Mami Bestseller Staffel 1 – Familienroman. Marianne Schwarz

Mami Bestseller Staffel 1 – Familienroman - Marianne Schwarz


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möchte nicht als unehelicher Vater geoutet werden, Dorothee«, sagte er sachlich. »Und das ist meine Bitte an dich. Ich möchte, daß du mich nicht als den Vater deines Kindes nennst. Das ist möglich, eine Mutter kann eine solche Auskunft verweigern. Ich habe dir ja bereits angeboten, daß ich finanziell zu meiner Verantwortung stehen werde. Ich bin bereit, dir eine einmalige großzügig bemessene Abfindung zu leisten, aber ich möchte dafür dein Versprechen, deine Versicherung, meinen Namen unerwähnt zu lassen. Das ist es, warum ich zu dir gekommen bin. Ich weiß, du bist eine kluge, großzügige Person, ich weiß, ich werde auf dich zählen können. Sollte man nicht vielleicht doch einmal über eine Adoption nachdenken?«

      »Verlasse bitte meine Wohnung, Rufus«, sagte Dorothee eisig und setzte sich erst gar nicht in den Sessel, in dem sie gerade hatte Platz nehmen wollen. »Sofort. Und nimm deine Blumen mit. Ich hoffe, dir nie wieder zu begegnen. Nie wieder, und das meine ich so, wie ich es sage.«

      »Ja, aber…«

      »Ich werde deinen Namen verschweigen. Aber nicht etwa, um dich zu schonen, sondern weil ich mich schäme, einen Menschen wie dich so falsch eingeschätzt zu haben. Und vor allem – weil ich meinem Kind einen solchen Vater ersparen will.«

      »Aber Dorothee, wir können doch über alles reden.«

      »Geh jetzt!« sagte Dorothee. »Zwischen uns gibt es nichts mehr zu reden. Nie mehr.«

      *

      Dorothees Zorn hielt ein paar Tage an, und im Grunde war er sogar hilfreich. Er hinderte sie daran, schmerzliche Gedanken zu entwickeln. Etwa in der Form, daß sie ihres Alters wegen hinter einer jüngeren Frau zurückstehen müßte. Solche Gedanken wären in ihrer Situation zwar naheliegend gewesen, aber Dorothee blieb glücklicherweise davon verschont. Sie hatte genug Selbstwertgefühl. Sie hatte es nicht nötig, andere Frauen ihrer Jugend wegen zu beneiden. Und konnte sie nicht sogar stolz darauf sein, in ihrem Alter noch einmal schwanger geworden zu sein?

      Ja, sie war stolz. Stolz und glücklich.

      Wenn es da nicht doch diese winzige Charakterschwäche gäbe, die ihr allmählich tatsächlich zu schaffen machte. Sie fand einfach nicht den Mut, sich nach außen hin zu ihrer Schwangerschaft, zu ihrer späten Mutterschaft zu bekennen. Sie war zwar im allgemeinen eine kluge und vernünftige Frau, und sie empfand diese Schwäche selbst als lächerlich, aber sie konnte sich nicht darüber hinwegsetzen. Bis jetzt jedenfalls noch nicht. Dabei hatte sie ja nicht mehr viel Zeit. Wenn man genau hinsah, konnte man ihr die Schwangerschaft schon ansehen.

      Sie mußte sich also allmählich darüber klarwerden, was sie tun sollte. Wie sie mit ihrem Problem fertig werden wollte.

      Im Grunde genommen gab es da natürlich keine Lösung. Das wußte Dorothee auch, und hin und wieder sprach sie zu sich selbst, wie um sich damit selbst zu überzeugen. »Du bist vierundvierzig, und du bekommst ein Kind. Daran

      gibt’s nun mal nichts zu deuteln«, sagte sie energisch zu sich selbst. »Also steh dazu, und sei deinem Kind eine vernünftige Mutter. Wieso interessiert dich überhaupt die Meinung der Leute? Davon bist du doch noch nie abhängig gewesen. Und das hast du doch auch – verdammt noch mal – nicht nötig.«

      Ja, mit Worten war Dorothee wirklich vernünftig. Aber ihre Gefühle hinkten leider hinterher. Das spürte sie genau. Sie wußte, daß sie ein Problem hatte, und daß es sich auch mit noch so forschen Worten nicht einfach zerreden ließ.

      Bei ihrem nächsten Arzttermin saß eine ihr bis dahin unbekannte Sprechstundenhilfe am Computer im Vorzimmer.

      »Hat Schwester Gudrun heute frei?« fragte Dorothee.

      »Nein«, sagte die Neue. »Schwester Gudrun ist nicht mehr bei uns. Sie hat ganz kurzfristig gekündigt, und unser Doktor war so großzügig, sie auch sofort zu beurlauben. Es gibt da wohl schwerwiegende familiäre Probleme.«

      »Ach, das tut mir aber leid«, sagte Dorothee und meinte es auch so. Sie hatte die junge blonde Schwester auch wirklich sehr gemocht.

      Das erwähnte sie auch dem Arzt gegenüber, nachdem die Untersuchungen abgeschlossen waren und der Arzt zufrieden festgestellt hatte, daß alles bestens in Ordnung sei und sie sich auf ein gesundes Kind freuen könne.

      »Danke, Doktor«, lächelte Dorothee. »Ich freue mich wirklich. Und ich fühle mich bei Ihnen auch sehr gut betreut. Es tut mir aber leid, daß Schwester Gudrun nicht mehr bei Ihnen ist. Ich mochte sie so besonders gern.«

      »Ja, Frau Werth, das bedauere ich auch. Schwester Gudrun war eine gute und allseits beliebte Mitarbeiterin. Aber ich mußte sie natürlich gehen lassen.«

      »Ob ich sie einmal besuchen sollte?« fragte Dorothee spontan. »Würden Sie mir ihre Adresse geben, Herr Doktor?«

      Der Arzt zögerte einen Augenblick, meinte dann aber: »Warum nicht, Frau Werth? Gudrun wird es mir sicher nicht verübeln. Vielleicht kann sie jetzt auch Freunde gebrauchen. Lassen Sie sich die Adresse dann beim Empfang geben.«

      *

      Gleich am nächsten Tag machte Dorothee sich auf den Weg. Sie hatte für Gudrun einen hübschen bunten Blumenstrauß und für deren Töchterchen einen niedlichen kleinen Plüschhasen gekauft. Und als sie sah, wie Gudrun sich über ihren unerwarteten Besuch sichtlich freute, wußte sie, daß ihr so plötzlich gefaßter Entschluß richtig gewesen war.

      »Kommen Sie herein, Frau Werth«, sagte Gudrun herzlich. »Ich bin zwar nicht auf Besuch vorbereitet, aber ich freue mich riesig. Wie haben Sie mich denn nur gefunden? Und daß Sie überhaupt kommen… Also nein, ich bin ganz überwältigt.«

      Ein kleines blondes Mädchen kam zur Tür gerannt. Sie trug blaue Jeans und einen roten Pullover und sah ganz entzückend aus. Sie baute sich vor der fremden Tante auf, breitbeinig und mit auf dem Rücken gekreuzten Händchen, sie legte den blonden Lockenkopf in den Nacken, als müßte sie zum Eiffelturm emporschauen, und fragte kritisch: »Wer bist du denn?«

      Dorothees Herz flog der Kleinen sofort zu. »Ich bin Dorothee«, sagte sie liebevoll. »Und du bist bestimmt die kleine Annika.«

      Prompt legte sich die kleine Stirn in Falten. »Ich bin schon ganz groß. Siehst du das denn nicht, Dote?«

      »So darfst du das nicht sagen, Liebling«, mahnte Gudrun rasch. »Du mußt Tante Dorothee sagen.«

      »Ach, lassen Sie nur, Schwester Gudrun«, lachte Dorothee. »Ich finde Dote hübsch. Dabei können wir es ruhig belassen. Und natürlich bist du ein großes Mädchen, Annika. Ich habe das gleich gesehen.«

      Gudrun führte ihren Gast in den Wohnraum. Er war hell und freundlich eingerichtet, und es war sofort erkennbar, wie wichtig das Kind in diesem kleinen Haushalt war. Nicht nur, daß überall Spielzeug herumlag, auch die hellen Möbel waren absolut kinderfreundlich, und Sofa und Sessel hatten lustig bunte, waschbare Überwürfe, so daß es für die kleine Annika wohl keine Tabuzonen in diesem Raum gab.

      Dorothee fand das sehr liebenswert. Sie setzte sich in den ihr angebotenen Sessel – die mitgebrachten Blumen hatte sie Gudrun bereits in der Diele gegeben – und öffnete nun ihre Tasche. »Schau mal, Annika«, sagte sie. »Ich habe dir etwas mitgebracht. Ob dir das wohl gefällt?«

      Sie wollte den Stoffhasen auspacken, doch die Kleine nahm ihr das Paket einfach aus der Hand. »Annika kann das«, sagte sie energisch und begann sogleich, das Papier in Fetzen abzureißen.

      Es wurde Dorothee ganz warm ums Herz, als sie sah, wie die Kinderaugen aufleuchteten, nachdem das weiße Plüschhäschen zum Vorschein gekommen war. Annika packte es an den langen Ohren und lief mit ihren strammen Beinchen zu Gudrun hin, die ihr Töchterchen friedlich lächelnd beobachtete.

      »Mami, schau!« rief Annika aufgeregt. »Ein Karinchen. Ein ganz schönes, liebes Karinchen.«

      »Kaninchen«, wollte Gudrun berichtigen, aber dann fand sie das Wort ›Karinchen‹ wohl auch niedlich und bestätigte lachend: »Ja, das ist wirklich ein liebes Karinchen, Süße.«

      Annika umschloß den Hasen mit beiden Ärmchen. »Karinchen bleibt bei Annika.


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