PAPA m.b.H.. Christoph Falbl

PAPA m.b.H. - Christoph  Falbl


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grüß Sie, Frau Pospischil! Jetzt hab ich Sie gar net ... weil Sie so tief und weit unten ... Was machen Sie da überhaupt?«

      »Guten Morgen, Herr Fälbl. Was sind Sie denn so durcheinander?«

      »Na ja, wissen Sie ... mei’ Mädl ...«

      »Was ist passiert?«

      »Nix. Also doch! Natürlich! Es ist was passiert. Die Marita ist g’rad ausgezogen. Meine Tochter.«

      »Was? Die kleine Rita? Ausgezogen?«

      »Genau. Und deshalb bin ich leicht ... dings.«

      »Jo, es ist halt so, na ... so ist das Leben ... Da kann man nix machen.«

      »Oh doch! Da kann man schon was machen. Ich als Vater könnte zum Beispiel ...«

      »Nix könnten Sie. Vergessen Sie es. Und, wo wohnt sie jetzt?«

      »Na wo?! Was glauben Sie? Weit weg. Noch dazu zusammen mit ihrem Freund.«

      »Schön. Wie heißt er denn?«

      »Wer?«

      »Na, ihr Freund.«

      »Ah, der. Hab ich vergessen. Weiß ich nicht.«

      »Also wie jetzt?«

      »Trottel!«

      »Hören S’ auf.«

      »Bitte sehr. Auf Wiedersehen.«

      Blöde, alte Funz’n.

      Ich war schon in der Küche, als ich noch immer diese dämliche Frage als Nachhall im Hirn hatte: »Und, wo wohnt sie denn jetzt? Wo wohnt sie denn? Wo wohnt sie denn?«

      Als ob ich schlechter wäre als ihr Freund, der Vollkoffer. Ihr Freund, wie heißt der noch schnell? Freund.

      Und mit wem ist sie zum ersten Mal geschwommen? Mit mir oder mit ihrem Freund? Mit wem ist sie zum ersten Mal auf den Skiern gestanden? Mit mir oder mit ihrem Freund? Und wer hat ihr das Radfahren beigebracht? Ich oder ihr Freund?!

      Jessas na! Das war was ... das Radfahren ... als sie den Zahn verloren hat.

      Meine Frau weiß es bis heute nicht. Na, dass es meine Schuld war. Also Schuld? Man kann doch nicht von Schuld sprechen. Ich hab sie nur angeschoben. Und weil es dort a bisserl bergab ging, ist sie halt immer schneller und schneller geworden. Das war auch gut so. Jeder weiß: Je schneller man mit einem Radl fährt, desto weniger leicht kippt man um. Und desto schneller fährt man in die Mülltonne. Warum war die überhaupt dort? Der blöde Mistkübel. Eine Mülltonne gehört nicht auf den Gehsteig. Außer am Dienstag. Und da auch erst in der Früh! Aber ganz sicher nicht schon am Montagabend. Unsere Nachbarn waren so was von rücksichtslos.

      Meiner Frau haben wir erzählt, dass der Zahn beim Eisessen rausgefallen ist. Er hat eh schon gewackelt. Unglaublich, wie das Mädel schon damals knallhart ein G’schichterl druck’n hat können. Ohne mit der Wimper zu zucken. Ich hab die ganze Nacht nicht geschlafen. Die Rita – ohne Zahn, aber mit großer Lücke und trotz Unfall und falschem Alibi für den Papa – wie immer gut. Die kommt halt nach mir: schläft wie eine Tote und schnarcht wie ein Großer.

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      Die Einschlafmethode

      Der Emil nicht. Jessas na, der Emil, mein Herr Sohn. Der hat immer so schlecht geschlafen. Des war ein Tschoch. Er war jede Nacht mindestens fünfmal wach. Da musst du sechsmal aufstehen. Beim sechsten Mal bist dann schon so drin, dass du nach einer Stunde automatisch wieder aufstehst. Obwohl das Kind gar nicht mehr schreit. Und dann kannst du natürlich nicht mehr einschlafen. Hat mir meine Frau gesagt.

      Aber, Gott sei Dank, gab es damals eine sehr gute, eine fast weltberühmte Einschlafmethode. Ich war ganz begeistert, als ich davon gelesen habe, und hab sofort gewusst – das ist es! Das ist was für mich.

      Und die geht so ... die Einschlafmethode. Wie war das noch schnell? Also: Wenn das Baby schreit, geht man ins Kinderzimmer und sagt: »Es ist alles in Ordnung, der Papa ist da, mach dir keine Sorgen, schlaf.«

      Dann geht man aus dem Zimmer wieder raus, und falls das Baby immer noch schreien sollte, wartet man eine Minute und wiederholt danach die ganze Prozedur. Und zwar so lange, bis das Baby irgendwann von selber einschläft. Eines darf man aber nicht vergessen: Die Wartepausen müssen immer verlängert werden. Und man darf das Kind natürlich nie aus dem Bettchen rausnehmen. Das wäre ein ganz großer Fehler. Na? Ist die nicht toll?! Die Einschlafmethode! Sag ich ja.

      Ich hab mich also schon richtig darauf gefreut, sie endlich ausprobieren zu können. Nur hab ich nicht bedacht, dass mein Sohn mein Sohn ist. Die folgenden zwei Nächte hat er wunderbar geschlafen! Kein Mucks, kein gar nix. Typisch.

      Ich war dann schon richtig bös: »Warum schreist denn nicht?! Ich hab da eine super Einschlafmethode und du pennst wie ein polnischer Gastarbeiter nach einem ganzen Tag auf der Baustelle.«

      In der dritten Nacht hab ich’s nicht mehr ausgehalten. Ich bin ganz leise aufgestanden, ins Kinderzimmer gegangen, hab vorsichtig die Tür aufgemacht und laut geniest.

      Keine Reaktion.

      Ich war etwas enttäuscht und wollte schon meine Nieserei fortsetzen, als das Kind plötzlich erwachte und zu schreien anfing. Na endlich! Er schreit! Wunderbar! Herrlich! Braver Bub! Überglücklich habe ich die Schreiorgie kurz genossen, um dann endlich sagen zu können: »Es ist alles in Ordnung. Der Papa ist da. Mach dir keine Sorgen. Schlaf.«

      Dann hab ich sein Zimmer verlassen. Im Vorzimmer hab ich voll Glück und Freude über das immer noch schreiende Baby gewartet. Ich feuerte es sogar in Gedanken an. Danach bin ich wieder ins Kinderzimmer gegangen und sagte fast genauso wie beim ersten Mal, aber doch nicht mehr ganz so rund: »Es ist alles in Ordnung, gell, der Papa ist da, mach dir keine Sorgen, schlaf schön.«

      Dann bin ich wieder raus aus dem Kinderzimmer und wartete. Diesmal aber versuchte ich die Zeit mit Wassertrinken und mit einigen Tanzschritten (ich tanze nämlich sehr gut – obwohl ich gleich bei der ersten Folge der Dancing Stars-Staffel rausgeflogen bin) totzuschlagen. Dann ging ich wieder zu meinem, immer noch furchtbar schreienden, Baby und sagte schon ein bisserl ungeduldig: »Pass auf: Es ist eh alles in Ordnung. Ja, der Papa ist eh da, mach dir keine Sorgen und schlaf. Bitte!«

      Danach ging ich schnell raus. Ich war jetzt schon etwas nervös. Damals entdeckte ich auch, dass man es durchaus schaffen kann, sich gleichzeitig die Ohren zuzuhalten und auf die Uhr zu schauen. Als ich danach ins Kinderzimmer kam, sprach ich schon in einem etwas gereizteren Ton: »Hearst, bist deppat? Es ist doch alles paletti! Ich bin eh da, mach dir keine Sorgen – was hast denn du schon für Sorgen in deinem Alter? Hackl mal was, heirat’ und dann kannst Sorgen haben. Schlaf jetzt!«

      Ich bin aus dem Kinderzimmer rausgelaufen und zündete mir sofort eine Zigarette an. Die hab ich dann in einem solchen Höllentempo geraucht, dass ich fast den Filter geschluckt hätte. Danach war ich erledigt, deprimiert und verzweifelt. Sollte ich vielleicht mit dem Rauchen Schluss machen? Nein. Ich stürzte zurück ins Kinderzimmer und fing an mit Tränen in den Augen das Baby anzuflehen: »Schau, bitte, es ist wirklich alles in Ordnung. Alles ... wirklich ... Der Papa ist da und ich schwör’s dir, du brauchst dir gar keine Sorgen zu machen, schlaf a bissi, bitte!«

      Ich stand bewegungslos im Vorzimmer und starrte dabei auf einen Punkt an der Wand. Dabei bemerkte ich, wie schirch sie ist, die Wand. Wir sollten wieder mal ausmalen. Es muss hier heller, fröhlicher sein. Und plötzlich hatte ich die Idee. Ich bin sofort ins Kinderzimmer gegangen und hab versucht unglaublich lustig zu sein.

      Ich fürchte nur, meine damalige Lustigkeit war nicht ganz echt. Sie hatte leichte Tendenzen zu Hysterie und Aggressivität. »Halli, hallooo! Wie ich sehe, ist hier alles in bester Ordnung und der Humpa Dumpa Schokoladeneisverkäufer ist da. Der lustige und liebe Papa. Also, mein Schatzi, mach dir gar keine Sorgen und jetzt kuschle


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