Rache@. Antje Szillat

Rache@ - Antje Szillat


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„Ben, hey, du hast doch vorhin in der Cafeteria mit dem gequatscht. Ist der verheiratet? Und hat er dir gesagt, wie alt er ist?“

      „Lass mich“, zischte Ben leise zurück, ohne sich zu ihr umzudrehen.

      „Idiot!“

      Nun sprach Justus Brandt zu den Schülern.

      „Ich freue mich darauf euch kennen zu lernen, und scheut euch bitte nicht mich anzusprechen.“

      Sein Blick glitt über die Jungen und Mädchen, um sich dann Ben zuzuwenden. „Wir haben uns ja bereits kennen gelernt. Aber deinen Namen hast du mir nicht verraten.“

      Ben war so verlegen, dass seine Antwort ziemlich patzig ausfiel. „Ich heiße Ben. Zufrieden?“ Der Schulleiter und die Religionslehrerin warfen ihm einen strafenden Blick zu. Aber Justus Brandt lächelte ihn unverändert freundlich an. Und Ben hätte sich selbst eine Backpfeife verpassen können.

      Der Tag konnte nur durch die Mathestunde bei Herrn Seidel noch schlechter werden. Der Lehrer war heute besonders gut drauf und brüllte schon in den ersten fünf Unterrichtsminuten Stefan Klein dermaßen zusammen, dass der aussah, als ob er ein Stückchen geschrumpft wäre.

      Danach war Ben dran.

      „Das sollen deine Hausaufgaben sein?“, fuhr er ihn an.

      Ben zog den Kopf ein und deutete ein Nicken an.

      „Hast du deine Zunge verschluckt oder was?“

      „Nein“, murmelte Ben.

      „Na, dann nuschele hier nicht so herum und antworte mir gefälligst laut und deutlich. Oder ist das etwa von einem Achtklässler zu viel verlangt?“

      Die Augen des Mathelehrers verengten sich. „Was ist, fällt dir jetzt nichts mehr ein?“ Er klopfte mit zwei Fingern ungeduldig auf Bens Tisch. Ben fiel wirklich nichts ein. Außerdem war es sowieso völlig egal, was er sagen würde. Wenn der Seidel in dieser Stimmung war, dann war jedes Wort falsch. Also zuckte er nur mit den Schultern und schwieg.

      „Falsche Antwort!“, schnauzte der Lehrer.

      Und du kannst mich mal, dachte Ben und schwieg weiter.

      „Diese Sauerei hier“, er tippte mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf Bens Heft herum, „machst du gefälligst noch einmal. Ist das klar?“

      Ben nickte, während er stur auf sein Matheheft starrte. Bloß nicht zur Seite schauen, dachte er. Nur nicht Susannas mitleidigen oder vielleicht sogar amüsierten Blick auffangen.

      „Ich habe dich was gefragt. Antworte mir gefälligst!“, blökte der Seidel. Ben spürte, wie ihm der Schweiß aus sämtlichen Poren rann, und sein Herz zu rasen begann. Mit zitternder Stimme antwortete er: „Ja, ich mache die Hausaufgaben noch einmal.“

      Der Lehrer richtete sich wieder auf und straffte die Schultern. Im Weggehen sagte er: „Warum nicht gleich so?“, und Ben war einfach nur erleichtert, dass er endlich von ihm abließ.

      Doch er hatte zu früh aufgeatmet. Plötzlich blieb Herr Seidel stehen und drehte sich langsam wieder zu ihm um. Er sah ihn eine Weile durchdringend an, bevor er mit ironischer Stimme sagte: „Sag mal, was ist eigentlich mit Marcel? Wann darf man denn wohl mal wieder mit seiner Anwesenheit rechnen?“

      Das geht dich einen Scheißdreck an, dachte Ben.

      „Er ist krank“, antwortete er leise.

      Der Lehrer versuchte noch nicht einmal, die Abneigung, die er offensichtlich gegen Marcel hegte, zu verbergen. Er verzog angewidert sein Gesicht und sagte höhnisch: „Von wegen krank. Die einzige Krankheit, die der hat, ist seine Blödheit.“

      Bens Nackenhaare richteten sich auf. Er ließ mit den Fingern seinen Bleistift auf der Tischplatte hin- und herrollen, nur um mit seinen Händen etwas anderes zu machen, als dem Lehrer mitten in sein fieses Gesicht zu schlagen. Einige Schüler kicherten leise. Die anderen schwiegen betroffen. Herr Seidel blieb noch einen Moment mitten im Klassenzimmer stehen, und ließ seinen Blick über die Reihen der Schüler gleiten. Dann räusperte er sich geräuschvoll, ging zurück zum Lehrerpult und sagte: „Holt eure Federmappen raus. Wir schreiben einen Test!“

      Das entsetzte Gemurmel und unterdrückte Geschimpfe seiner Schüler ignorierte er einfach. Er kramte aus seiner braunen Tasche einen Stapel Blätter hervor und verteilte sie an die Schüler.

      „Ihr habt dreißig Minuten Zeit“, sagte er nachdem alle Schüler ein Arbeitsblatt vor sich liegen hatten. „Ab ... jetzt!“

      „Aber Herr Seidel“, wagte Svenja einen halbherzigen Einwand. „Das ist echt nicht okay. Sie haben doch für heute gar keinen Test angekündigt.“

      Herr Seidel bedachte Svenja mit einem Blick, der ihr jede Lust auf weitere Kommentare nahm. „Die Zeit läuft!“, sagte er mit drohendem Unterton.

      Marcel beugte sich vor und schlug mit der geballten Hand auf die Tischplatte seines Schreibtisches.

      „Dieser Arsch! Den mach ich fertig!“ Marcel umklammerte die Tischplatte so fest, dass seine Knöchel ganz weiß wurden. Ben wurde fast ein wenig mulmig zumute, so sehr regte Marcel sich auf.

      Er war sofort nach der Schule zu ihm gerannt und hatte geklingelt. Eigentlich wollte er vorher anrufen – Ben wusste ja, wie sehr Marcel solche unangemeldeten Besuche hasste. Aber auf seinem Handy war kein Guthaben mehr und vorher nach Hause zu laufen, nur um zu telefonieren, das wollte er nicht. Also hatte er einfach geklingelt und mit rasendem Herzen darauf gewartet, dass sich die Tür endlich öffnete. Dann war er die Treppenstufen hochgestürmt und keuchend vor Marcels Wohnungstür stehen geblieben.

      Doch nicht Marcel hatte ihm geöffnet, sondern seine Mutter. Ben hatte sie vorher nur ein paar Mal gesehen. Obwohl er nun schon seit Monaten fast täglich mit ihrem Sohn zusammen war. Aber die meiste Zeit hingen sie sowieso draußen herum oder in Bens Zimmer. Er war erstaunt, wie gut sie aussah. Irgendwie hatte er etwas anderes erwartet. Nach dem, was Marcel ihm in letzter Zeit berichtet hatte.

      „Komm doch rein, Ben“, sagte sie freundlich und machte eine einladende Handbewegung.

      „Danke“, murmelte Ben etwas irritiert darüber, wie vertraut sie ihn behandelte.

      „Marcel ist in seinem Zimmer. Geh ruhig. Es geht ihm heute ein wenig besser. Hast du Durst? Na klar, du keuchst ja richtig. Geh schon, ich bring dir gleich etwas.“

      Dann war sie auch schon in der Küche verschwunden. Ben schaute ihr verblüfft hinterher. Marcel ging es schon wieder besser? Wie sollte er das denn verstehen? Sie war doch diejenige, der es schlecht ging, und nicht Marcel!

      Ben schwirrte der Kopf.

      Marcels Mutter kam aus der Küche zurück. Mit einer Flasche Wasser in der einen und einem Glas in der anderen Hand. Als sie Ben noch immer im Flur herumstehen sah, hob sie erstaunt die Augenbrauen.

      „Warum bist du nicht zu Marcel gegangen? Oder hat er dich etwa rausgeschmissen?“ Sie schmunzelte und senkte ihre Stimme ein wenig. „Diese Kopfschmerzen machen ihn manchmal echt unausstehlich. Aber ...“, sie zwinkerte Ben zu, „verrate mich nicht.“

      Dann ging sie vor Marcels Zimmertür, trat mit dem Fuß leicht klopfend dagegen und rief: „Schatz! Du hast Besuch!“

      Im nächsten Augenblick wurde die Tür aufgerissen und Marcel kam zum Vorschein. Seine Haare waren zerzaust, seine Augen leicht gerötet, sein Mund zu einem gequälten Lächeln verzogen. Glücklich über Bens Besuch schien er wirklich nicht zu sein.

      Das sprach seine Mutter auch ganz offen aus. „Geht’s eigentlich noch unfreundlicher?“, stänkerte sie.

      „Mama!“ Marcels Stimme klang genervt.

      „Schon gut. Ich weiß ja, deine Kopfschmerzen.“

      Sie warf ihm einen vielsagenden Blick zu, drückte ihm die Wasserflasche und das Glas in die Hände. Dann machte sie auf dem Absatz kehrt und verschwand wieder in die Küche.

      „Komm rein“, murmelte


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