Leni Behrendt Staffel 4 – Liebesroman. Leni Behrendt
war wie Gatten und Sohn.
Reinhold – na ja, mit dem ging’s, obwohl er ein zu »behutsames Mann« war und Anka zu »weisernasen«.
Aber die anderen, die gefielen ihnen gut. Am besten das »entzuckender Mädchen«, in das sich der junge Brown gleich über Kopf und Kragen verliebte und das er möglichst vom Fleck weg heiraten wollte, wie er sofort seinen Eltern kategorisch erklärte.
Nun, die Eltern hatten nichts dagegen.
Deshalb hätten sie Silje am Weihnachtsabend auch am liebsten mit Geschenken überschüttet, mußten sich jedoch dem ziemlich deutlichen Verbot des Hausherrn fügen.
So erhielten sie denn alle am Weihnachtsabend »Aufmerksamkeiten«, mit denen sie nichts anzufangen wußten. Traurig sah Thea auf ein Kochbuch, das sie schon besaß, und Reinhold verblüfft auf Sockenhalter elegantester Ausführung. Man war der Ansicht, daß der Mann so was bestimmt noch trüge.
Ottilie und Philine bekamen Zigarettenspitzen, weil sie überhaupt nicht rauchten, Philipp eine Krawatte, an der ein Dandy seine helle Freude gehabt hätte, und Eike eine Hundepeitsche, weil man momentan keinen Hund im Hause hatte, da der alte eingegangen war. Und Silje? Heißerrötend betrachtete sie den Witz von Nachtkleid, eine Gabe Mabels, mit einem Lachen kämpfend, die reizende Puderdose, für die Dick verantwortlich zeichnete, und mit Unbehagen den Strauß roter Rosen nebst Riesenbonbonniere, zu denen sich Bob strahlend bekannte.
Anka empörte sich heimlich über das Bilderbuch »Für unsere Kleinen«, und nur Ute war selig über die große Puppe, die sie kaum fortschleppen konnte.
Doch die Aufmerksamkeiten, welche die Gäste erhielten, waren tatsächlich sinnvoll gewählt und riefen bei den verwöhnten Menschen kindliche Freude hervor. Jedenfalls hatten alle ihr Bestes gewollt, und das allein war schon anerkennenswert.
Was man mit Silje vorhatte, unterbreitete das Ehepaar Brown den anderen – außer den beiden Hauptbeteiligten, die eine Schlittenfahrt machten –, als man am ersten Feiertag geruhsam beisammensaß. Aber da machte der Hausherr ihnen klar, daß es doch nicht ganz so einfach wäre, wie sie annahmen. Denn er wäre als Vormund nicht gewillt, sein Mündel in unsichere Verhältnisse gehen zu lassen.
»Na, erlaube mal, was sollen das denn wohl für unsichere Verhältnisse sein!« brauste der Vetter auf. »Unser Haus ist ein gutes und reiches.«
»Das bezweifle ich ja auch gar nicht«, beschwichtigte Philipp den Aufgebrachten. »Ich habe damit nicht euch persönlich gemeint, sondern die Verhältnisse im fremden Land. Außerdem weiß man ja gar nicht, ob Silje deinen Bob überhaupt liebt.«
»Hach, dann sein das eine lachhafte Girl!« fühlte die Mutter des jungen Mannes sich in ihrer Eitelkeit getroffen. »Meine Sohn können haben Frauen ohner Zahlen. Aber er willen nicht, er willen das Silje. Und ich und meiner liebe Mann willen auch. Und ihr sein eine abgünstige Pack, willen ich sagen.«
Das war zwar ernst gemeint, klang jedoch so drollig, daß die anderen lachen mußten. Und da Frau Mabel kein Spielverderber war, tat sie lustig mit.
Jetzt traten auch die beiden jungen Menschen hinzu, lustig und fidel, mit kältegeröteten Wangen und blitzenden Augen.
»Wir sind Schlitten gefahren«, berichtete Bob strahlend. »So richtig mit Pelzdecken und lustigen Schellen, wie du es uns immer erzähltest, Daddy. Das war ein Spaß – und ich bin glücklich!«
Man glaubte es ihm ohne weiteres, wenn man seine leuchtenden Augen sah – und die Siljes leuchteten nicht minder. Philines Herz zog sich schmerzend zusammen. Was sollte werden, wenn Silje sich wirklich in den jungen Mann verliebt hatte? Dann würde es bestimmt so kommen, wie er und seine Eltern es als Selbstverständlichkeit annahmen.
Das sagte sie auch zu Schwägerin und Bruder, als sie diese am nächsten Morgen allein erwischen konnte. Und während Ottilie bekümmert dreinschaute, sagte Philipp unwirsch: »Ich werde aus Eike überhaupt nicht mehr klug. Hat er denn gar kein Blut in den Adern, daß er so gelassen mit ansehen kann, wie ein anderer ihm das prächtige Menschenkind gewissermaßen vor der Nase wegschnappt? Der Kuckuck soll das alles holen!«
»Aber, Mann, wie kann man gleich so ungehalten sein!« beschwichtigte die Gattin den Erbosten. »Vielleicht liebt Eike das Mädchen gar nicht so, wie wir immer annahmen.«
»Dann ist er ein Narr!«
Die Tür knallte hinter ihm zu, und Ottilie klagte: »Ach, Philchen, daß wir aus dem Hadebrecht-Haus doch nicht zur Ruhe kommen können! Wären sie doch nur zu Hause geblieben, die uns jetzt unsere Silje nehmen wollen!«
»Na, na, noch ist es ja nicht so weit«, tröstete die Schwägerin – aber überzeugend klang das nicht. Und auch Philine wünschte, gleich ihrem Bruder, diese überhebliche Verwandtschaft zum roten Kuckuck.
*
Die Hände in den Hosentaschen, einen schmissigen Schlager vor sich hin pfeifend, so schob sich Bob ins Zimmer, wo seine Eltern in Gesellschaft Ottilies und Philines saßen.
»Morgen…!« grüßte er nachlässig. »Habt ihr schon gefrühstückt?«
»Schon ist gut«, lachte der Vater. »Es ist zehn Uhr. Verschlafen, my boy?«
»No –«, ließ er sich in einen Sessel fallen und gähnte ungeniert. »Aber ich hatte keine Lust, früher aufzustehen, weil ich nicht weiß, was ich anfangen soll. Ohne Silje macht mir alles keinen Spaß.«
»Schläft sie noch?« fragte die Mutter verwundert.
»Nein, sie arbeitet. Als ob sie das jetzt noch nötig hätte, wo sie ohnehin meine Frau wird!«
»Oh, dann sein sie schon dein liebes Braut?«
»Noch nicht, Ma, noch tut sie spröde. Aber das legt sich bald.«
»Also noch kein Küßchen?« zwinkerte der Vater seinem Filius verschmitzt zu, der unwillkürlich die Handflächen an die Wangen legte.
»Lieber nicht!« schnitt er dabei eine Grimasse. »Ich glaube, die haut.«
»Das glaube ich auch«, lachte Philchen schadenfroh. »Die gehört nämlich nicht zu den Mädchen, die sich gleich küssen lassen.«
»Aber ich kenne sie ja schon seit einer Woche!« war Bob verwundert. »Das ist doch eigentlich schon lange. Aber wenn ich von Heiraten spreche, lacht sie mich aus – und sie kann so wonderful lachen. Ich muß sie gleich mal sehen, sonst komm ich vor Sehnsucht um.«
Weg war er, um jedoch schon nach einer halben Stunde zurückzukehren, verärgert und verdrießlich.
»Na, gemütlich geht’s in dem Betrieb bestimmt nicht zu«, maulte er. »Da sitzt alles wie hinter Gefängnismauern. Auf meine Frage, in welchem Zimmer ich Fräulein Berledes sprechen könnte, bedauerte das Ekel von Portier, daß die Angestellten während der Dienstzeit überhaupt nicht zu sprechen wären…«
»Haben du ihm nicht dafür eins gelangt?« fragte die Mutter empört. »Du sein doch hier Gast vom Boß!«
»Das sagte ich ihm auch, worauf er denn gnädig durch den Apparat fragte, wo man das gnädige Fräulein momentan finden könnte. Sie ist beim Juniorchef zum Diktat, sagte er mir dann.
Na, was ich ihm darauf sagte, weiß ich nicht mehr, aber ein Gentleman sagt so was sonst nicht«, schloß er verdrossen.
Philchen lachte ihn lieblich an. »Jetzt weißt du wenigstens, wie das ist, wenn in euren Betrieb ein junger Mann kommt, der eine Angestellte während der Dienstzeit sprechen will. Denn ich glaube nicht, daß die Geschäftsdisziplin bei euch anders ist als bei uns.«
»Ach was, Silje ist ja gar nicht richtig eine Angestellte!« maulte er weiter wie ein Kind, dem man ein begehrtes Spielzeug vorenthielt.
Aber Philchen beharrte: »Doch, sie ist’s – und wünscht selbst keine Ausnahme zu machen.«
Das sagte ihm Silje auch persönlich, als sich Bob am Mittagstisch über den mißglückten Besuch bei ihr beklagte.
»Mein