Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman. Karin Bucha

Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman - Karin Bucha


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richtete sie sich halb in den Kissen auf.

      »Was macht mein Kind, meine Leonore?« Ganz unbewußt klammerte sie sich an Nikolaus’ Hand, preßte sie mit schwacher Kraft. »Sie wollen mir gewiß von Leonore erzählen. Bitte, reden Sie.«

      »Leonore?« wiederholte Nikolaus, und ein gewinnendes Lächeln stand um seinen Mund. »Können Sie eine große Freude vertragen?«

      »Eine Freude?« Petra hätte aufschreien mögen. »Leonore!« Es war, als ob das über sie dahinströmende Glücksgefühl ihr alle Kraft nehmen wollte.

      Matt sank sie wieder in die Kissen zurück, richtete aber die Augen groß und erwartungsvoll zur Tür.

      Eine in Schwarz gekleidete Frau trat ein und führte Leonore an der Hand.

      Ganz vorsichtig setzte die Kleine die Füße vorwärts, trat nur zaghaft auf, damit sie ja die kranke Mami nicht störte.

      Sehnsüchtig breitete Petra die Arme aus, weit – ganz weit.

      »Lorchen… Lorchen!«

      Das liebliche Kindergesicht war ganz blaß vor Aufregung. Kaum hatte der sehnsüchtige Ruf der Mutter ihr Ohr erreicht, war die Mahnung Tante Beates vergessen. Mit einem Jubellaut stürzte Leonore auf das Bett zu, in die ausgebreiteten Arme Petras.

      »Mami, meine süße Mami!« jubelte das Kind und bedeckte das Gesicht der Mutter mit unzähligen Küssen.

      »Lorchen, mein Liebling!«

      Petra hielt Leonore ein Stück von sich ab und schaute ihr prüfend in die klaren, leuchtenden Augen. Wieviel Liebe von diesem kleinen Kinderkörper auf sie überströmte, wieviel kindliche Freude ihr entgegenstrahlte.

      Beate Eckhardt wurde es ganz feierlich ums Herz. Sie wechselte einen raschen, verständnisinnigen Blick mit dem Neffen und las aus seinen Augen die gleiche innere Bewegung.

      »Papi ist auch da – und die gute Tante.« Leonore drehte sich flink um und wies mit der Hand auf die beiden stillen, abseits stehenden Gestalten.

      »Kommt nur her«, ermunterte sie.

      Petra schlang ungestüm beide Arme um das Kind.

      »Aber Leonore, wo soll denn Papi sein?«

      Der Schmerz über Leonores Ahnungslosigkeit preßte ihr das Herz zusammen.

      Bestürzt begegnete sie Nikolaus’ Blick. Er hob ratlos, wie um Entschuldigung bittend, die Achseln, und Petra barg im jähen Verstehen ihren Kopf an der Brust des Kindes und weinte lautlos in sich hinein.

      »Nicht weinen, Mami, bitte nicht weinen, dann wird Lorchen ganz traurig«, hörte sie die helle Stimme der Kleinen in weinerlichem Ton.

      Unbeholfen, mit dem Wunsch zu trösten, fuhren die zierlichen Kinderhände über die Wangen.

      »Nein, Lorchen, Mami weint nicht mehr«, sagte Petra gepreßt und versuchte ein Lächeln. Es nahm sich seltsam genug in dem verhärmten Frauenantlitz aus. Nur die Lippen lächelten, die Augen waren tiefernst und von erschütternder Traurigkeit.

      Scheu sah sie sich jetzt nach der dunkelgekleideten Frau um.

      Beate nickte Petra herzlich und mütterlich zu. Sie hatte scharf beobachtet und wußte, daß sie gütigen Zuspruchs bedurfte.

      »Mich kennst du wohl noch nicht?«

      Sie stellte sich neben das Kind und strich der Kranken das wirre Haar aus der Stirn. »Ich bin Tante Beate, Nikolaus’ und Josts Tante –«

      »Und wo ist Leontine?« forschte Petra zaghaft. Sie ließ keinen Blick von den guten, treuen Augen Beate Eckhardts, und deren Erschrecken entging ihr nicht.

      Bitterkeit wallte in ihr auf.

      »Ich weiß, Tante Beate.« Wie selbstverständlich kam die vertrauliche Anrede über ihre Lippen. »Ich weiß nun alles.«

      Beate Eckhardt strich mit zarten Fingern über die samtene Haut der Wangen.

      »Petra, nicht um die Zukunft sorgen«, raunte sie. »Es wird alles wieder gut und schön werden.«

      Petra rührte sich nicht. Aber ihr Mund zuckte.

      Die Schwester stand plötzlich neben Beate Eckhardt.

      »Sie müssen die Kranke nun verlassen«, sagte sie sanft, aber bestimmt. »Frau Eckhardt hat Fieber. Sie braucht jetzt unbedingt vollkommene Ruhe.«

      Nikolaus nahm behutsam die schmalen, kraftlosen Finger Petras in seine Hand und versprach:

      »Morgen bin ich wieder bei Ihnen, Petra!«

      *

      Am nächsten Morgen gegen elf Uhr war Nikolaus Eckhardt wie versprochen wieder zur Stelle.

      Er fand Petra gänzlich verändert und mit blanken, hoffnungsvollen Augen vor.

      Ohne Scheu streckte sie ihm die zarte Hand entgegen, die er verlegen an seine Lippen führte.

      »Wissen Sie auch, daß ich Ihnen bitter Unrecht getan habe?« fragte sie und versuchte, die Verlegenheit, die zwischen ihnen schwang, zu überbrücken. »Sie sind so gut. Schon daß Leonore Sie für ihren Vater hält, spricht für Sie.«

      Gerührt neigte Nikolaus sich etwas vor.

      »Wollen wir nicht du zueinander sagen, Petra?«

      »Gern«, sagte sie einfach.

      Seltsam feierlich und viel ernster als gestern kam ihr Nikolaus vor. So vertraut war er ihr, als kenne sie ihn schon sehr lange.

      »Petra«, begann er nach einer ganzen Weile und riß sich gewaltsam von dem feingeschnittenen Antlitz los, das so wechselvoll im Ausdruck war, daß er meinte, die Gedanken stünden ihr auf der Stirn geschrieben.

      Erwartungsvoll und voll Vertrauen hob sie den Blick zu ihm auf.

      »Du kannst mir alles sagen, Nikolaus. Nichts ist schrecklicher als Ungewißheit.«

      »Warst du immer restlos davon überzeugt«, sprach er, sich aufraffend, »daß mein Vater allein deinetwegen Jost fallenließ? Hast du nicht manchmal das Gefühl gehabt, daß

      es noch andere Gründe sein könnten?«

      »Andere Gründe?« wiederholte sie ungläubig. Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe immer angenommen, daß nur ich zwischen Jost und seinen Eltern stand.«

      »Glaubst du nicht auch, daß man einen Menschen, den man besonders lieb hat, durch Härte an sich fesseln möchte?«

      Petra dachte angestrengt nach. Eine tiefe Falte stand zwischen den feingeschwungenen Brauen.

      »Ich kann mich nicht recht in deinen Gedankengang versetzen. Ich weiß nur, daß ich mein Kind niemals fallenlassen könnte. Und wenn es den Weg des Verbrechens betreten würde. Es bliebe in meinem Herzen immer mein geliebtes Kind.«

      Ein heller Schimmer stand in Nikolaus’ Augen.

      »Siehst du, Petra, nun sprichst du es aus. Tief im Herzen hat mein Vater Jost sehr geliebt und sich heimlich nach ihm gesehnt. Auch die Heirat, die einst so viel Staub und Ärgernis aufwirbelte, hat er ihm verziehen. Leider zog das Schicksal hier einen Strich. Jost sollte es nicht mehr erfahren… «

      Ein Zittern lief über Petras schlanke Glieder.

      »Du sprichst so seltsam. Hast du etwa Beweise dafür?«

      »Ja, die habe ich.« Nikolaus atmete tief und schwer. »Mein Vater ist tot – starb kurz vor Jost an einem Herzschlag. In seinem letzten Willen hat

      er sich alles von der Seele geschrieben, was ihn im Leben quälte. Willst du das Schriftstück lesen, fühlst du dich stark genug? Es kann ja auch sein – «

      »Ich will alles wissen«, kam es entschlossen aus ihrem Mund.

      Sekundenlang lehnte sie sich weit zurück. Sie hörte das Rascheln von Papier und fühlte, wie Nikolaus ihr etwas auf die Bettdecke legte.


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