Butler Parker 109 – Kriminalroman. Günter Dönges
bin Clay Herberts, Madam«, versicherte der Blumenfreund.
»Und wem haben Sie Ihren Morris geliehen?« lautete die nächste Frage der älteren Dame.
»Mein Morris, Madam? Er ist gestohlen worden. Aber das habe ich bereits der Polizei gemeldet.«
»Lügen kann ich nicht ausstehen«, verkündete Lady Simpson gereizt.
»Ich weiß nicht, was das alles soll«, meinte der Blumenarrangeur. »Wer, bitte, sind Sie, Madam?«
»Mister Parker, sorgen Sie für die notwendigen Erklärungen«, antwortete Lady Simpson und sah ihren Butler streng an, »aber fassen Sie sich kurz!«
Parker reagierte nach Wunsch, schwindelte ein wenig und sprach vage von einem leichten Unfall mit Blechschaden, den der Morris des Mister Herberts angeblich verursacht haben sollte.
»Dann sind Sie an den Dieb meines Wagens geraten«, sagte der Blumenhändler aufgeregt, »wann und wo ist das passiert?«
»Wann und wo wurde Ihr Morris gestohlen?« verlangte Agatha Simpson zu wissen! Durch das Schaufens-ter links vom Eingang hatte sie bereits das verneinende Kopfschütteln von Kathy Porter beobachtet. Daraus ging leider hervor, daß sie es nicht mit jenem Mann zu tun hatten, den Lady Simpson zu sehen gewünscht hatte. Kathy war absichtlich draußen vor dem Geschäft geblieben. Sie sollte vorerst nicht in Erscheinung treten.
»Das muß gegen Mittag gewesen sein«, beantwortete der bereits eingeschüchterte Mann die Frage von Lady Simpson. »Die genaue Uhrzeit weiß ich natürlich nicht. Ich habe den Diebstahl aber sofort der Polizei gemeldet.«
»Dann sind Sie noch mal davongekommen«, stellte Lady Agatha fest. »Ihr Glück, Mister Herberts!«
Sie nickte ihm desinteressiert zu und stampfte auf ihren stämmigen Beinen aus dem Ladenlokal, während Parker noch blieb.
»Die Frau ist ja direkt zum Fürchten«, sagte der Blumenfreund aufatmend.
»Mylady sind ein wenig exaltiert«, erklärte nun Parker. »Ich hätte abschließend gern noch eine Auskunft, Mister Herberts. Kennen Sie in Ihrer Nachbarschaft einen mittelgroßen, rundlichen Herrn, der etwa vierzig Jahre alt ist und eine große Brille trägt?«
»Bert Dolgan«, war die spontane Antwort.
»Richtig, so lautete der Name«, bluffte Parker, »er wohnt drüben in der nächsten Straße, nicht wahr?«
»In der Stow Street«, widersprach der Blumenhändler. »Bert hat dort ’nen Zooladen. Er kann Ihnen erst-klassige Zuchthunde und Katzen besorgen.«
»Ein Freund von Ihnen, wie ich unterstellen darf?«
»Wir kennen uns sehr gut«, antwortete Clay Herberts, »und nehmen oft einen drüben bei Filmore an der Ecke.«
»Lassen Sie mir die Überraschung«, bat Parker höflich. »Rufen Sie ihn nicht an! Wir haben uns seit vie-len! Jahren nicht mehr gesehen.«
*
Gleich neben dem Eingang zu der kleinen Zoohandlung hockte ein grasgrüner Papagei auf der Stange.
Er kreischte, als Lady Agatha eintrat, plusterte sich auf und maß die vermeintliche Kundin mit mißtraui-schen Blicken. Der Papagei, ansonsten auf ausgesuchte Schimpfwörter spezialisiert, legte erst mal eine Sen-depause ein. Er wollte die Frau genau studieren, bevor er sie schockierte.
»Das könnte er sein«, raunte Kathy Porter Lady Simpson zu und deutete unauffällig auf den Mann hinter der Verkaufstheke. Es handelte sich um einen untersetzten, rundlichen Mann von etwa vierzig Jahren. Er trug eine Hornbrille, die ihm ein eulenhaftes Aussehen verlieh. Dieser Mann verhandelte gerade mit einem Kunden und zählte ihm die Vorzüge der Konservennahrung für Hunde auf. Er verstieg sich dabei zu der Behauptung, es sei dem Gulasch ebenbürtig, das in Supermärkten für den menschlichen Verzehr angeboten würde.
Der Kunde war ehrlich begeistert und nahm gleich fünf Hundefutterkonserven mit. Agatha Simpson sah diesem Mann aus mißtrauisch zusammengekniffenen Augen nach, als er mit seinen Konserven einen kleinen Lieferwagen bestieg, auf dem die Reklameschrift einer Schnellgaststätte zu lesen war.
»Was kann ich für Sie tun, meine Damen?« fragte der Zoohändler und widmete sich höflich Lady Simp-son und Kathy Porter.
»Sie sind Mister Bert Dolgan?« schnarrte die Detektivin den Rundlichen an.
»Zu dienen, Madam«, erwiderte der Zoohändler respektvoll und beeindruckt.
»Geben Sie Ihr Spiel auf, Mister Dolgan«, fuhr Lady Simpson fort, »Sie sind durchschaut, Mister Dol-gan!«
Agatha Simpson liebte es, ihr Ziel stets direkt anzusteuern. Sie hielt nicht sonderlich viel von Parkers Me-thoden, der wesentlich zurückhaltender war.
»Nicht so laut«, flüsterte Bert Dolgan prompt und schaute sich ängstlich nach einer halb geöffneten Tür im Hintergrund um. »Meine Frau, Madam. Sie verstehen!«
»Ich erwarte ein volles Geständnis von Ihnen«, herrschte Lady Simpson den Verwirrten an. »Ich hoffe, das alles wird sich außergerichtlich regeln lassen.«
»Nicht so laut«, beschwor der Rundliche die Lady. Er drehte sich um und lief zur Tür. Agatha Simpson mißverstand das gründlich und glaubte an einen Fluchtversuch. Bevor Kathy Porter sie daran hindern konn-te, schickte die Detektivin bereits ihren Pompadour auf die Luftreise. Es handelte sich um einen kleinen, perlenbestickten Handbeutel, in dem ältere Damen noch heute einige Gegenstände ihres persönlichen Be-darfs verwahren, wie zum Beispiel Taschentuch, Puderdose, ein wenig Kleingeld und vielleicht auch Pillen-dosen.
Im Falle der Lady Agatha war das jedoch erheblich anders. Ihr Pompadour enthielt den berüchtigten Glücksbringer, der aus einem normalen Hufeisen bestand. Aus Gründen der Humanität hatte Lady Simpson dieses Hufeisen allerdings mit Schaumstoff umwickelt. Dennoch war der Pompadour mitsamt seinem Glücksbringer eine geradezu vernichtende Waffe.
Der Pompadour sauste also durch die Luft und landete auf dem Hinterkopf des Mannes.
Der Erfolg war niederschmetternd, was den Zoohändler anbetraf. Es war, als hätte man ihm die Beine un-ter dem Leib weggezogen. Er blieb für Sekunden wie angewurzelt stehen, schnappte nach Luft und breitete sich anschließend auf dem Fußboden aus. Hier blieb er völlig entspannt und benommen liegen.
»Schwächling«, stellte Agatha Simpson kopfschüttelnd fest, »die Jugend von heute hat kein Stehvermö-gen mehr.«
»Verständlich, Mylady«, gab Kathy Porter besorgt zurück. Sie war zu dem rundlichen Zoohändler geeilt und hatte den Pompadour aufgehoben. Sie wog ihn respektvoll in der Hand.
»Dieser Lümmel wollte sich einer Vernehmung durch Flucht entziehen«, behauptete die Detektivin grimmig.
»Vielleicht wollte er wirklich nur die Tür schließen, Mylady«, sagte Kathy Porter.
»Schnickschnack, Kindchen«, widersprach ihre Chefin. »Ist das nun dieser Lümmel aus dem Waren-haus?«
»Die Ähnlichkeit ist zumindest verblüffend, Mylady.«
»Dann ist er es! So etwas spüre ich. Sehen Sie sich nur das Gaunergesicht dieses Individuums an. Durch-suchen wir seine Räuberhöhle!«
Der grasgrüne Papagei hatte sich inzwischen entschieden, etwas für Bert Dolgan zu tun. Er plusterte sich auf, krächzte versuchsweise, schrie dann gellend nach der Polizei und sprach deutlich von einem Überfall. Wer ihm diese Worte beigebracht hatte, war im Moment nicht zu klären, doch seine Stimme war laut und gut zu verstehen.
Lady Simpson sah den Papagei streng an, marschierte auf ihren stämmigen Beinen auf ihn zu und baute sich vor ihm auf. Der Papagei war ein kluger Vogel mit ausgebildeten Instinkten. Seine Stimme wurde so-fort erheblich leiser, weil er um seinen Hals fürchtete. Er flüsterte noch ein unfeines Wort, zog den Kopf ein und sah zur Seite. Dann vergrub er seinen Kopf in den Federn und schwieg.
»Dein Glück«, sagte Lady Agatha, »ich will kein Wort mehr hören!«