Gesammelte Werke. Джек Лондон
Männern stellte sich wie eine Mauer dazwischen. Er bemerkte die weißen, teigartigen Gesichter, denen man ansah, dass sie selten von der Sonne beschienen wurden, und erkannte, dass die Männer, die ihm den Weg versperrten, die nächtlichen, beutelüsternen Bestien der Stadtdschungel waren. Von ihnen wurde er wieder gegen Patsy geworfen, der ihn wie ein angreifender Stier ansprang.
Wieder kam es zum Clinch, bei dem Watson, der sich jetzt in Sicherheit befand, noch einmal an die Bande appellierte. Aber er predigte tauben Ohren. Und in diesem Augenblick wurde er ängstlich, denn er hatte von vielen ganz ähnlichen Situationen in Kneipen wie dieser gehört, bei denen einzelnen Männern Rippen und Nasenbeine eingeschlagen oder sie zu Tode geprügelt und getreten worden waren.
Sieben gegen einen war unter keinen Umständen ehrliches Spiel. Auch er war zornig, und das kämpfende Tier, das in allen Männern steckt, begann sich in ihm zu regen. Aber er dachte an seine Frau und seine Kinder, an sein unvollendetes Buch und die zehntausend Morgen wogenden Ackerlandes um die Ranch, die er im Norden besaß, und die er so heiß liebte. Er sah vor seinem inneren Auge sogar in einer blendenden Vision den blauen Himmel und den goldenen Sonnenschein, der sich über ihn ergoss. Blumenübersäte Wiesen, das träge Vieh, das bis zu den Knien in den Bächen stand, das Aufblitzen einer Forelle in der Stromschnelle. Das Leben war schön zu schön für ihn, um es dazu aufs Spiel zu setzen, dass er dem Tier in sich für einen Augenblick die Zügel schießen ließ.
Sein Gegner, der sich aus der Umklammerung nicht befreien konnte, versuchte ihn zu werfen. Wieder brachte Watson ihn zu Boden und riss sich los, aber wieder wurde er von dem teiggesichtigen Kreis zurückgeworfen, musste die schwingende Rechte Patsys parieren und einen neuen Ringkampf beginnen. Das wiederholte sich dreimal. Und Watson wurde, wenn möglich, noch kaltblütiger, während der enttäuschte Patsy, der sich außerstande sah, ihm etwas zu tun, immer wilder tobte. In der Umklammerung begann er jetzt mit dem Kopf zu stoßen. Das erste Mal hieb er mit der Stirn Watson gerade auf die Nase. Von jetzt an barg Watson beim Clinchen sein Gesicht an Patsys Brust. Aber der wütende Kerl stieß weiter mit dem Kopf um sich und schlug sich selbst Auge, Nase und Backe an dem Scheitel des anderen. Und je mehr Schaden Patsy sich auf diese Weise zufügte, desto öfter und härter stieß er mit dem Kopf um sich.
Dieser einseitige Kampf dauerte zwölf bis fünfzehn Minuten. Watson schlug nicht einmal zu, sondern suchte nur zu entkommen. Zuweilen, wenn er in den Augenblicken, da er sich losgerissen hatte, bei seinen Versuchen, die Tür zu erreichen, um die Tische kreiste, packten die teiggesichtigen Burschen ihn an den Rockschößen und schleuderten ihn zurück, gegen die erhobene Rechte des vorstürmenden Patsy. Immer wieder umklammerte er Patsy und warf ihn auf den Rücken, und dabei drehte er sich jedes Mal um und legte ihn in die Richtung der Tür, wodurch er seinem Ziel um die Länge des Falles näherkam. Schließlich gelangte Watson ohne Hut, atemlos, mit blutender Nase und einem geschwollenen Auge auf die Straße hinaus und lief einem Schutzmann in die Arme.
»Verhaften Sie den Mann!«, ächzte Watson.
»Hallo, Patsy«, sagte der Schutzmann. »Was gibt es hier?«
»Hallo, Charley«, lautete die Antwort. »Der Kerl kommt her –«
»Verhaften Sie den Mann, Herr Wachtmeister«, wiederholte Watson.
»Mach, dass du wegkommst! Immer ruhig«, sagte Patsy.
»Immer ruhig«, fügte der Schutzmann hinzu. »Sonst werde ich Sie einstecken.«
»Nicht, wenn Sie den Mann nicht verhaften. Er hat mich grundlos überfallen.«
»Stimmt das, Patsy?« fragte der Schutzmann.
»Nee, hören Sie, Charley, ich habe Zeugen, bei Gott. Ich saß in meiner Küche und aß einen Teller Suppe, als der Kerl hereinkam und mit mir anbinden wollte. Ich habe ihn mein Lebtag nicht gesehen. Er ist besoffen. –«
»Sehen Sie mich an, Herr Wachtmeister«, protestierte der zornige Watson. »Bin ich betrunken?«
Der Schutzmann sah ihn mit einem finster drohenden Blick an und nickte Patsy zu, dass er fortfahren sollte.
»Der Kerl wollte mit mir anbinden. ›Ich bin Tim McGrat‹, sagte er. ›Hände hoch!‹ Ich lächle, und im selben Augenblick schmeißt er mich – bums – zweimal hin und vergießt meine Suppe. Sehen Sie mein Auge an, ich bin halb totgeschlagen.«
»Was gedenken Sie zu tun, Herr Wachtmeister?« fragte Watson.
»Gehen Sie weiter und verhalten Sie sich ruhig«, lautete die Antwort, »sonst stecke ich Sie ein.«
Die Liebe zur Gerechtigkeit flammte in Carter Watson auf. »Herr Wachtmeister, ich protestiere.«
Aber im selben Augenblick packte der Schutzmann seinen Arm mit einem kräftigen Ruck, dass er fast gefallen wäre. »Los, Sie sind verhaftet.«
»Verhaften Sie ihn auch«, schrie Watson.
»Dazu liegt kein Grund vor«, lautete die Antwort. »Was müssen Sie ihn auch überfallen, wenn er friedlich seine Suppe isst?«
II
Carter Watson war ernstlich böse. Nicht allein, dass er aus reinem Übermut überfallen, dass ihm übel mitgespielt und er zur Polizei geschleppt worden war, die Morgenzeitungen brachten ausnahmslos unheimliche Artikel über seine Betrunkenheit und den Streit mit dem Besitzer des bekannten »Vendôme«. Sie brachten nicht eine einzige wahrheitsgetreue Zeile. Patsy Horan und seine Trabanten beschrieben den Kampf in allen Einzelheiten. Es wurde als eine unbestreitbare Tatsache festgestellt, dass Carter Watson betrunken war. Dreimal war er aus dem Lokal hinaus in den Rinnstein geworfen und dreimal wutspeiend wiedergekommen und sollte dabei erklärt haben, dass er die Bude ausräuchern wolle. »Carter Watson kriegt sein Teil ab«, lautete die erste Überschrift, die er nebst einem großen Bild auf der ersten Seite sah. Andere fette Überschriften lauteten: »Carter Watson trachtet nach den Ehren der Meisterschaft«; »Bekannter Soziologe versucht berüchtigtes Café zu räumen«; »Carter Watson von Patsy Horan in drei Gängen k.o. geschlagen«.
Am nächsten Morgen erschien Carter Watson vor dem Polizeigericht, um sich zu verteidigen. Die Anklage lautete: Carter Watson ist beschuldigt, einen Überfall auf einen gewissen Patsy Horan verübt zu haben. Aber der Staatsanwalt, der bezahlt wird, um gegen jeden vorzugehen, der sich gegen die Staatsgewalt vergangen hat, zog ihn beiseite und sprach unter vier Augen mit ihm.
»Sollen wir nicht die Sache lieber fallenlassen?« meinte der Staatsanwalt. »Ich will Ihnen sagen,