Dr. Norden Staffel 2 – Arztroman. Patricia Vandenberg
Auch wenn Marco nicht wusste, wie es mit ihm und Teresa weitergehen sollte, erleichterte ihn die Nachricht des Arztes ungemein.
»Ich bin so froh, das noch mal alles gut gegangen ist«, seufzte er und hielt dem Arzt die Tür auf. Daniel dankte ihm mit einem Lächeln.
»Dann steht dem jungen Glück ja hoffentlich nichts mehr im Weg«, versuchte er unauffällig, Marco ein paar Informationen zu entlocken. Doch seine Hoffnungen auf ein Happy End erfüllten sich nicht.
»So ganz sicher bin ich mir da nicht«, gestand Marco seufzend, und erst jetzt fielen Daniel die Spuren in seinem Gesicht auf, die auf eine durchwachte Nacht schließen ließen.
»Oh, und ich dachte, es wäre alles in Ordnung. Ich hab Sie gestern Abend mit dem jungen Berger gesehen.«
»Anian und ich haben uns ausgesprochen. Zwischen uns ist jetzt alles klar«, bestätigte Marco. »Vorher hat er allerdings versucht, Teresa und mich auseinanderzubringen.«
»Wie das?«, hakte Daniel Norden alarmiert nach.
Für Teresas angeschlagenen Gesundheitszustand konnte eine Trennung eine Katastrophe bedeuten.
In knappen Worten berichtete Marco von dem, was passiert war.
»Ich bin mir nicht sicher, was sie jetzt von mir denkt.«
»Es ehrt Sie, dass Sie trotzdem kommen, um sie zu besuchen«, bemerkte Daniel.
Marco lachte traurig.
»Wissen Sie, was Liebe ist?«, fragte er mit rauer Stimme. »Dann wissen Sie auch, dass ich keine andere Wahl hatte.« Sie waren vor Teresas Zimmer angekommen. »Ich muss einfach Gewissheit haben. Drücken Sie mir die Daumen.« Marco wartete gar nicht erst auf eine Antwort. Er nickte Daniel Norden zu und drückte die Klinke herunter.
Teresa, die die Männerstimmen schon durch die Tür gehört hatte, saß aufrecht in ihrem Bett und starrte Marco fassungslos an.
»Da bist du ja!«, hauchte sie, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Ich versuch schon die ganze Zeit, dich zu erreichen.« Eine Träne rann ihr über die schmale Wange. Dann noch eine und noch eine.
Marco fiel ein Stein vom Herzen. Der Ausdruck in ihrem feinen Gesicht wirkte nicht wie das Ende einer großen Liebe. Ganz im Gegenteil. Er eilte an ihre Seite.
»Nicht weinen, meine Liebste. Alles ist gut.« Er nahm ihr Gesicht in seine Hände und küsste jede Träne einzeln von ihren Wangen. Das war so schön, dass Teresa noch mehr weinen musste.
»Es tut mir so leid, dass ich dir misstraut und Anian geglaubt habe«, schluchzte sie schuldbewusst.
Falls möglich, liebte Marco sie für dieses Geständnis noch ein bisschen mehr.
»Wir haben alle Fehler gemacht. Aber keine Angst. Anian und ich haben uns ausgesprochen. Wenn du noch möchtest, kann ich schon bald bei euch einziehen. Dann sind wir eine richtige kleine Familie, wie ich sie mir schon so lange wünsche.«
»Ich will, ich will, ich will«, lachte Teresa voller Glück und weinte vor lauter Freude noch viel mehr, sodass Marco seine liebe Not hatte, alle Tränen wegzuküssen, bis nur noch ein glückliches Lachen übrig war, das er von nun an hegen und pflegen wollte.
*
Als wäre nichts passiert, betrat Wendy am Montagmorgen viel früher als ihre Kollegen die Praxis Dr. Norden. Wie immer ging sie zuerst in die Küche, um das liebevoll zubereitete Mittagessen im Kühlschrank zu verstauen. Dann füllte sie die Kaffeemaschine mit Wasser, löffelte Pulver in den Filter und schaltete das Gerät ein. Mit einer Gießkanne ging sie durch sämtliche Räume der Praxis, zog die Vorhänge zurück, kippte die Fenster und goss die Blumen, ehe sie ganz zum Schluss ins Wartezimmer ging. Dort stapelte sie die Zeitschriften ordentlich und stellte frische Wasserflaschen für die Patienten bereit. Den Wasserspender hatten sie schon vor einiger Zeit aus hygienischen Gründen aus dem Wartezimmer verbannt.
»Hast du hier übernachtet oder warum bist du schon mit allen Vorbereitungen fertig?«, weckte sie die verwunderte Stimme ihrer Freundin und Kollegin Janine schließlich aus ihrer Konzentration.
Lächelnd drehte sich Wendy um.
»Ich bin einfach keine solche Langschläferin wie du«, gab sie in gespielter Heiterkeit zurück.
Doch Janine konnte sie nichts vormachen.
»Das klingt danach, als wäre der Ausflug nach Heidelberg ein Reinfall gewesen.«
»Nein, nein. Hanno ist wirklich ein netter Mann. Ein sehr netter …« Wendy verstummte und presste die Lippen aufeinander, als Janine ihr mitfühlend den Arm um die Schultern legte und sie in die kleine Küche führte. Der Kaffee war inzwischen durchgelaufen, und sie drückte Wendy auf einen der beiden Stühle am kleinen Tisch in der Ecke. Sie nahm zwei extra große Tassen aus dem Schrank, schenkte Kaffee ein und setzte sich zu Wendy.
»Raus mit der Sprache. Was ist passiert?«
Wendy dachte kurz nach. Es fiel ihr nicht leicht, ihren Misserfolg einzugestehen. Doch nach den ersten stockenden Worten fiel es ihr plötzlich leicht, alles zu erzählen. Sie redete sich allen Schmerz, jede Enttäuschung von der Seele, und als sie schließlich geendet hatte, war die Trauer der vergangenen Stunden einer vagen Erleichterung gewichen.
»Jetzt geht es mir besser«, seufzte sie und schickte Janine einen dankbaren Blick. »Freundinnen sind doch besser als jeder Liebhaber.«
»Außerdem ist ja noch nichts verloren«, gab Janine keck zurück. »Dein Abgang war grandios. Daran hat Hanno mit Sicherheit noch eine Weile zu knabbern. Und wer weiß, vielleicht meldet er sich ja eines nicht allzu fernen Tages …«, stellte sie ihrer Freundin in Aussicht.
»Vielleicht.« Nachdenklich leerte Wendy ihre Tasse und stand auf. »Aber vielleicht hab ich dann keine Lust mehr«, sagte sie verschmitzt lächelnd. Sie hatte ein Geräusch gehört, das verdächtig nach Praxistür geklungen hatte. Zeit, in die geliebte Normalität zurückzukehren und an die Arbeit zu gehen. Hier fühlte sie sich sicher und geborgen, hier war ihr Platz im Leben.
»Guten Morgen allerseits«, bestätigte Danny Nordens fröhliche Stimme diese Vermutung. »Lust auf die leckersten Rosinenschnecken der Stadt? Mit den besten Grüßen von meiner geliebten Tatjana und von der allerbesten Frau Bärwald.«
»Solche Fragen kannst auch nur du stellen«, lächelte Wendy den Junior vergnügt an und nahm ihm die prall gefüllte Tüte aus der Hand, die er extra für seine Mitarbeiter mitgebracht hatte. Einen besseren Start in den Tag konnte sie sich kaum wünschen.
»Sollen wir dir ein Taxi schicken oder schaffst du’s noch auf deinen eigenen Beinen?«, klang Dr. Daniel Nordens Stimme fröhlich durch den Park. Wie öfter in letzter Zeit joggte er mit seinem Sohn Danny und der Assistentin Janine Merck in der Mittagspause zum Ausgleich zur Arbeit eine Runde durch die nahe gelegenen Grünanlagen.
»Schonen Sie ihn doch ein bisschen«, nahm Janine den Junior atemlos in Schutz. Sie lief fast gleichauf mit ihrem Chef, als Danny aufholte und es ihm gelang, wenigstens an ihr vorbeizuziehen. »Schließlich haben wir einen ziemlich großen Trainingsvorsprung.«
Auf einer besonders idyllischen Lichtung blieb Daniel schließlich stehen und wartete auf seine Trainingspartner. Ein junger Mann, den er schon öfter im Park getroffen hatte, lief schon zum dritten Mal konzentriert an ihm vorbei und schien ihn gar nicht zu bemerken.
»Es macht mir gar nichts aus, nicht so gut in Form zu sein wie ihr«, keuchte Danny, als er gleich darauf ebenfalls auf der Lichtung Halt machte. »Aber gegen eine Frau zu verlieren, das ist schon eine Schande!« Er stemmte die Hände auf die Oberschenkel und beugte sich vornüber.
Janine schickte ihm einen bitterbösen Blick.
»Soso, gegen eine Frau zu verlieren ist also eine Schande? In welchem Jahrhundert leben wir denn?«, fragte sie herausfordernd, und ihre Augen blitzten. »Wer als Letzter in der Praxis ist, muss Kuchen bei Frau Bärwald holen!«
»Ich