Zum Kontinent des eisigen Südens. Erich von Drygalski
den Kerguelen wurden im Südsommer 2006/2007 von der Mission du Patrimoine des Territoire des Terres Australes et Antarctiques Françaises (TAAF) im Rahmen der archäologischen Ausgrabung »ArchæObs« detailliert untersucht, um etwas mehr über die Kurzzeitbesiedelung dieser Region in Erfahrung zu bringen. Der »Gauß« wurde 1904 nach Kanada verkauft und unter dem Namen »Arctic« in der kanadischen Arktis bis nach Grönland eingesetzt. 1927 wurde das Schiff ausgeschlachtet und im St. Lorenzstrom dem Zerfall überlassen.
Drygalskis Name ziert heute einen Fjord auf Südgeorgien, einen Gletscher in Graham Land auf der Antarktischen Halbinsel, eine Eiszunge nahe dem Rossmeer, Berge im antarktischen Neuschwabenland, die von der dritten deutschen Antarktisexpedition 1938/39 entdeckt wurden, und eine Insel, die vielleicht das damals vermutete Termination Land gewesen sein könnte. Neumayer hingegen wurde durch seinen Jahrzehnte langen Einsatz für die Südpolarforschung 1980 zum Namensgeber der Georg von Neumayer Station auf dem Ekströmschelfeis östlich des Weddellmeeres, als die Bundesrepublik Deutschland die Polarforschung staatlich institutionalisierte, um 1981 gemäß dem Antarktisvertrag Mitglied in der Konsultativrunde zu werden.
Erste Berichte über die Südpolarexpedition hatten Expeditionsteilnehmer von unterwegs abgesandt. Sie wurden ab 1902 in der neuen Zeitschrift Terra Marique vom Institut für Meereskunde zu Berlin veröffentlicht. Sein 668 Seiten umfassendes Reisewerk »Zum Kontinent des eisigen Südens« publizierte Drygalski 1904 ebenfalls in Berlin im Verlag Georg Reimer. Es enthält rund 400 Abbildungen, 15 Tafeln und Karten. Eine englische Übersetzung erschien erst 1989. Für den deutschen Reprint wurden rund 375 Seiten gestrichen und dabei die Abbildungen auf ein Zehntel reduziert. Die Informationen aus Drygalskis erstem Kapitel über die Entstehung der Expedition sind in der Einleitung mit aufgenommen und ergänzt worden. Die ausführliche Beschreibung der Hin- und Rückreise, der Hafenaufenthalte sowie der unterwegs besuchten Inseln wurde stark gekürzt, da sich der Reprint mehr auf die Antarktis konzentrieren sollte. Außerdem wurden lange wissenschaftliche Ausführungen wie beispielsweise zur Geologie oder über Drygalskis Eisuntersuchungen sowie Vanhöffens Fischfänge ausgelassen, da sie nur für Spezialisten von Interesse sind, die jedoch über Fachbibliotheken auf das Original zurückgreifen können. Auch alle Gedichte aus dem »Antarktischen Intelligenzblatt«, die zu verschiedenen Anlässen verfasst wurden, sind der Kürzung zum Opfer gefallen. Darüber hinaus wurde großer Wert darauf gelegt, dass durch die Streichungen der Originaltext mit seinem an manchen Stellen ungewohnten Sprachduktus nicht durch eigene Formulierungen verändert wurde.
Cornelia Lüdecke
Weg des »Gauß«
(Quelle: Ergebnisse der Deutschen Südpolarexpedition Bd. VII Tf. III, 1914)
Erich von Drygalski
Zum Kontinent
des eisigen Südens
Mitglieder und Organisation
Bei der Fülle der Aufgaben, welche der Expedition harrten, musste es nach ihrer Sicherstellung die erste Pflicht sein, geeignete Mitarbeiter zu gewinnen, um schon bei den Vorbereitungen die einzelnen Arbeitsgebiete im Rahmen des Ganzen möglichst nach deren Intentionen durchbilden zu lassen; denn bei einer Expedition in unbekannte Verhältnisse handelt es sich während der Ausführung nicht um eine Arbeitsordnung, für welche in unseren heimischen Verhältnissen oder von früheren Expeditionen her bestimmte Vorbilder vorliegen, sondern um die arbeitsfreudige und arbeitskräftige Initiative, wie sie nur aus der freien Betätigung von Persönlichkeiten entstehen kann; je mehr dieselben deshalb den Aufgaben der Expedition schon vor der Ausreise nähergetreten sind, desto besser werden sie sich später zurechtfinden.
Schon bevor die Expedition gesichert war und in gelegentlicher Mitwirkung an ihrer Entstehung hat mir Ernst Vanhöffen zur Seite gestanden. Das Fach seiner Wahl und besonderen Tätigkeit war die Zoologie, doch daneben übernahm er in der Expedition die Botanik.
Den Augenblick nutzte er, wie es wenigen gegeben ist, und verstand jederzeit, aus den vielen Wechselfällen, wie sie eine Expedition mit sich bringt, das Beste zu nehmen und daraus Resultate zu ziehen.
Als Arzt und Bakteriologe hat Dr. Haus Gazert die Expedition begleitet. Neben seinen gelegentlichen physiologischen Beobachtungen fand auch manches andere Gebiet bei ihm wirksame Förderung und Interesse, bereitwillig übernahm er vor allem im Mai 1902 die Leitung des ganzen meteorologischen Dienstes; auf der Rückreise fielen ihm nach dem Ausscheiden Dr. E. Philippis auch die chemischen Arbeiten zu.
Die geologischen und chemischen Arbeiten der Expedition hatte Dr. Emil Philippi übernommen; als Assistent an den geologisch-paläontologischen Instituten zu Tübingen und Berlin hatte er für Petrographie und Mineralogie das gleiche Verständnis wie für paläontologische Studien, und auch in chemischen Arbeiten war er bewandert.
Die erdmagnetischen und zunächst auch die meteorologischen Arbeiten fielen dem jüngsten wissenschaftlichen Mitglied der Expedition, Dr. Friedrich Bidlingmaier, zu. Erdmagnetische Beobachtungen auf dem Meer dürften noch niemals früher in der Vollständigkeit und mit der kritischen Schärfe durchgeführt worden sein, wie es von ihm auch in den Stürmen und Seen der Westwinddriften geschah. Den meteorologischen Arbeiten zog er es dabei vor, zu entsagen, weil er sie unter den eigenartigen Verhältnissen der Winterstation neben den erdmagnetischen nicht in gleicher Weise selbsttätig durchführen zu können vermeinte, wie diese.
In unserem behaglichen Salon, in dem die fünf Gelehrten und fünf Offiziere der Expedition sich zu den Mahlzeiten und geselligen Veranstaltungen zusammenfanden und bei besonderen Festtagen wie Weihnachten oder Sonnenwendfest auch die ganze aus 22 Köpfen bestehende Mannschaft zugegen war, nahmen im gewöhnlichen Gebrauch die wissenschaftlichen Mitglieder die linke oder Sofaseite ein, während die Offiziere die mit Drehstühlen versehene rechte Seite innehatten, um von dort aus schneller hinausgelangen zu können, wenn es der Schiffsdienst verlangte.
Wenn ich nun nach der Schilderung der linken Seite der Ersten Messe zu der rechten übergehe, habe ich dabei zunächst des Führers des Expeditionsschiffes »Gauß« zu gedenken, des Kapitäns Haus Ruser.
Sein besonderes Interesse galt den Obliegenheiten der Navigation. Hieraus entsprang seine Vorliebe für astronomische Arbeiten, welchen er während der Überwinterung besonders gern und mit gutem Erfolg oblag.
Dem Kapitän stand als Leiter der maschinellen Anlagen der Expedition der Obermaschinist Herr Albert Stehr zur Seite. Er leitete die maschinellen Betriebe einschließlich der Vorrichtungen für die elektrische Beleuchtung und den Betrieb der Dampfwinden mit derselben Sicherheit, wie die uns sehr nützlichen Aufstiege eines Fesselballons und die Handhabung der Sprengmittel, und nahm durch die Ausführung von Bohrungen im Eis bis zu 30 m Tiefe lediglich mit Handkraft, durch laufende Beobachtungen über Eistemperaturen, Hilfeleistungen bei den Schwerkraftsbestimmungen und bei vielen anderen Dingen stets mit Geschick und Pflichttreue auch an den wissenschaftlichen Arbeiten Anteil.
Ludwig Ott, Friedrich Bidlingmaier, Emil Werth, Hans Gazert, Emil Philippi, Richard Vahsel, Ernst Vanhöffen, Erich von Drygalski, Hans Ruser, Wilhelm Lerche
Wissenschaftler und Offiziere des »Gauß«
(Quelle: Terra Marique 1902, Heft 1)
Als Erster Offizier war Herr Wilhelm Lerche in den Dienst der Expedition eingetreten, nachdem er in gleicher Eigenschaft schon bei der Hamburg-Amerika-Linie tätig gewesen war. Er hat sich sodann noch durch Teilnahme an einem wissenschaftlichen Kursus auf dem Marineobservatorium in Wilhelmshaven für seine besonderen Aufgaben vorbereitet.
Der ältere Zweite Offizier der Expedition war Herr Richard Vahsel, ebenfalls aus dem Dienst der Hamburg-Amerika-Linie zu uns herübergekommen. Er pflegte sich seiner Aufgabe zu vergewissern, ehe er sie übernahm, wusste sie dann aber zielbewusst und sicher zu Ende zu führen. In der Wirtschaft der Expedition hatte Herr Vahsel