Gesammelte Werke. Aristoteles

Gesammelte Werke - Aristoteles


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Inhalt dieses 11. Kapitels hängt durchaus mit der Frage nach dem Begriffe der Glückseligkeit zusammen. Je nachdem man ihn faßt, muß es sich entscheiden, ob sie in diesem Leben erreichbar und als vorhanden erkennbar ist oder nicht. Die bekannte Mahnung des Solon, vor dem Tode niemanden glücklich zu preisen, erfährt eine berechtigte Kritik. Da die Glückseligkeit oder sollen wir sagen das Lebensglück in tugendgemäßer Tätigkeit besteht und die Tugend ein fester Besitz ist, fester beinahe als alles andere im Leben, so ist sie ebenso erreichbar und als vorhanden erkennbar wie dauerhaft und beständig. Das äußere Wohlergehen gehört freilich auch zum Lebensglück, und insofern als dieses eine ungewisse Sache ist, kann man ja sagen, daß die Entscheidung, ob ein Leben glücklich war, erst bei dessen Ende gefällt werden kann. Aristoteles macht nun auch einige Bemerkungen über die Eudämonie nach dem Tode, die vielfach arg mißverstanden worden sind, als ob es ihm zufolge ungereimt wäre, überhaupt von einer Glückseligkeit Verstorbener zu reden, und die Seele, wenn sie etwa nach dem Tode fortbestehen sollte, doch aller Tätigkeit beraubt wäre. Ebenso wird nicht immer gut verstanden was er von dem Zusammenhang der Verstorbenen mit den Überlebenden sagt. Man bemerke also, daß er in der Ethik von der hienieden und im Staate erreichbaren Glückseligkeit redet. Es ist das Glück, dessen der Mensch als Mensch und Bürger fähig ist, das den Vorwurf und das Ziel der Sitten-, Rechts- und Staatslehre ausmacht. Nach dem Tode besteht der Mensch als Mensch so wenig fort wie als Bürger, weil Mensch der Verein von Leib und Seele ist. Darum will man ja auch das Wort Eudämonie lieber mit Lebensglück als mit Glückseligkeit wiedergeben, weil eben das diesseitige Glück gemeint ist. Dieses besteht in tugendgemäßer menschlicher Tätigkeit. Dieselbe hört aber offenbar nach dem Tode auf. Es konnte Aristoteles Absicht nicht sein, die Unsterblichkeit zu läugnen, einmal weil die Frage von der Unsterblichkeit in die Ethik, wie er sie behandelt, nicht gehört und es seiner streng systematischen Manier widerspräche, an diesem Orte die Unsterblichkeit stillschweigend und als wäre es so selbstverständlich, preißzugeben; dann auch, weil sie anderwärts von ihm ausdrücklich oder stillschweigend ausgesprochen und in der Psychologie mit Sorgfalt bewiesen wird. Er gehörte nämlich zu den jetzt, nach Kant und Schopenhauer, für rückständig geltenden Menschen, die in allem Ernste glauben, die Unsterblichkeit wissenschaftlich beweisen zu können. Aristoteles konnte aber auch mit der Bemerkung, es sei ungereimt, von einer Eudämonie Verstorbener zu reden, nicht sagen wollen, es gebe überhaupt keine Glückseligkeit für sie. Denn dem widerspricht der Schlußsatz dieses Kapitels: mag was im Leben geschieht, die Todten berühren oder nicht, es kann auf keinen Fall ihre Glückseligkeit in Unglückseligkeit verwandeln. Was nun seine Reflexionen über den Zusammenhang der Verstorbenen mit den diesseitigen Vorgängen betrifft, so bedenke man, daß die Verstorbenen für diese Welt, der allein die Aufmerksamkeit unseres Ethikers zugewandt ist, nur im Andenken der Nachwelt fortleben, und daß sie demnach nur insofern von den diesseitigen Vorgängen berührt werden, als dieselben ihr Ansehen fördern oder schädigen. Dahin gehören also die Ehrungen und Diffamationen der Verstorbenen selbst; dann die gute oder schlechte Führung ihrer Hinterbliebenen und Freunde, sowie auch deren Glück oder Unglück. Denn auch das muß in gewisser Weise ihr Ansehen mehren oder mindern.


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