntlichkeit. Ich könnte also die Malerin Deines Vertrauens sein. Stell Dir vor, ich würde Dich in meinem Atelier empfangen und porträtieren …
Verborgene Wünsche sind bei mir zur Genüge vorhanden. Ob Du sie erfüllen kannst, mag ich nicht zu beurteilen. Dass es Dir Freude machen würde, sie mir zu erfüllen, kann ich nur erahnen.
Deine noch Verlobte
P.S. Eva erscheint mir doch zu klischeehaft. Ich möchte einen außergewöhnlichen Namen, einen, der Begehren ausdrückt. Welchen Namen könntest Du Dir für mich vorstellen?
Hoffnungsvoll, Deine ?
Ich sage Dir, wie Du heißt, und Du sagst mir, wer Du bist
Ja, liebste … Helena?
Schöne Helena, ich grübele noch über die Wichtigkeit meiner Körperteile. Bei einer Begegnung mit unserem Bären würde ich auf gesunde Beine setzen. Hier vor dem Bildschirm erscheint mir hingegen mein Kopf entscheidend. Läge ich mit Dir auf besagtem Fell vor dem Kamin, wären meine Hände unentbehrlich zum Erkunden und Berühren. Wie sollte ich ohne sie Deine Haut ertasten und Dich streicheln? Später wären sicherlich auch meine Lippen von Bedeutung. Gerne würde ich Deinen Hals, Deinen Mund und Deinen Körper mit Küssen bedecken. Danach werde ich sehen, ob mir noch andere wichtige Körperteile einfallen.
Gerade schaue ich mir erneut das Foto Deines Auges an. Es löst immer wieder Glücksgefühle in mir aus. Leider habe ich die Erfahrung gemacht, dass viele Menschen ihre Freude zeitlich begrenzen. Was sie an einem Tag befriedigt, bedarf schon am nächsten einer Steigerung. Ich jedoch freue mich, wenn ich dem Augenblick ein Hochgefühl abtrotzen kann und nicht immer nur an die zukünftige Perfektion denke. Auf diese Weise kann ich jeden noch so kleinen Moment genießen.
Auch bei unserer Lektüre und beim Zuhören würden wir jede Sekunde genießen und uns von unserer Lust treiben lassen, egal wohin sie uns führt. Ist es nicht erregend, ein solches Spiel zu beginnen, ohne eine feste Vorstellung vom Ende zu haben? Ich bin gespannt auf Deine Reaktion und auch auf mich selbst. Da alles einer Wechselwirkung unterliegt, ist nur schwer einzuschätzen, wohin eine solche Situation uns treibt. Und natürlich würde es mir dabei große Freude bereiten, Deine verborgenen Wünsche zu erfahren. Vielleicht nicht alle auf einmal. Besonders spannend ist es doch, sich langsam vorzutasten, Dinge zu tun, die man noch nie getan hat. Sich treiben lassen zu dem, was sich ergibt oder auch nicht.
Mein Bild ist in Bearbeitung. Ich hoffe, ich kann Dich bald damit überraschen. Ein zweites Bild von Dir, vielleicht eines, auf dem die Körperteile zu erkennen sind, die meine Hände und Lippen berühren sollen … Wäre das zu viel verlangt?
Mit sehnsüchtigen Grüßen,
Adam
Mein liebster aller Adams,
jeder ist seines Glückes Schmied … Stell Dir vor, ich habe versucht zu schmieden. Nicht Glück, sondern Eisen. Ich möchte meine Kunstwerke in einer besonderen Art aufhängen und hatte dazu eine geniale Idee. Die Rahmen wollte ich selbst schweißen. Kurz entschlossen meldete ich mich zu einem Kurs an. Leider musste ich heute feststellen, dass es ganz schön gefährlich ist und ich den Umgang mit all den tödlichen Geräten nicht so schnell lernen kann, wie ich will. Ich hatte immer mindestens drei Hände (hier die wichtigsten Körperteile) zu wenig. Nun habe ich beschlossen, die Arbeiten in Auftrag zu geben, um mich künftig auf das zu konzentrieren, was ich beherrsche.
Dennoch musste ich heute viel an Dich denken: Haben wir schon gemeinsames Glück? Wir sollten daran arbeiten. Sei glücklich über die Steigerungsmöglichkeiten, die es für uns noch gibt. Unsere Phantasie wird uns zusammenschweißen.
Ich genieße bereits jetzt jeden Buchstaben von Dir, jeden Satz und überhaupt alles, was Du mir antust. Jeden Schritt werde ich mit Dir gehen. Ich werde bei Dir nicht zu kurz kommen! Weißt Du, wie eine zu kurz gekommene Frau aussieht? Mundwinkel, Augenlider, Schultern und Brüste hängen schon mit dreißig, graue Strähnen, kurze Haare und abgeknabberte Nägel. Dazu kommen oft Fußpilz, hektische Flecken und Pickel am Hintern. Lassen wir diese unerotische Vorstellung! Eines kann ich mit hundertprozentiger Sicherheit sagen: Ich bin noch nie zu kurz gekommen und in jeder Hinsicht gut bedient.
Verborgenen Wünsche habe ich viele. Sie scheinen plötzlich wie Unkraut in meinem Vorgarten zu wachsen. Ich würde sie Dir beschreiben, doch im Moment suche ich noch nach den passenden Worten. Jedes Mal, wenn ich versuche meine Wünsche zu formulieren, merke ich, dass mir noch die Portion Mut fehlt, die dazu gehört, mich Dir gegenüber zu öffnen.
Ich arbeite daran. Versprochen.
Deine Helena