Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman. Karin Bucha
jetzt schon Blut und Wasser, und du machst Scherze.«
Marina hebt den Kopf.
»Soll ich etwa hinlaufen und sagen: Nehmen Sie mich mit, Herr Generaldirektor, Sie erleben mit Fräulein Markwart sonst Schiffbruch?«
Barbara richtet sich entschlossen auf. »Dann werde ich es ihm sagen, und zwar sofort.«
Wenn Barbara einmal in Fahrt ist, kann sie so leicht nichts bremsen.
Nach wenigen Minuten wird Marina in das Zimmer des Chefs bestellt.
Vor lauter Verlegenheit grüßt sie noch einmal.
»Trauen Sie sich zu, ein Protokoll in englischer Sprache zu schreiben?« fragt er überganglos.
»Ja, ich spreche und schreibe perfekt Englisch.« Lächelnd wendet Gellert sich an Barbara. »Also sind Sie von Ihrer Aufgabe befreit.«
»Vielen Dank, Herr Generaldirektor.«
Barbara verschwindet wieder, und Marina will sich ihr anschließen.
»Halt, einen Augenblick, Fräulein Braun«, hält Gellert sie zurück. Langsam wendet sie sich um.
Sie geht tiefer ins Zimmer und bleibt vor ihm stehen, abwartend und gespannt.
»Wir werden voraussichtlich drei bis fünf Tage zu tun haben. Nehmen Sie sich für diese Zeit das Nötigste mit. Mein Chauffeur wird Sie morgen um acht Uhr dreißig abholen. Unsere Maschine fliegt um neun Uhr dreißig. Sie werden sicher Vorbereitungen treffen wollen, und deshalb beurlaube ich Sie für heute.«
Zum ersten Male sieht er sie mit seinen klaren Augen voll an. Kein Wunder, wenn Günther sich um das Mädchen bemüht. Es ist noch schöner als sonst. Und Marinas Augen sind nicht blau, sondern grün, stellt er bei sich fest.
»Eine Frage, bitte, Herr Generaldirektor. Wer hat Sie sonst auf Ihren Reisen begleitet?«
Er stutzt, da er sich ihre Frage nicht erklären kann.
»Mein Sohn. Er hat einen Sonderauftrag zu erfüllen und kann mich deshalb nicht begleiten.« Er betrachtet sie prüfend. »Ist Ihnen die Reise so unangenehm?«
Sie errötet tief. Sie kann ihm schlecht sagen, daß sie sich unsinnig darauf freut und gleichzeitig Angst vor diesen Tagen hat, da sie nur auf seine Gesellschaft angewiesen ist.
»Nun?« ermuntert er sie, da sie schweigt. Entschlossen hebt sie den Kopf und legt ihn etwas in den Nacken.
»Verzeihen Sie meine Frage. Ich – ich wollte nur Fräulein Markwart nicht verdrängen.«
Er lächelt leicht. »Ich brauche jemand, der perfekt Englisch spricht. Und das kann Fräulein Markwart leider nicht, so tüchtig sie sonst ist.«
»Danke.« Ihre Stimme ist belegt vor Erregung. »Aber ich brauche deshalb den heutigen Tag nicht freizunehmen. Meinen Koffer kann ich auch nach Arbeitsschluß packen.«
»Ganz, wie es Ihnen beliebt.« Er ist wieder der kühle, reservierte Mann, aus dem sie nicht klug wird.
Kaum hat sie die Tür erreicht, da ruft er sie noch einmal zurück.
»Noch eine Frage, bitte. Wie ich Sie kenne, sind Sie sehr korrekt. Warum lassen Sie sich Blumen von Ihren Verehrern ins Büro schicken?«
Sein kühler Ton, sein spöttischer Blick empören sie, und lauter als gewöhnlich antwortet sie:
»Ich kenne den Spender ja selbst nicht. Es ist mir sehr peinlich. Aber deshalb kann ich die schönen Blumen doch nicht in den Papierkorb werfen.«
»Allerdings. Sie können gehen, Fräulein Braun.«
Draußen muß Marina erst mal tief Atem schöpfen. So kennt sie den Mann noch nicht. Barbara hat das ganze Fensterbrett voller Blattpflanzen stehen. Darüber hat er noch kein Wort verloren. –
Albert Gellert ist nicht mit sich zufrieden. Wieder einmal war er ungerecht zu Marina – in Gedanken nennt er sie so – dabei hat er wirklich keinen Grund. Sie ist fleißig, gewissenhaft und sehr hilfsbereit. Und wie er soeben feststellen konnte, ist sie sehr kameradschaftlich.
Er liebt sie tief und aufrichtig und kann sich nicht damit abfinden, daß sein Sohn um Marina wirbt. Hoffentlich enttäuscht er das Mädel nicht! Er kennt Günther und seine Flatterhaftigkeit.
Marina ist richtig wütend. Am liebsten würde sie die Blumen zum Fenster hinauswerfen, wenn sie nicht so traumhaft schön wären.
»Was ist denn mit dir los?« erkundigt Barbara sich. Sie kennt Marina nun schon so gut, daß sie genau weiß, wie erregt sie ist.
»Ach nichts«, wehrt Marina ab und beginnt zu arbeiten.
Im Laufe des Tages kommt Günther Gellert ins Zimmer, um sich einige Unterlagen von Barbara zu holen. Er sieht die Blumen auf dem Fensterbrett und lächelt Marina freudig an.
»Also gefallen Ihnen meine Blumen?« fragt er. Marinas Kopf ruckt empor.
»Die Blumen sind von Ihnen?«
»Ich wollte Ihnen eine Freude machen.« Ihr Ton macht ihn verlegen.
»Das ist Ihnen auch wirklich restlos gelungen.« Marina funkelt Günther Gellert wütend an. »Dafür habe ich eine Rüge von Ihrem Vater einstecken müssen.«
»Von meinem Vater?« wiederholt er erstaunt.
»Ja – von Ihrem Vater«, sagt sie und mißt ihn mit einem bösen Blick. »Am besten, Sie nehmen die Blumen wieder mit.«
»Im Gegenteil. Ich werde meinem Vater sagen, daß ich sie Ihnen auf den Schreibtisch gestellt habe.«
»Nein!« Das klingt bestimmt und unwiderruflich. »Das werden Sie bleiben lassen. Er könnte sonst meinen, ich hätte geklatscht. Das will ich nicht.« Als sie sein zerknirschtes Gesicht bemerkt, setzt sie weicher gestimmt hinzu: »Trotzdem danke ich Ihnen für den guten Willen.«
Er nimmt die angeforderten Unterlagen und verschwindet ohne ein weiteres Wort.
»Darüber hast du dich aufgeregt?« nimmt Barbara das Wort, als sie allein sind. »Seit wann kümmert sich der Generaldirektor um so Kleinigkeiten?«
Marina zuckt nur mit den Schultern. Und mit diesem Mann, der sich so sehr gewandelt hat, soll sie ein paar Tage zusammen sein? Sie fürchtet sich vor dem Kommenden und grübelt, was ihr wohl das Mißfallen des Chefs eingebracht hat. Aber sie kommt zu keinem Ergebnis.
Mehr als arbeiten kann ich schließlich nicht, denkt sie resigniert, und sonst kann ich mir nicht denken, etwas falsch gemacht zu haben.
Die Reise ist ihr von Anfang an schon verleidet. Dabei hatte sie sich so sehr gefreut, daß ausgerechnet sie den Generaldirektor begleiten soll.
Sie ist heute nicht recht bei der Sache und verläßt früher als sonst das Gebäude.
Sie macht noch einige Einkäufe, dann geht sie heim. Annemarie ist noch nicht da. Sie legt ab und sucht die Küche auf. Dort macht sie eine Platte mit belegten Broten zurecht, setzt Teewasser auf und läßt sich abwartend auf den Küchenhocker nieder.
Immer sieht sie das schmale gebräunte Gesicht Albert Gellerts vor sich, und jedesmal beginnt ihr Herz rascher zu klopfen.
Sie ist mit sich selbst nicht zufrieden. Was geht sie, die kleine Sekretärin, der Mann in exponierter Stellung an? Ein Mann, der nicht nur äußert interessant ist, sondern auch eine einflußreiche Persönlichkeit der Wirtschaft und der Gesellschaft. Nie, niemals würde er auch nur einen privaten Gedanken an sie verschwenden. Aber es kränkt sie, daß er ihr heute wegen der Blumen einen versteckten Vorwurf gemacht hat.
Dieser alberne Günther Gellert, denkt sie wütend. Mich in eine so fatale Situation zu bringen! Dabei muß sie ehrlich zugeben: Er hat sich nie wieder irgendeinen Übergriff erlaubt. Er ist höflich zu ihr und behandelt sie ganz als Dame. Auch zu Barbara ist er sehr nett. Das hat sie bereits festgestellt. Ihr gegenüber hat er einen guten, kameradschaftlichen Ton.
So leicht ist es nicht,