Rache@. Antje Szillat

Rache@ - Antje Szillat


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im Netz bei Schüler-Talk. Ganz easy. So läuft das!“

      Marcel wirkte sichtlich zufrieden mit sich und seinem Plan. Aber Ben war nicht überzeugt. Nervös fuhr er sich mit der Zungenspitze über die Lippen und versuchte seine Gedanken und das, was Marcel ihm gerade gesagt hatte, zu sortieren.

      Schließlich würgte er unsicher hervor: „Aber Johannes wird doch Ismael und Ali sagen, dass du das behauptet hast und nicht er. Dann fliegst du doch auf. Und seiner Mutter wird er doch auch sagen, dass du dir alles nur ausgedacht hast. Und seiner Klassenlehrerin auch. Mensch, Marcel, das ist doch totaler Schwachsinn, den du da verzapft hast. Und Schüler-Talk – was willst du damit denn bezwecken?“ Ben schüttelte fassungslos den Kopf. „Und außerdem“, fügte er etwas bestimmter als zuvor hinzu, „hat er doch genug Kumpels, die sich für ihn an dir rächen können.“

      Ben wischte sich übers Gesicht und blieb einen Moment lang stumm. Die Augen fest auf die Spitzen seiner Turnschuhe gerichtet, zog er die Unterlippe zwischen die Zähne und kaute nervös darauf herum. Dann ließ er langsam den Blick wieder zu Marcel wandern und sagte leise: „Und an mir ...“

      „Keiner wird dir was tun.“ Marcel klang todernst, als er das sagte. „Und mir schon gar nicht. Und Johannes wird schön sein Maul halten. Alles wird genauso sein, wie ich es dir gesagt habe.“ Damit war das Thema für ihn beendet.

      Er schwang sich auf sein Rad und trat ordentlich in die Pedale. Ben sah ihm einen Moment schweigend nach, ehe er sich ebenfalls auf den Sattel schwang und ihm hinterherstrampelte.

      Zwei Tage später traf Ben Johannes in der Fünf-Minuten-Pause vor dem Jungenklo. Sie waren ganz alleine auf dem Gang. Bens Herz schlug wie verrückt. Am liebsten wäre er weggerannt. Aber wohin? Außerdem hätte Johannes ihn sowieso eingeholt. Und wenn nicht jetzt, dann eben irgendwann anders. Ben war sich sicher, dass er Johannes und seiner Clique nicht entkommen konnte.

      Johannes kam immer näher und Bens Beine drohten jeden Moment wegzubrechen. Dann stand er direkt vor ihm – und sah es ganz deutlich. Sein linkes Auge war ein bisschen zugeschwollen und leicht rot-bläulich verfärbt. Nicht besonders auffällig. Man musste schon genau hinsehen. Es hätte auch eine Bindehautentzündung oder etwas Ähnliches sein können. Die Faust, die ihn dort getroffen hatte, war scheinbar besonders in Schlägen geübt, die keine auffälligen Spuren hinterlassen durften.

      „Was glotzt du so?“, herrschte er Ben an, der mit halb offenem Mund völlig erstarrt vor ihm stand. Dann war er auch schon im Jungenklo verschwunden. Ben rannte zurück in sein Klassenzimmer. Das Pinkelnmüssen war ihm plötzlich vergangen.

      3. Kapitel

      Beim Mittagessen in der Schulcafeteria – es war Pizza-Tag – setzte sich plötzlich ein junger dunkelhaariger Mann an Bens Tisch. Marcel war bereits seit mehreren Tagen nicht in der Schule aufgekreuzt, und auch heute Morgen hatte Ben wieder vergeblich auf ihn gewartet.

      Dabei hatte er gestern am Telefon noch gemeint, dass er morgen wieder in die Schule gehen könnte. Seiner Mutter ginge es schon viel besser. Trotzdem war er nicht erschienen.

      Ben hing seinen Gedanken nach und bemerkte erst gar nicht, dass der Mann an seinen Tisch getreten war und ihn ansprach.

      „Hallo, jemand zu Hause?“, witzelte er.

      Ben schreckte auf und sah in ein nett grinsendes Gesicht.

      „Ist der Platz noch frei?“

      „Was? Ähm – ja“, stotterte Ben verwirrt.

      Wer war das? Und warum wollte er sich ausgerechnet an seinen Tisch setzen? Es waren doch genügend andere Plätze frei. Ein Lehrer konnte er nicht sein. Die hockten immer alle zusammen an den Tischen unter dem Fenster. Wenn sie überhaupt in der Cafeteria aßen.

      „Und – schmeckt die Pizza?“

      „Geht so“, murmelte Ben und starrte stur geradeaus.

      Er fing Johannes’ Blick auf, der – Ben konnte es immer noch nicht fassen – sofort die Augen senkte. Noch erstaunter war er allerdings über die Tatsache, dass er anscheinend befürchtete, Ben könnte ihn verpfeifen. An Marcel oder seine Mutter, oder vielleicht sogar an Ismael und Ali? Ben hatte echt keinen blassen Schimmer, was eigentlich passiert war. Aber es gefiel ihm. Es gefiel ihm richtig gut. Marcel hüllte sich weiterhin in Schweigen. Laberte immer nur irgendwas von einem Geheimnis und bestimmten Methoden, die bislang noch bei jedem gewirkt hätten. Aber viel mehr hatte er, seitdem sie an diesem Mittwoch in der Apotheke von Johannes’ Mutter gewesen waren, nicht aus ihm herausbekommen.

      „Justus Brandt!“, riss ihn der Mann neben sich erneut aus den Gedanken.

      „Was?“ Ben schaute irritiert auf die ausgestreckte Hand, die der Mann ihm hinhielt.

      „Mein Name ist Justus Brandt“, wiederholte er sich.

      „Ach.“

      Ben wurde die ganze Sache langsam zu blöd. Was wollte der Typ eigentlich von ihm? Jetzt kam auch noch Frau Teubert, Bens Englisch- und Biolehrerin, in die Cafeteria und steuerte freudig lächelnd direkt auf seinen Tisch zu.

      „Hey, das ist wieder typisch für dich“, rief sie. Ben kapierte überhaupt nichts mehr.

      „Mischst dich gleich unter die Zielgruppe, was?“

      Mit wem redete die eigentlich? Und was meinte sie mit Zielgruppe? Bens Hirn feilte angestrengt an einer logischen Erklärung.

      „Britta, schön dich zu sehen“, rief Justus Brandt und sprang auf. Er umarmte Frau Teubert herzlich und zog damit sämtliche Blicke auf sich.

      Leider auch auf Ben. Der wäre am liebsten unsichtbar gewesen. Und weil ihm das einfach nicht gelingen wollte, ergriff er die Flucht.

      Er hatte sich schon ein paar Schritte vom Tisch entfernt, als Justus Brandt plötzlich hinter ihm herrief: „Warte doch. Wir wollten dich nicht vertreiben.“

      „Haben sie nicht“, murmelte Ben, ohne sich umzudrehen.

      Während des Religionsunterrichts bei Frau Reimann klopfte es plötzlich an der Klassentür und Dr. Fischer, der Schulleiter, kam herein. In Begleitung von Justus Brandt.

      Ben lief vor Schreck dunkelrot an. Was wollte der denn hier? Verfolgte er ihn etwa? Plötzlich hatte er das Gefühl, dass alle ihn anstarrten – nur ihn! Und daran war einzig und allein dieser aufdringliche Typ schuld, der jetzt auch noch die Frechheit besaß, Ben freundlich zuzunicken. Langsam verwandelte sich Bens Verlegenheit in eine Riesenwut. Er straffte seine Schultern und versuchte angestrengt, möglichst unbeteiligt an Justus Brandt vorbeizublicken.

      „Guten Morgen“, begrüßte Dr. Fischer die Schüler der 8b. Und an Frau Reimann gewandt sagte er: „Entschuldigen Sie bitte die kleine Störung. Ich möchte nur kurz unseren neuen Kollegen vorstellen.“

      Neuen Kollegen? Ach du Scheiße, der Typ war ein Pauker! Die Erkenntnis traf Ben wie ein Stromschlag. Hoffentlich bekam er jetzt keinen Ärger mit ihm, weil er vorhin so patzig gewesen war! Aber vielleicht würde er ja gar nicht in der 8b unterrichten? Nur, warum stellte der Fischer ihn dann der Klasse vor?

      Bens Gedanken liefen wild durcheinander.

      „Das ist Herr Brandt, Justus Brandt! Er ist der neue Sozialpädagoge an unserer Schule. Er wird unsere Frau Taschner unterstützen. Herr Brandt ist ab sofort euer Ansprechpartner, wenn ihr irgendwelche Probleme, Sorgen oder Kummer habt.“ Der Schulleiter wirkte sichtlich begeistert über die Anwesenheit des Sozialpädagogen an seiner Schule.

      „Außerdem“, jetzt strahlte er sogar richtig, „wird er eine neue AG für die achte und neunte Klasse anbieten, in der es um die Förderung der emotionalen Intelligenz geht. Eure Klassenlehrerin wird euch noch näher darüber informieren.“

      Im Klassenzimmer herrschte eine gespannte Stimmung. Ben hörte Mona und Caro, die eine Bank hinter ihm saßen, flüstern.

      „Ist


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