G.F. Barner Staffel 5 – Western. G.F. Barner
anderen beiden Männer mit schrillen Angstschreien wegspringen, rollt das erste Rad der Lore über den alten Schuh, den James am rechten Fuß trägt.
In der nächsten Sekunde schreit James gellend auf. Er schwankt, taumelt zur Seite und stürzt zu Boden, um seinen Fuß schreiend zu umklammern.
Damit aber nicht genug. Die Scheibe sinkt an der einen Seite nun rasch ein. Schon ist Wasser über der Scheibe, schon biegen sich die Schienen, die mitsamt der Scheibe nach unten gezogen werden.
Vorn nun, fast am Ende dieser ersten Schiene, die zum Damm hochläuft, dreht sich Mulligan bei dem Gebrüll um. Harris hinter der Lore merkt in diesem Augenblick, daß die Schiene heftig gerüttelt wird. Auch er sieht sich um, er bemerkt schlagartig, daß das Ende der Schiene, das an dem Scheibenaußenrand befestigt ist, sich senkt und vom Wasser überspült wird.
Wie immer es kommt, Harris weiß es nicht zu sagen. Sei es, daß Mulligan bei dem ersten Schreck die Lore nicht mehr mitschiebt, sondern sie losläßt, sei es, daß die anderen beiden Männer rechts und links der Lore den Schub etwas verringern. Plötzlich spürt Harris das Gewicht der schweren, vollgeladenen Lore an seinem Rücken.
»Haltet sie, haltet…«
Harris kann die Lore nicht halten. Er springt mit einem verzweifelten Satz weg und kriegt doch noch die Lorenarme in die Seite. Halb benommen, Schmerz in der Seite, fällt Maxwell Harris zu Boden und sieht die Lore davonrollen.
»Festhalten!« schreit nun einer der Posten. »Haltet sie fest, ihr Narren, festhalten!«
Keiner kann sie aufhalten, niemand kann das, denn in der Lore sind mindestens achtzehn Zentner feuchte, schmutzige Moorerde. Die Lore rollt immer schneller, sie kommt auf die Scheibe zu, von der sich der am Boden liegende James brüllend wegwälzt.
Das alles geschieht innerhalb von vier, fünf Sekunden.
Die Lore, die der jäh über den Graben blickende Quincy Morgen nun sehen kann, kommt auf die Scheibe, die schon halb im Wasser ist, zugerollt.
»Die Scheibe!« brüllt Ducan heiser. »Dreht doch die Scheibe, die Scheibe müßt ihr…«
Und da ist alles zu spät!
Die Lore schießt über das Ende der Schiene, das im Wasser ist. Wasser spritzt nach allen Seiten. Dann rammt die Lore die auf dem Oberteil der Scheibe aufgeschraubten Schienen von der Seite. Die Lore fliegt hoch, die Scheibe kippt. Und dann kracht die mit Erde gefüllte Lore mit voller Wucht auf die erste jener Loren, die von vier Mann auf die Scheibe zugeschoben worden ist.
Diese vier Mann springen brüllend nach den Seiten davon. Ihre Lore aber bekommt durch den Anprall der anderen Lore einen so gewaltigen Stoß, daß sie auf den Schienen davonschießt und in die Kreisbahn einschwenkt.
Hinten, dicht an der Grabenkante jedoch, stehen drei, vier zum Teil leere, zum Teil halbgefüllte Loren. Und auf diese Loren saust nun die andere zu.
Die Katastrophe ereignet sich in weniger als fünfzehn Sekunden.
Dennison und Wardwood springen instinktiv nach hinten. Sie sehen die Lore kommen, die mit absoluter Sicherheit auf die hier haltenden Loren prallen muß. Dennison rammt dabei seinen Vorgesetzten Ducan so unglücklich, daß der auf der feuchten Erde ausrutscht und der Länge nach hinstürzt.
Es ist Ducan, als würde ihm zum zweiten Male an diesem Tag der Boden unter den Füßen fortgerissen. Er stürzt, er stößt einen Fluch aus und sieht die Schiene genau vor sich.
Im nächsten Moment prallt der stürzende Sergeant mit voller Wucht auf die Schiene und sieht gar nichts mehr außer einem Meer von Feuer.
Sergeant Harry Ducan liegt leblos auf der Schiene nahe an der Grabenkante.
Und von links kommt die Lore, sie rollt mit ohrenbetäubendem Gerassel auf die anderen zu.
»He«, sagt Quincy verwundert und sieht aus ganz großen Augen auf die Lore. »He, weg, Sammy, weg hier, ducken – runter! Die Lore!«
Dann erst, als Dennison rechts und Wardwood links von ihm in den Graben springen und sich flach hinwerfen, bemerkt Quincy Morgen den still auf der Schiene liegenden Ducan.
Quincy streckt blitzschnell die linke Hand aus und greift nach dem linken Bein von Sergeant Harry Ducan. So gewiß Quincy einmal gesagt hat, daß er Ducan morgen umbringen oder in Whisky ertränken würde, er greift genauso gewiß in letzter Sekunde zu und zieht Harry Ducan von der Schiene. Nur sein Hut bleibt dort, als sich die Krempe beim Zurückziehen unter der Schiene verhakt, und er dort steckenbleibt.
Was dann geschieht, das weiß Quincy nicht mehr. Er weiß nur, daß ihm der Sergeant genau vor die Füße fällt.
Und weil Quincy nun keine Zeit mehr hat wegzuspringen, sondem er sich nur noch ducken kann, darum wirft er sich flach hin auf den am Boden liegenden Urfeind Ducan.
Dann aber gibt es einen ohrenbetäubenden Schlag. Quincy liegt am Boden, er deckt Ducan zu. Und über ihm, genau über ihm, prallt die leere Lore auf eine halbvolle und kippt um. Der Erdboden stürzt aus der Lore wieder in den Graben zurück. Quincy hat einen Augenblick keine Luft mehr, die Erde kommt so hart und schwer auf ihn herab, daß er plölzlich auf Ducan gepreßt wird und nichts mehr als Erde sieht.
Die anderen Loren aber schießen los, eine kippt um, sie ist leer und legt sich quer auf die Schienen. Jene schwere Lore aber, die gerade ihren Inhalt in den Graben zurückentleert hat, sie liegt keine zehn Zoll von der Grabenkante. Sie hat eine tiefe Furche in den Boden gegraben und ist wie ein Pflug in den Boden geschossen. Und Gott allein mag wissen, was geschehen wäre, würde sie in den Graben gestürzt sein.
Quincy hört nichts mehr, es ist ganz ruhig. Durch die Stille kommt dann jedoch das heisere Stöhnen von James. Er stemmt die Schultern ein, wirft wie ein auftauchender Walfisch die Erde von sich herab, spuckt sie aus, soweit sie ihm in den Mund gedrungen ist und plinkert einmal.
Dann aber streckt er die Hand aus, packt seinen Urfeind Ducan am Kragen und zieht ihn hoch.
Der Sergeant hat sich beim Sturz auf die Schiene die Stirn aufgeschlagen, er blutet heftig und ist nicht bei Besinnung. Unwillkürlich blickt Quincy, den Sergeanten haltend, auf die Schiene. Er sieht zwei Drittel des Hutes. Das andere Drittel haben die Räder der Lore glatt abgetrennt.
Einen Moment schließt Quincy die Augen.
Er muß an den Kopf von Sergeant Ducan denken und an das, was mit dem Hut passiert ist. In diesem Augenblick wird Quincy Morgen tatsächlich beinahe übel.
Aber dann packt ihn die Wut. Hat er wirklich Harry Ducan von den Schienen gezogen, er? Und diese jämmerlichen Posten hier, diese Halbinvaliden, aus denen fast die gesamte Bewachung des Lagers besteht, haben die sich etwa gerührt? Dennison hat ihn doch weggestoßen, der Corporal Dennison ist es gewesen, der sich nicht mehr um seinen Vorgesetzten gekümmert, sondern zuerst an sich gedacht hat.
Was ist denn das? Dieser Dennison hat sich in Sicherheit gebracht und seinen Sergeanten vergessen?
»Dennison!« sagt Quincy Morgen wütend und fährt herum, streckt die linke Hand aus und packt den armen Dennison an der Brust. »Du Kerl, du gewissenloser, du läßt deinen Chef liegen, nachdem du ihn auf die Schienen gestoßen hast? Mensch, wenn einer meiner Obermatrosen das mit mir gemacht hätte, den hätte ich an die oberste Rah hängen lassen! Kerl, verdammter, schämst du dich nicht ein bißchen? Ich sollte dich dreimal kielholen lassen! Was siehst du mich so an? lch tue dir schon nichts. Da, weg mit dir! Und dann wirst du dich um den da kümmern! Sieh dir mal seinen Hut an, der ist auf den Schienen geblieben, als ich Ducan heruntergezogen habe!«
Dennison blickt auf die Schienen, den Hut und wird noch blasser.
»Da siehst du mal, was du für ein schöner Soldat bist«, sagt Quincy wütend. »Kümmere dich gefälligst um den Sergeanten, ich muß mal nach James sehen.«
Er blickt in die großen Augen des kleinen Kliburn und bekommt nun so etwas wie Gewissensbisse. Hat er nicht selber immer gesagt, daß man diesen Kerl Ducan vierteilen müßte, hat er ihm nicht jeden Tag den Tod versprochen? Und da sieht man ihn denn