Zum Kontinent des eisigen Südens. Erich von Drygalski
Stelle Maschinenassistent wurde. Reinhold Michael war erst in Kapstadt zu uns gestoßen und wurde nach einigen einleitenden Tagen in der Maschine, später in Nebendiensten verwendet.
Last not least komme ich zu zwei wichtigen und tüchtigen Mitgliedern der Expedition, dem Koch und dem Steward.
Wilhelm Schwarz war seit Kapstadt unser Koch; er wusste mit der Konservenkost Bescheid und verstand dieselbe schmackhaft zuzubereiten. Auch in der Herrichtung der Landesnahrung, wenn man die antarktischen Produkte so bezeichnen darf, also im Wesentlichen der Robben und Pinguine, war er willig und geschickt und versuchte auch hierin, Abwechslung zu bieten.
Sowohl an Menge der Pflichten als auch an Tüchtigkeit zu deren Bewältigung von keinem übertroffen war August Besenbrock, der Steward der Expedition. Er war immer willig und übernahm Arbeiten auch über den Bereich seiner engeren Pflichten hinaus. Sein Wirken in der Pantry verschönte er sich dabei gern durch einen das Schiff durchdringenden Gesang patriotischer Lieder und duldete in seinem dortigen Bereich Eingriffe höchstens gelegentlich von einem der ihm eng befreundeten Hunde.
Auf den Kerguelen ließen wir die Matrosen Josef Urbansky und Georg Wienke zurück. Ersterer, vom Seebataillon für die Expedition beurlaubt, hatte sie bis nach den Kerguelen auf dem »Gauß« begleitet. Er hat seine Pflichten auf den Kerguelen treu und zuverlässig erfüllt, insbesondere auch in seiner Eigenschaft als Schlosser gute Dienste geleistet.
Georg Wienke hatte die Herren Enzensperger und Dr. Luyken bei ihrer Fahrt über Sydney begleitet. Er versah auf der dortigen Station die Küche, außerdem hatte er an dem Museum für Naturkunde zu Berlin Ausbildung im Präparieren und Konservieren von biologischen Sammlungen erhalten.
Über die allgemeine Organisation der Expedition kann ich mich kurzfassen, denn ich war und bin auch heute der Ansicht, dass die wohldurchdachteste Organisation eine leere Form bleibt, wenn nicht die Persönlichkeiten dazu da sind, sie mit lebendigem Inhalt zu erfüllen. Aus diesem Grund habe ich die Expedition hinsichtlich der Durchführung des von mir vorbereiteten Plans wesentlich als ein menschliches Problem gefasst. Ich habe deshalb dagegen Stellung genommen, dass in der Organisation etwa eine wissenschaftliche und eine nautische Leitung vorgesehen würden, da es naturgemäß nur eine Leitung geben kann und infolgedessen auch gab. Auf dieser persönlichen Grundlage galt für die Expedition als Ganzes wie für ihre einzelnen Teile das Prinzip der Freiheit, der verantwortungsvollen Entscheidung an Ort und Stelle für jeden innerhalb seines Gebiets, doch im Rahmen des Ganzen. Dies wurde nicht von allen Mitgliedern und auch nicht immer als leicht empfunden, von der Mehrzahl jedoch als richtig erkannt und dann auch richtig benutzt.
Als besonders förderlich wurde es von allen empfunden, dass wir nicht an ein bestimmtes Programm gebunden waren, wie es in früheren Fällen durch Kommissionen in der Heimat festgestellt wurde. Ich verkenne den Wert solcher Programme nicht, ich glaube jedoch, dass Kommissionen mit solchen Programmen nur beratend, nicht bestimmend wirken können, mögen sie aus noch so kompetenten Fachleuten bestehen. Instruktionen können nur erfüllt werden, wenn sie allgemein gehalten sind und die Ausführung im Einzelnen der Expedition überlassen. Denn selbst an Ort und Stelle ist es häufig schwer, einen Rat zu erteilen, weil es in der unbekannten Umgebung dem anderen leichter sein kann, sich selbst auf irgendeinem Wege durchzuschlagen.
Die uns erteilten Anweisungen waren ganz allgemein gehalten. Die Grundlagen dafür sind in einem Allerhöchsten Erlass niedergelegt, welcher an den Herrn Reichskanzler, Reichsamt des Innern, gerichtet ist und folgenden Wortlaut hat:
Ich bestelle den außerordentlichen Professor an der Universität Berlin, Dr. Erich von Drygalski, zum Leiter der Deutschen Südpolarexpedition. Die Expedition hat im August Kiel zu verlassen und sich nach den Kerguelen zu begeben. Auf denselben ist eine magnetisch-meteorologische Station zu errichten. Alsdann ist die Fahrt nach Süden hin fortzusetzen. Als Forschungsfeld gilt die indisch-atlantische Seite des Südpolargebiets. Falls die Erreichung eines Südpolarlandes gelingt, ist, wenn angängig, auf demselben eine wissenschaftliche Station zu gründen und tunlichst während eines Jahres zu unterhalten. Die Rückkehr ist nach Bestimmungen des Expeditionsleiters im Frühjahr 1903 oder spätestens im Frühjahr 1904 anzustreben. Ich beauftrage Sie, die weiteren Ausführungsbestimmungen zu erlassen.
Gudvangen, an Bord meiner Yacht »Hohenzollern«,
den 18. Juli 1901.
gez. Wilhelm. I. E. gez. Graf von Posadowsky.
Die von dem Herrn Staatssekretär des Innern unter demselben Datum erlassenen Ausführungsbestimmungen waren ebenfalls nach dem Grundsatz der Bewegungsfreiheit für die ausführenden Persönlichkeiten gehalten und berührten nur einzelne fundamentale Fragen der Organisation.
Von besonderer Wichtigkeit war darin das Verhältnis zwischen dem Leiter der Expedition und dem Führer des Schiffs, da, wenn der Leiter kein Seemann ist, rein sachlich Fälle denkbar sind, in welchen der Schiffsführer infolge der ihm rechtlich obliegenden Verantwortung für Leben und Eigentum auf dem Schiff nicht in der Lage ist, den Anforderungen des Leiters nicht zu entsprechen. Diese Tatsache war mit dem unbeschränkten Verfügungsrecht über die personellen und materiellen Bestände der Expedition, welches dem Leiter zustand, in Einklang zu bringen.
Die Lösung wurde in einer Bestimmung gegeben, nach welcher für den Schiffsführer das Recht, den Weisungen des Leiters nicht zu folgen, für den einzigen Fall bestand, dass er in dieser Weisung eine unmittelbare Gefahr für Leben und Eigentum auf dem Schiff erblickte.
Schließlich seien noch wenige Worte über die rechtlichen Verhältnisse der Expedition gesagt, die insofern besondere waren, als die deutsche Schifffahrt in fremden Gewässern sonst den Bestimmungen der Kriegs- oder Handelsmarine unterliegt, für den »Gauß« aber keine von beiden wirkliche Anwendung hatte, da er als Forschungsschiff des Reichs nicht zur Handelsmarine gehörte und andererseits auch den Bestimmungen der Kriegsmarine nicht unterstehen konnte, seiner Zwecke wegen und wegen der Art seiner Besatzung.
Nach langen Erwägungen wurde die Auskunft getroffen, für das Verhältnis des Schiffsführers zur Schiffsbesatzung die Bestimmungen der Handelsmarine, also die Seemannsordnung, gelten zu lassen.
Die Ergebnisse der Expedition und die anzulegenden Sammlungen wurden Eigentum des Reichs, welches über deren Verwertung unter tunlichster Beteiligung der Mitglieder zu verfügen sich vorbehielt. Die Bestimmungen der Dienstanweisung betonen sonst vor allem die Gemeinsamkeit der Interessen aller Mitglieder, die Einheitlichkeit der Expedition nach außen und nach innen sowie den nationalen Charakter des Ganzen.
Der »Gauß« und seine Ausrüstung
Bei der Ausrüstung der Expedition stand naturgemäß die Sorge für den Bau eines geeigneten Schiffes allen anderen voran. Dieser war von dem Reichsmarineamt, in die Wege geleitet worden.
Es wurde am »Gauß« naturgemäß bis zum Moment der Abreise gebaut und gebessert, und noch nach derselben in den Tagen der letzten Vorbereitungen sind Arbeiter der Howaldtswerke auf der Unterelbe dabei tätig gewesen.
Der »Gauß« ist sicherlich das beste Polarschiff gewesen, das je existiert hat, und es hieße seinem hohen Wert nur zu nahezutreten, wenn man unerwähnt lassen würde, was unsere späteren Erfahrungen darin zu verändern gefunden haben.
Nach der üblichen Bezeichnungsweise war der »Gauß« ein Dreimast-Marssegelschoner mit Hilfsmaschine. Auf der Segelschiffstakelage beruhte mithin in erster Linie die Fahrt des Schiffes, doch konnte die Maschine dafür naturgemäß auch für sich allein Verwendung finden, wie es später im Eis sogar fast ausschließlich der Fall war.
Die Abmessungen des »Gauß« stellten sich wie folgt:
Länge zwischen den Perpendikeln | 46,00 m |
Breite auf Außenhaut | 11,27 m |
Tiefe des inneren Raumes bis zum Oberdeck | 6,30 m |
Konstruktionstiefgang mit 546 t Last | 4,80 m |