Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman. Karin Bucha
lächelt er, »das darf man vorher nicht sagen.«
Marina setzt sich bequem zurecht und lehnt sich zurück. Sie spürt seinen Blick, aber sie wagt nicht, ihn anzusehen.
Er führt sie in eines der guten Lokale zum Abendessen, und hinterher suchen sie eine intime Bar auf. Gellert kennt sich gut in London aus und bietet Marina nur das Beste.
Mit großen, erstaunten Kinderaugen sitzt sie ihm gegenüber. Sie hat so viel zu bestaunen und zu sehen, daß sie kaum an ihrem Glas nippt. Er muß sie erst auffordern.
Sie fährt schreckhaft zusammen, als er sie fragt:
»Wollen wir tanzen?«
Sofort erhebt sie sich. Ihr Herz schlägt bis zum Halse hinauf, und sie meint, er müsse es hören.
Fest legt er seinen Arm um ihre schmale Gestalt. Sie sind ein sehr schönes Paar. Der gereifte, gutaussehende Mann und sie in ihrer bezaubernden Schönheit.
Sie vergißt ganz, wo sie sich befindet. Sie spürt nur seine Nähe und schließt die Augen, als sei es ein Traum, der sich sofort in Nichts auflösen könne.
Plötzlich klingt der Tango aus, und eine andere Melodie klingt auf, eine Melodie, die sie nie in ihrem Leben vergessen wird. Nur wird sie diesmal nicht von einem schmelzenden Tenor gesungen. Aber die vorzügliche Kapelle spielt sie ausgezeichnet.
»Du bist die Welt für mich…
Ich liebe ja nur dich…«
Marina schlägt die Augen zu ihm auf. Er lächelt ihr verständnisinnig zu.
»Kennen Sie die Melodie noch?« fragt er. Marina ist die Kehle wie zugeschnürt. Sie kann nur nicken. Sie ist zu erschüttert. Sie sieht sich im Konzertsaal, hört die gleiche Melodie und sieht einen Mann im Parkett sitzen, der sie unverwandt anstarrt. Und dieser Mann führt sie jetzt zu dieser Melodie über die Tanzfläche.
Ich bin verzaubert – denkt Marina – das ist alles nur ein Traum, ein wunderschöner Traum.
Diese Erinnerung wird sie wieder mit heimnehmen und davon zehren. Er muß das Lied bestellt haben, ohne daß sie etwas davon merkte.
Gellert sieht den schöngeschwungenen, blühenden Mund dicht vor sich. Er möchte ihn küssen – und wagt es nicht. Aber er hält sie im Arm, und das ist Glückseligkeit genug.
Nach diesem Tanz brechen sie auf. Stumm legen sie die Fahrt ins Hotel zurück. Dort verabschiedet er sich von ihr mit einem kameradschaftlichen Händedruck.
»Ich danke Ihnen für diesen wunderschönen Abend«, flüstert sie und huscht den Gang entlang in ihr Zimmer.
Sie ahnt nicht, daß Gellert lange an der geschlossenen Tür lehnt. Er möchte hinter ihr her laufen, möchte ihr seine Liebe gestehen und wagt es nicht.
Kann er so viel Jugend und Schönheit an sich fesseln?
Marina schläft selig ein, aber Gellert verbringt die Nacht schlaflos, von seinen Empfindungen hin und her gerissen.
Am nächsten Tag fliegen sie zurück. Gellert ist still und in sich gekehrt. Marina hat einen verträumten Gesichtsausdruck.
Du bist die Welt für mich… Ich liebe ja nur dich…
Immer muß sie an diese Worte denken. Ja, für sie bedeutet der Mann an ihrer Seite die Welt. Niemals wird ihr Herz einem anderen gehören. –
Dann hat sie der Alltag wieder. Marina hat Arbeit über Arbeit, und sehr oft stellt Günther Gellert sich im Vorzimmer ein. Er ist einfach reizend, nichts von Arroganz hat er mehr an sich.
»Mein Vater ist kaum noch zu genießen«, sagt er eines Tages zu den beiden Mädchen. »Seit London ist er wie umgewandelt, spricht kaum, knurrt mich bei jeder Gelegenheit an. Wirklich nichts kann man ihm recht machen.«
»Er hat einfach zuviel Arbeit«, sagt Barbara zur Entschuldigung.
»Die haben wir alle«, erwidert er mißgestimmt.
»Ich sprach von dem Zuviel«, wirft Barbara angriffslustig dazwischen. Meistens hat er mit einem Scherz darauf reagiert, heute wirft er die Unterlagen auf den Schreibtisch und verläßt das Vorzimmer. Barbara sieht kopfschüttelnd hinter ihm her und blickt dann Marina an.
»Der liebe Günther, er hat sich noch nie besonders gut mit seinem Vater verstanden.«
Marina überlegt. Sie denkt an die beiden, wie sie gemeinsam im Konzertsaal saßen. Nein! Diesen Eindruck hat sie ganz und gar nicht. Ähnlich äußert sie sich auch zu Barbara.
»Vielleicht sollte der Generaldirektor seinem Sohn mehr Verantwortung übertragen«, meint Marina grübelnd. »Fleißig genug ist er doch, und auch gewissenhaft. Ich bin überzeugt, daß er manche Nacht durchbummelt, aber morgens ist er pünktlich da. Wenn ich ehrlich sein will, muß ich zugeben, daß ich anfangs ziemlich mißtrauisch ihm gegenüber war. Inzwischen habe ich ihn schätzen gelernt.«
Barbara lächelt vor sich hin. »Komisch«, gesteht sie offen. »Mir erging es zuerst auch so. Er wollte mit mir einen Flirt anfangen. Als ich ihn abblitzen ließ, wurde er plötzlich kameradschaftlich. Seitdem vertragen wir uns glänzend.« Sie schielt zu Manna hin-über. »Ich meine geschäftlich.«
»Anders habe ich es auch nicht aufgefaßt, Barbara.« Im selben Augenblick kommt das Klingelzeichen aus dem Chefzimmer, das Marina gilt. Sie greift zu Stift und Block und geht sofort zum Chef.
Seitdem sie aus London zurück sind, hat sie nie mehr das Aufleuchten in seinen Augen bemerkt. Sie hat das Gefühl, daß er sie kaum richtig ansieht.
Am Abend, als sie am gedeckten Tisch auf Annemarie wartet, grübelt sie über sich nach. Es wäre leichter für sie, sich um einen anderen Posten zu bewerben, als gegen diese unglückliche Liebe anzukämpfen und sich immer nur beherrschen zu müssen, um sich ja nicht zu verraten.
Wenn je eine Liebe aussichtslos war, dann ist es wohl die, die sie für Albert Gellert empfindet.
Sie erschrickt vor ihren eigenen Gedanken. Niemals wird sie ihren Posten aufgeben. So kann sie ihn täglich sehen, darf für ihn arbeiten. Das allein bedeutet Beglückung für sie, andernfalls würde sie sich selbst aus dem Paradies vertreiben.
So entschließt sie sich, auszuharren und lieber durch alle Höhen und Tiefen zu gehen, als feige die Flucht vor dieser Liebe zu ergreifen.
Als Annemarie heimkehrt, angeregt und von der Arbeit des Tages noch ganz erfüllt, hat auch Marina sich wiedergefunden. Annemarie verschwindet sogleich im Badezimmer und kehrt im bequemen Hausmantel zurück.
»Ach«, kommt es erlöst von ihren Lippen. »Wie gut das tut, verwöhnt zu werden! Dabei hättest du es selbst nötig, dich verwöhnen zu lassen.«
»Ich?« Marina gießt den Tee in die Tassen.
»Ja, du!« Annemarie betrachtet die Freundin prüfend. »Du siehst sehr blaß aus, Marina. Kopfweh?«
»Nichts von Bedeutung, Annemarie«, wehrt Marina ab. »Ein bißchen viel Arbeit. Ich fühle mich wohl.«
»Dann ist ja alles in Ordnung.«
Gar nichts ist in Ordnung, denkt Marina mit beherrschtem Gesicht.Alles ist in mir durcheinandergeraten.
Annemarie spricht schon weiter. »Weißt du, wer uns eingeladen hat?«
Marina sieht auf. »Ich tippe auf Dr. Hartmann. Stimmt’s?«
»Genau er ist es.« Sie beugt sich etwas vor. »Und weißt du, wer mitkommt?«
»Keine Ahnung!«
Annemarie läßt eine kurze Pause eintreten, um eine größere Wirkung zu erzielen. »Es handelt sich um Günther Gellert.«
Marina ist wirklich überrascht. »Wie kommt Dr. Hartmann zu dieser Bekanntschaft?« will sie wissen.
»Ganz einfach«, erklärt Annemarie. »Bei irgendeinem Prozeß, den Doktor Hartmann für den Illermann-Konzern geführt hat, haben sie sich kennengelernt,