Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman. Karin Bucha

Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman - Karin Bucha


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Da mußte dieser Unfall kommen.«

      Doktor Hartmann drückt Annemarie in einen Sessel vor dem Kamin und nimmt ihr gegenüber Platz. Er ist ernst und nachdenklich. Er denkt an den Gesellschaftsabend, er sieht die zauberhafte Marina vor sich, umschwärmt und bewundert – und nun?

      Annemaries Augen haften auf ihrem Verlobten. Seine Nähe gibt ihr Ruhe, und so ist es ihr auch gelungen, über die Vorgänge einigermaßen zusammenhängend zu berichten. Sie war immer allein, eine Frau, die mit allen Problemen fertig wurde. Aber nie hat sie so stark empfunden wie jetzt, was es heißt, einen Menschen zu wissen, der ganz und gar zu ihr gehört, der bereit ist, nicht nur Freude, auch das Leid mit ihr zu teilen.

      Doktor Hartmann schwingt sich auf die Lehne ihres Sessels, legt den Arm und ihre Schulter und zieht sie an sich.

      »So schnell kann sich Glück in Unglück verwandeln, mein Liebling.« Marinas Unfall hat ihn sehr gepackt. Mit Beglückung spürt er, wie Annemarie sich schutzsuchend an seine Seite schmiegt. »Und deshalb, Liebes, werden wir so schnell wie möglich heiraten. Oder sträubst du dich immer noch? Weiß man denn, was der nächste Tag uns bringt? Ich habe das Junggesellenleben satt, bis zum Überdruß, und Susanne braucht eine Mutter. Wir brauchen keine große Hochzeit zu machen, Annemarie. Mein Haus wartet auf dich, ich warte und Susanne auch.«

      Er nimmt sein Taschentuch und trocknet ihre tränennassen Wangen.

      »Nun?« Er nimmt ihr Gesicht in seine Hände und sieht sie ernst und eindringlich an.

      »Ach, Liebster, jetzt verlangst du von mir eine Entscheidung, ausgerechnet jetzt –«

      »Ja, Kind, ausgerechnet jetzt.« Er drückt ihr einen Kuß auf die Lippen. »Gibt dir die Sache mit Marina nicht zu denken? Keinen Tag sollte man versäumen, miteinander glücklich zu sein. Wie schnell kann das Glück vergehen. Manchmal durch unsere eigene Schuld, meist aber durch irgendwelche Schicksalsschläge. Immer noch Bedenken?«

      Sie schüttelt den Kopf und lehnt sich wieder gegen ihn. »Ich tue alles, was du willst.«

      Er reißt sie in eine stürmische Umarmung.

      *

      Albert Gellert hat schon gar nicht mehr auf die Uhr gesehen. Als sich die Tür öffnet und Professor Eickberg mit Professor Wendler eintritt, hat seine Spannung ihren Höhepunkt erreicht.

      Er ist nicht fähig, den Herren einen Schritt entgegenzugehen. Was bringen sie ihm für eine Nachricht? Gibt es für ihn und Marina noch einmal ein gemeinsames, glückhaftes Leben?

      »Sie können zu Ihrer Gattin gehen«, sagt Professor Eickberg. »Wir haben getan, was wir konnten. Noch ist die Lebensgefahr nicht gebannt. Wir rechnen mit dem Lebenswillen Ihrer Gattin. Bleiben Sie bei ihr. Es wird gut sein, wenn sie Sie erblickt, sobald sie aus der Narkose erwacht. Eine Krankenschwester schicke ich Ihnen heute noch.«

      Gellert erschrickt, als er in das wächserne, stille Antlitz der geliebten Frau blickt.

      Er preßt die Hände zusammen. Marina lebt, und er wird dafür sorgen, daß sie am Leben bleibt.

      Von diesem Augenblick an verläßt er das Krankenlager Marinas nur selten. Nichts hat mehr Bedeutung für ihn, nur die geliebte Frau beherrscht sein Denken und Handeln.

      Zusammen mit Frau von Reimar sorgt Annemarie dafür, daß er wenigstens etwas zu sich nimmt. Sie ist immer noch im Hause, und sie hat ihrem Verlobten die Zustimmung abgebettelt, daß sie solange bleiben darf, bis Marina außer Gefahr ist.

      Gellert stört es nicht, daß eine erfahrene Schwester im Zimmer seiner Frau aus und ein geht. Man merkt sie kaum, sie waltet im Hintergrund in einer wohltuenden, lautlosen Art.

      Marina ist durch ein Meer von Schmerzen gewatet. Sie kämpft mit dunklen Mächten, die sie immer wieder in den Abgrund ziehen wollen. Aber sie will nicht, ihr gesunder Lebenswille lehnt sich dagegen auf.

      Mit Spannung beobachtet Gellert die geliebte Frau. Die wachsbleiche Farbe ist verschwunden. Die Lider beginnen zu flattern. Er spürt, daß sie dicht vor dem Erwachen steht, daß sie aber nicht die Kraft hat, sich aus ihrer Bewußtlosigkeit zu lösen.

      Und er kann nichts dazu tun. Ohnmächtig muß er zusehen, wie sie sich quält: Er hält ihre Hand umspannt. Er möchte ihr von seiner Kraft einen Teil abgeben, damit sie endlich die Lider öffnet.

      »Marina! Marina – hörst du mich?« Ganz nahe bringt er seinen Mund zu ihrem Ohr. »Marina!«

      Hilfesuchend sieht er sich nach der Schwester um, die am Fußende des Bettes steht. Sie zuckt ratlos mit den Schultern.

      »Können Sie nicht helfen? Sie muß doch endlich aufwachen.« In seiner Stimme liegt helle Verzweiflung.

      »Rufen Sie sie noch einmal.«

      »Marina! Marina – hörst du mich?«

      Die Augenlider bewegen sich, die Wimpern flattern. Ein lauschender Ausdruck liegt auf ihren Zügen, als würde sie seiner Stimme nachsinnen. Und da kommt ihm eine irrsinnige Idee, geboren aus der Verzweiflung, aus dem Wunsch, ihr zu helfen, sie herauszureißen aus dem Dunkel, in dem sie gefangen ist.

      Er wendet sich an die Schwester und bittet sie, Frau von Reimar zu rufen. Im Handumdrehen kehrt sie mit ihr zurück. Frau von Reimar wirft einen schnellen, besorgten Blick auf die reglose Gestalt in den weißen Kissen, dann hört sie aufmerksam zu, was Gellert ihr erklärt.

      Sie ist maßlos erstaunt über den Auftrag. Doch seit dem Unglück ist der Generaldirektor so verändert, daß sie sich eigentlich über gar nichts mehr wundern dürfte.

      Felix erscheint und baut auf, was Gellert von der Klinik aus bestellt und auf der Fahrt zu seinem Haus abgeholt hat.

      Einen Radioapparat aus hellem Edelholz und dazu einen Plattenspieler. Als alles fertig ist, legt Felix die Schallplatte auf, die Gellert bestellt hat. Es ist eine Original-Aufnahme des Sängers, den sie gemeinsam im Konzertsaal hörten.

      Es ist ein Experiment, das er wagt. Er schickt alle fort. Nur er und die geliebte Frau sind noch im Zimmer.

      Bald erklingt die Musik, eine Melodie, die ihnen zur Schicksalsmelodie geworden ist. Und eine Stimme von bezwingender Kraft:

      »Du bist die Welt für mich,

      Ich lebe nur für dich,

      Für dich allein.

      Du bist mein lachender Mai,

      Und gehst du,

      ist mein Frühling vorbei.

      Du bist die Welt für mich,

      Und mein Gebet, es spricht:

      Ich liebe dich.«

      Gellert hat den Oberkörper vorgebeugt. Marinas Hand hält er fest. Keinen Blick läßt er von dem süßen Gesicht. Mit Spannung wartet er auf eine Veränderung in den bewegungslosen Zügen.

      Marina träumt. Sie schwebt auf einer Wolke dahin, immer höher und höher. Auf einmal merkt sie, daß es gar keine Wolke ist, die sie fortträgt. Töne sind es, Musik, die anschwillt und wieder leiser wird. Und diese Musik trägt sie empor, empor zu einer Höhe voller Licht und Glanz.

      Wo hat sie die Musik schon gehört?

      Sie grübelt, und auf ihrer Stirn bildet sich eine Falte. Mit Herzklopfen bemerkt Gellert sie. Sie reagiert. Sie hört die Musik.

      Der Sänger singt weiter, schmelzend und atemberaubend schön. Das ganze Zimmer ist angefüllt mit Tönen, die Marina einhüllen, die in ihr Bewußtsein dringen, so intensiv, daß sie versucht, die Augen zu öffnen. Immer wieder nimmt sie Anlauf.

      Das Wunder, auf das Gellert gewartet hat, geschieht. Marina schlägt die Augen auf. Ohne sich zu rühren, lauscht sie. Wo ist sie? Sitzt sie im Konzertsaal? Ist der Mann im Parkett, den sie vom ersten Sehen geliebt hat? Wie genau sie sich auf alles besinnen kann!

      Ihre Augen wandern umher. Wie kommt sie in dieses Zimmer? Warum liegt sie im Bett? Schlagartig wird es hell in ihr. Sie ist ja Alberts Frau. Sie liebt


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