PAPA m.b.H.. Christoph Falbl

PAPA m.b.H. - Christoph  Falbl


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nicht machen durfte. Alles, was verboten war. Her damit.

      Da ich aber natürlich keine Zigaretten zu Hause hatte, bin ich runter zu meiner Trafik gegangen. Den Trafikanten kannte ich schon seit vielen Jahren und wir haben auch schon oft, mit langen und hochgeistigen Diskussionen, die wichtigsten Probleme dieser Welt gelöst. Diesmal, als ich ihm meine väterlichen Ängste und Enttäuschungen über den Auszug meiner Tochter mit dem hinigen Freund geschildert habe, hat er auch mir sein Herz ausgeschüttet.

      »Wissen Sie, davor zittere ich jetzt schon, obwohl meine Buben noch in die Schule gehen. Ich habe Angst, dass die beiden eines Tages heiraten, eigene Familien gründen und ihren alten Papi komplett vergessen werden.«

      »Ja. Und dann bleiben Sie zu Hause. Alleine. Nur mit der Gattin.«

      »Das ist wieder das Positive dran.«

      »Wie meinen Sie das?«

      Ich verstand ihn wirklich nicht – was könnte daran positiv sein?

      »Na ja, ich freue mich schon sehr auf die Zeit, die ich nur mit meiner Frau verbringe.«

      »Und wie lange sind sie schon verheiratet?«

      »Seit über 20 Jahren. Und glücklichst! Es geht mir so gut, dass meine grauen Haare beginnen schon wieder dunkel zu werden.«

      »Und das nach über 20 Jahren Ehe?«

      »Ja. Und es wird auch immer besser.«

      »Wie machen Sie das?«

      »Schauen Sie, wir wohnen in Kuchl.«

      »Habt ihr keine Zimmer?«

      »Nein, nicht in der Kuchl, sondern in Kuchl ... bei Hallein.«

      »Ach jaaa ... Aber Sie haben doch Ihre Trafik hier in Wien?«

      »Ja. Diese Trafik war immer unser Lebenstraum.«

      »Ja, aber ... wie soll das funktionieren? Kuchl ... Wien ... jeden Tag?«

      »Es ist ganz einfach. Ich stehe um 23.00 Uhr auf. Esse mein Frühstück. Das Frühstück mache ich mir selber, weil meine Frau um die Zeit noch nicht zu Hause ist. Ich muss dabei immer sehr leise sein, weil die Kinder schlafen. Dann, nach dem Frühstück – so gegen 23.30 Uhr – gehe ich zum Bus, der mich nach Fuschl bringt. Von dort fahre ich mit dem Regionalzug nach Vöcklabruck in Oberösterreich. In Vöcklabruck warte ich 45 Minuten, und zwar auf den Schnellzug, mit dem ich direkt nach Wien fahre. Am Westbahnhof bin ich um 04.30, esse dort mein Mittagessen und dann fahr ich mit dem letzten Nachtbus in den 6. Bezirk. Vom Sechsten gehe ich zu Fuß in den Vierten und dort erwisch’ ich schon die erste U-Bahn, die mich direttissima hierher bringt, wo meine Trafik auf mich wartet.

      Ich arbeite, wie Sie wissen, von 06.00 bis 12.00, dann fahre ich mit der U1 zum Stephansplatz und von dort mit der U3 bis zum Westbahnhof, wo ich so gegen 12.30 Uhr zu Abend esse. Um 13.18 fahr ich nach Vöcklabruck, warte am Perron 37 Minuten auf den Regionalzug nach Fuschl und von dort – zack – mit dem Bus nach Kuchl. Dann gehe ich zur Schule, hole die Kinder vom Hort ab und eine Dreiviertelstunde später samma schon zu Hause. So gegen 18.30 Uhr. Meistens gehe ich dann gleich schlafen, weil ich a bisserl müde bin.

      Um 23.00 Uhr stehe ich auf, ganz leise, weil die Kinder noch schlafen, gehe duschen und esse mein Frühstück. Das Frühstück mach ich mir selber, weil meine Frau um die Zeit noch nicht zu Hause ist ...«

      Das war mir zu viel und deshalb fragte ich ganz neugierig: »Wo ist sie, also Ihre Frau, denn so spät ... ich meine so früh?«

      »Im Zug. Sie arbeitet doch auch hier, in unserer Trafik. Am Nachmittag, bis 18.00 Uhr. Dann fährt sie zum Westbahnhof, frühstückt so gegen 18.40 und nach einer kurzen Wartezeit ...«

      »Moment ... eine Sekunde ... Wie lange haben Sie eigentlich schon die Trafik?«

      »Genau 20 Jahre.«

      »Ja ... und die Kinder?«

      »Die sind neun und elf.«

      »Ja, ja, aber wie? Wie haben Sie und Ihre Frau? Ich meine wann?«

      »Wir haben uns zwei Mal in Vöcklabruck am Bahnhof getroffen.«

      Ich weiß nicht mehr, ob ich dann noch was gesagt habe. Doch. Ich sagte: »Schön. Danke. Auf Wiedersehen. Und grüßen Sie Ihre Frau von mir.«

      Ich nahm meine Zigaretten, ging raus auf die Straße und dachte: Das ist Liebe! Davon träumen doch so viele. Und der kleine Trafikant hat es einfach zu Hause. Oder in Fuschl. Oder in Vöcklabruck. Das ist doch fantastisch!

      Fast mit Tränen in den Augen holte ich mein Handy aus der Hosentasche und hab sofort meine Tochter angerufen.

      »Hallo?! ... Ritachen? ... Du ... ich wollte ... was heißt wer??? ... Papa, dein Papi ... und ich wollte nur ... Was? ... ja, wir haben uns g’rad gesehen, aber ... ich hab dir nie gesagt, dass ... aha ... du hast es eilig ... OK ... ich ruf dich dann später an ... Baba.«

      Sie braucht mich nicht mehr. Das ist die Strafe.

      Ich hab mir sofort eine Zigarette angezündet.

      Erster Zug – herrlich!

      Meine Rita braucht mich nicht mehr. Meine Rita!

      Mein Gott, wie sie so winzig und hilflos auf dem Wickeltisch gelegen ist und ich völlig fertig, verschwitzt und mit zitternden Händen mit den Windeln vor ihr gestanden bin. Ich hatte doch keine Ahnung, wie man das Klumpert auf dem kleinen Popscherl installiert.

      Das war eine schöne Zeit.

      War es eine schöne Zeit?

      Mit den angeschissenen Windeln?

      Ich weiß nicht.

      Zweiter Zug – noch besser!

      Wenn mir jemand sagt, dass das süße Babykacki, das kleine Kakarella, nicht stinkt, dann hat er die Scheiße meiner Kinder noch nie vor der Nase gehabt. Was heißt »vor der Nase«?! Im Umkreis von fünf Kilometern!

      »Bitte?«

      Vor mir stand ein Mann, den ich gar nicht kannte.

      »Was ›bitte‹?«

      »Na, Sie haben plötzlich geschrien ›im Umkreis von fünf Kilometern‹!«

      »Ah so ... entschuldigen Sie, aber ... ich war so in Gedanken.«

      »Ich verstehe.«

      »Weil die Kinder ... sagen Sie ... kennen Sie das, wenn das Kind nicht alleine aufs Klo gehen will, weil es Angst hat oder weil es ihm einfach nur fad ist?«

      »Oh ja. Das kenn ich sogar sehr gut. Man muss dann mitgehen und warten eine Ewigkeit in dem ...«

      »In dem, was man ›im Umkreis von fünf Kilometern‹ riechen kann. Genau.«

      »So lange kann man gar nicht die Luft anhalten ...«

      »... und da helfen auch keine Gasmasken, weil sie ja auch unbedingt dabei plaudern wollen, die kleinen, süßen Kinder.«

      »So ist es. Es dauert eine Ewigkeit, bis der erlösende Satz kommt.«

      Die nächsten Worte sprachen der Mann und ich automatisch gemeinsam und völlig synchron: »Fertig, auswischen!«

      So entstehen große Männerfreundschaften.

      »Es war nett, Sie kennenzulernen.«

      »Ganz meinerseits.«

      Und dann gingen wir wieder jeder in seine Richtung.

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