Schöne Gedichte. Joachim Ringelnatz

Schöne Gedichte - Joachim  Ringelnatz


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der Kater

      Hui! Die Rakete stieg. Sie fauchte

      Am Dach vorbei und höher. Glühend jung.

      Bis sie in wundervollem Linienschwung

      In ferne, dunkle Abendwolken tauchte.

      Auf jenem Dache saß ein schwarzer Kater.

      Der sah die schöne Linie, und was tat er?

      Zunächst: er fauchte ebenfalls.

      Dann dehnte er sich, reckte seinen Hals.

      Dann krümmte er den Buckel, hob ein Ohr

      Und streckte seinen Schweif graziös empor,

      Um jene schöne Linie nachzumachen.

      Doch die Rakete oben barst vor Lachen.

      Da warf sich unser schwarzer Kater

      Wild auf den Rücken. Und was tat er?

      Was tat er, außer sich vor Wut?

      Nun, was man sonst gewöhnlich nicht

      Gerade auf dem Rücken liegend tut.

      Er tat es kräftig, tat es reichlich, gut;

      Er hatte kurz zuvor zu Haus

      Zwei Babyflaschen ausgesogen.

      Doch jenen herrlichen Raketenbogen – –

      Nein, nein, den kriegte er nicht raus.

      Heimatlose

      Ich bin fast

      Gestorben vor Schreck:

      In dem Haus, wo ich zu Gast

      War, im Versteck,

      Bewegte sich,

      Regte sich

      Plötzlich hinter einem Brett

      In einem Kasten neben dem Klosett,

      Ohne Beinchen,

      Stumm, fremd und nett

      Ein Meerschweinchen.

      Sah mich bang an,

      Sah mich lange an,

      Sann wohl hin und sann wohl her,

      wagte sich

      Dann heran

      Und fragte mich:

      »Wo ist das Meer?«

      Dickhäuter

      Ein Elefant von vorn sieht fast

      So aus wie ein Nilpferd von rückwärts.

      Sie tragen beide schwere Last,

      Manchmal pechwärts und manchmal glückwärts.

      Sic tragen unter zementiger Haut

      Viel Weiches und viel Zartes.

      Wer richtig in ihren Rachen schaut,

      Gewahrt es.

      Sie lassen von Leuten, die außen weich,

      Innen hart sind, sich erschießen.

      Ich glaube: Ihr kommt ins Himmelreich,

      Ihr Riesen!

      Der Flieger, der die Erde umkreist,

      Kriegt ähnliches in Sicht.

      Wie die Fliege, die euch belästigt, nicht beißt,

      Beißen kann sie euch nicht.

      Stalltüren

      Zwei dicke Elefanten

      Wollten inkognito

      Heimwandern. Doch alle Passanten

      Erkannten die Elefanten

      Als Flüchtlinge aus dem Zoo.

      Und wenn sich auch niemand getraute,

      Sie anzufassen, ward ihnen doch klar,

      Daß man ihre Absicht durchschaute

      Und daß nun bald was im Gange war.

      Verfolgt von einem großen Heer

      Von Schauvolk und Soldaten

      Und Autos, Mob und Feuerwehr,

      Schwenkten sie links und betraten

      Zwei Eingänge einer Bedürfnisanstalt –

      Für Herren und für Damen –

      Und äpfelten. – Schutzleute kamen

      Und haben sie niedergeknallt.

      Bär aus dem Käfig entkommen

      Was ist nun jetzt?

      Wo sind auf einmal die Stangen,

      An denen die wünschende Nase sich wetzt?

      Was soll er nun anfangen?

      Er schnuppert neugierig und scheu.

      Wie ist das alles vor ihm so weit

      Und so wunderschön neu!

      Aber wie schrecklich die Menschheit schreit!

      Und er nähert sich geduckt

      Einem fremden Gegenstande. –

      Plötzlich wälzt er sich im Sande,

      Weil ihn etwas juckt.

      Kippt ein Tisch. Genau wie Baum.

      Aber eine Peitsche knallt.

      Und der Bär flieht seitwärts, macht dann halt.

      Und der Raum um ihn ist schlimmer Traum.

      Läßt der Bär sich locken. Doch er brüllt.

      Läßt sich treiben, läßt sich fangen.

      Angsterfüllt und haßerfüllt

      Wünscht er sich nach seines Käfigs Stangen.

      Blindschl

      Ich hatte einmal eine Liebschaft mit

      Einer Blindschleiche angefangen;

      Wir sind ein Stück Leben zusammen gegangen

      Im ungleichen Schritt und Tritt.

      Die Sache war ziemlich sentimental.

      In einem feudalen Thüringer Tal

      Fand ich – nein glaubte zu finden – einmal

      Den ledernen Handgriff einer

      Damenhandtasche. Es war aber keiner.

      Ich nannte sie »Blindschl«. Sie nannte mich

      Nach wenigen Tagen schon »Eicherich«

      Und dann, denn sie war sehr gelehrig,

      Verständlicher


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