Butler Parker 153 – Kriminalroman. Günter Dönges

Butler Parker 153 – Kriminalroman - Günter Dönges


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tion> Butler Parker – 153 –

      »Seien Sie nicht albern, Robert«, mokierte sich Lady Agatha und lachte geringschätzig, »Hexenkunst und Zauberei sind doch Ammenmärchen. Sie wollen mir doch nicht einreden, daß Sie daran glauben, oder?« Die ältere Dame, groß und kräftig wie eine Walküre, lehnte sich im Sessel zurück und sah sich in der riesigen Wohnhalle des Schlosses um. Sie hielt einen Kognakschwenker in der Hand und fühlte sich außerordentlich wohl. Sie musterte die großen Wandteppiche an den Steinwänden, die alten Waffen und das massive Mobiliar. Sie ließ sich überhaupt nicht vom Regen beeindrucken, der heftig gegen die Scheiben der romanischen Fensterbogen trommelte. Und sie fuhr auch keineswegs zusammen, als einem zuckenden Blitz heftiges Donnergrollen folgte.

      Sir Robert Pundham, ein großer, hagerer Sechziger, weißhaarig und dennoch sportlich aussehend, zog unwillkürlich den Kopf ein und rutschte tiefer in seinen Sessel.

      »Hexenkunst, nicht wahr?« Lady Agatha deutete zu den Fenstern und lachte. Sie nahm einen nicht gerade kleinen Schluck aus dem Glas und fühlte sich ihrem Gastgeber auf der ganzen Linie überlegen.

      Sie war keine ängstliche Frau, ja, der Begriff Gefahr schien ihr völlig fremd zu sein. Aus einer gewissen Selbstüberschätzung heraus fühlte sie sich unangreifbar. Außerdem hielt sich Agatha Simpson für eine Kriminalistin von einmaligem Format.

      »Vor einer halben Stunde gab’s immerhin noch keine Wolke am Himmel«, meinte Sir Robert, »halten Sie mich meinetwegen für abergläubisch, Agatha, aber ich weiß, was ich gesehen habe.«

      »Nämlich?« Die Detektivin beugte sich vor und zuckte mit keiner Wimper, als plötzlich ein Fenster aufgedrückt wurde und ein Windstoß in die Halle fuhr. Das Feuer im Kamin loderte auf, Funken sprühten. Die schweren, langen Vorhänge knatterten wie Fahnen im Wind.

      »Sehen Sie doch, Agatha«, flüsterte Sir Robert und sprang auf, »das kann kein Zufall sein.«

      »Die Fensterriegel sind uralt und wohl durchgerostet, Robert«, deutete die ältere Dame diesen Zwischenfall, »läuten Sie einem Angestellten und lassen sie das Fenster schließen. Ich möchte nicht, daß Sie sich einen Schnupfen holen.«

      »Würden Mylady möglicherweise mit meiner Wenigkeit vorlieb nehmen?« war in diesem Moment Butler Parkers Stimme zu vernehmen. Er stand wie durch Zauberei seitlich hinter dem Sessel seiner Herrin und präsentierte sich in seiner ganzen Würde. Josuah Parker war etwas über mittelgroß, fast schlank und trug einen schwarzen Zweireiher. Zum schneeweißen Eckkragen hatte er einen schwarzen Binder angelegt. Er war das Urbild des hochherrschaftlichen englischen Butlers.

      »Was sagen Sie zu diesem Wetter?« fragte Lady Agatha.

      »Ein überraschendes Tief, Mylady, das die hiesige Grafschaft geradezu überfallen hat.« Parker deutete eine knappe, überaus höfliche Verbeugung an. »Wenn Mylady gestatten, wird man sich jetzt mit dem defekten Fenster befassen.«

      Sir Robert Pundham beobachtete Parker, der einige Schritte in die halbdunkle Halle zurückging und eine Leiter hob. Er stellte sie hoch und stieg würdevoll nach oben, bis er das Fenstersims erreichte. Mit wenigen Handgriffen reparierte er den Schaden.

      »Die Riegel waren verrostet, nicht wahr?« fragte die ältere Dame. »Ich wußte es doch im voraus.

      »Die Fensterriegel, Mylady, befinden sich in einem Zustand, den man nur als ausgezeichnet bezeichnen kann.«

      »Weshalb flog dann das Fenster auf?« wunderte sich Lady Agatha.

      »Beide Riegel waren geöffnet, Mylady, der leiseste Luftzug mußte sie aufdrücken.«

      »Was ich gesagt habe, Robert!« Sie nickte beifällig, war sich des Widerspruchs gar nicht bewußt und lächelte ihren Gastgeber beruhigend an.

      »Die Frage erhebt sich, wer die Riegel geöffnet haben könnte«, redete Josuah Parker weiter.

      »Klären Sie das, Mr. Parker«, bat die Detektivin, »Schlampereien soll man immer sofort auf den Grund gehen.«

      Parker verbeugte sich wieder andeutungsweise und verschwand mit der Leiter in der Tiefe der riesigen Wohnhalle. Blitze zuckten, Donner grollte. Alle Zutaten eines Horrorfilms schienen sich ein Stelldichein zu geben. Sir Robert rutschte noch tiefer in seinen Sessel.

      »Seit wann ist der Butler in Ihren Diensten?« fragte der Mann dann.

      »Seit einer Ewigkeit«, antwortete sie, »er ist recht anstellig und begabt und lernt immer noch dazu. Im Lauf der Zeit werde ich einen brauchbaren Kriminalisten aus ihm machen.«

      »Ich bin froh, daß Sie hier sind«, stellte Sir Robert Pundham fest, »irgendwie fühle ich mich plötzlich sicherer.«

      »Als ich von dieser Erscheinung hörte, Robert, hielt mich nichts mehr in London«, erwiderte Lady Agatha, »ich bin dafür berühmt, paranormale Erscheinungen zu entlarven.«

      »Darum dachte ich auch sofort an Sie, Agatha, als die Sichel zum ersten Mal auftauchte«, meinte der Gastgeber.

      »Womit wir bei dieser albernen Erscheinung sind«, stellte die ältere Dame fest, »was stelle ich mir unter dieser Sichel eigentlich vor?«

      Sir Robert wollte antworten, doch er brachte keinen Ton heraus und starrte wie hypnotisiert auf den Gegenstand, der dicht an seinem Sessel vorbeigeflogen war. Dieser Gegenstand hatte sich in einen Balken des Fachwerks gebohrt.

      »Aha«, meinte Agatha Simpson, die einen durchaus erfreuten Eindruck machte, »das also ist die Sichel! Wie auf Bestellung, mein lieber Robert...«

      Die Lady stand auf und begab sich hinüber zum Längsbalken. Dann nahm sie Ihre Lorgnette hoch, die an einer soliden Kette am Hals hing. Sie klappte die altmodische Stielbrille auseinander und musterte die antik aussehende Sichel, deren Spitze tief im Holz steckte.

      *

      »Wie finde ich denn das, Mr. Parker?« erkundigte sich Lady Agatha zehn Minuten später, nachdem Josuah Parker die Sichel in Augenschein genommen hatte.

      »Ein erstaunliches Gerät aus der Gruppe der Schneidwaren«, urteilte der Butler höflich, »nach Art und Form scheint es sich um eine Gerätschaft zu handeln, die bereits auf ein ehrwürdiges Alter zurückblicken kann.«

      »Eine Sichel, nicht wahr?« Agatha Simpson musterte sie erneut. Der Holzgriff war nur noch in Andeutungen zu sehen, der Rest des Holzes mit Sicherheit steinalt. Die Messerseite der Sichel war schartig, die Klinge verrostet.

      »Wer erfrecht sich, mit solchen Dingen herumzuwerfen?« Die Detektivin schüttelte entrüstet den Kopf. »Sir Robert wäre um ein Haar getroffen worden, von mir mal ganz zu schweigen.«

      »Darf man sich nach dem werten Befinden Sir Roberts erkundigen?«

      »Sir Robert hat sich zurückgezogen«, meinte sie etwas abfällig, »dieser junge Fant scheint keine guten Nerven zu haben.«

      Es war schon etwas gewagt, Sir Robert einen jungen Fant zu nennen, zumal Lady Agatha höchstens einige Jahre älter war als der Gastgeber.

      »War dies ein erster Anschlag, Mylady? Konnten Mylady in diesem Sinn noch eine entsprechende Frage stellen?«

      »Sir Robert war überhaupt nicht mehr ansprechbar«, erwiderte die ältere Dame, »ich hatte ihm Kognak angeboten, doch er verzichtete. Ich denke, er wird sich in seinem Zimmer eingeschlossen haben.«

      »Diese Sichel scheint eine Art Symbol darzustellen, Mylady.«

      »Natürlich, darum bat er mich ja, nach Schloß Plain zu kommen. Mr. Parker. Hier in der Gegend soll sich ein Druide herumtreiben und mit seiner Sichel drohen.«

      »Gewiß, Mylady. Nach meinen bescheidenen Ermittlungen dürfte aber Sir Robert nicht der einzige sein, der diesen Druiden gesehen haben will.«

      »Hirngespinste, Mr. Parker. Es gibt keine Geister und Gespenster. Denken Sie doch an ähnliche Fälle, die ich bereits gelöst habe! Lächerlich! Es gibt keine Spukschlösser. Und wenn es gespukt hat, dann konnte ich später immer Gauner und Gangster aus Fleisch und Blut ins Gefängnis bringen.«

      »Mylady waren gerade auf diesem Gebiet stets erfolgreich«, stellte der Butler höflich fest und verschwieg diskret, daß er in allen Fällen die


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