Gesammelte Werke. Джек Лондон
tun wohl am besten, sich zu vergleichen«, wiederholte der Staatsanwalt, und diesmal klang seine Stimme drohend.
Beide Männer kamen eine Woche später vor das von Richter Witberg geleitete Polizeigericht.
»Du hast gar keine Chance«, sagte ein alter Jugendfreund, der frühere Chefredakteur der größten Zeitung der Stadt, zu Watson. »Gott und alle Welt wissen, dass du von diesem Mann überfallen wurdest. Er hat den schlechtesten Ruf. Aber das hilft dir nicht im geringsten. Beide Klagen werden gegeneinander aufgehoben. Und das geschieht auch nur, weil du der bist, welcher du bist. Jeder andere würde verurteilt werden.«
»Aber das verstehe ich nicht«, wandte der verblüffte Watson ein. »Ich bin ohne weiteres von diesem Mann überfallen und misshandelt worden. Ich habe ihm nicht einen einzigen Schlag versetzt. Ich –«
»Das spielt gar keine Rolle«, unterbrach ihn der andere.
»Was spielt denn eine Rolle?«
»Das will ich dir sagen. Du bist jetzt in den Krallen der hiesigen Polizei und des politischen Bandenwesens. Wer bist du denn eigentlich? Du bist nicht einmal Bürger dieser Stadt. Du wohnst irgendwo auf dem Lande. Du hast hier kein Stimmrecht und noch weniger Einfluss auf andere Stimmen. Dieser Kneipenwirt aber beherrscht in seinem Bezirk eine ganze Reihe von Stimmen – eine lange Reihe, eine lange Reihe von Stimmen.«
»Willst du mir einreden, dass dieser Richter Witberg die Heiligkeit seines Amtes und seines Eides verletzen und diesen brutalen Burschen laufen lassen würde?« fragte Watson.
»Du wirst schon sehen«, lautete die unheimliche Antwort. »Oh, er wird seine Sache schon gut machen. Er wird ein durchaus gesetzmäßiges Urteil fällen!«
»Aber die Zeitungen«, rief Watson.
»Die bekämpfen die Verwaltung augenblicklich nicht. Sie werden sich nicht die Finger für dich verbrennen. Du siehst ja, was sie schon über dich geschrieben haben.«
»Und diese Schnösel von Reporter werden also nicht die Wahrheit schreiben?«
»Sie werden etwas schreiben, das der Wahrheit so sehr gleicht, dass das Publikum es glaubt. Sie erhalten ihre Richtlinien, wie sie die Dinge verdrehen und färben sollen, und wenn sie erst ihre Artikel geschrieben haben, ist nicht mehr viel von dir übrig.«
»Aber der Termin ist doch schon angesetzt.«
»Du brauchst nur ein Wort zu sagen, und die Sache wird niedergeschlagen. Man kann nicht mit einer unterirdischen politischen Organisation kämpfen. Es sei denn – man hätte eine ähnliche Organisation hinter sich.«
III
An jenem Morgen, an dem der Termin angesetzt war, machte der Staatsanwalt noch einen Versuch, die Sache beizulegen.
»Wenn Sie die Sache so ansehen, hätte ich Lust, einen Rechtsanwalt mit der Verfolgung der Angelegenheit zu betrauen«, sagte Watson.
»Nein, das hätte keinen Zweck«, sagte der Staatsanwalt. »Ich werde dafür bezahlt, um anzuklagen, und anklagen werde ich. Aber das sage ich Ihnen, Sie haben keine Chance. Wir legen beide Sachen zusammen, und dann werden Sie was erleben.«
Richter Witberg machte einen guten Eindruck auf Watson. Er war ein angenehmer junger Mann, nicht groß, aber ganz kräftig gebaut, glatt rasiert und mit einem intelligenten Gesicht. Dieser gute Eindruck wurde noch verstärkt, wenn man sein Lächeln und die Lachfältchen um seine schwarzen Augen sah. Als Watson ihn anschaute und sein Gesicht studierte, fühlte er sich beinahe sicher, dass die Prophezeiung seines alten Freundes nicht in Erfüllung gehen würde. Aber Watson musste bald einsehen, dass er sich irrte. Patsy Horan und zwei von seinen Trabanten legten ein Zeugnis ab, das Stoff für eine Kette von Meineidsprozessen hätte abgeben können. Watson würde es nicht für möglich gehalten haben, wenn er es nicht erlebt hätte. Sie leugneten die Existenz der anderen vier, und von den beiden, die aussagten, behauptete der eine, Zeuge von Watsons grundlosem Überfall auf Patsy in der Küche gewesen zu sein, während der andere in der Schankstube geblieben und Zeuge von Watsons zweitem und drittem Einbruch in das Lokal gewesen sein wollte, bei dem er versucht haben sollte, den wehrlosen Patsy zu erschlagen. Die schändliche Sprache, die sie Watson unterschoben, war so schamlos, dass er das Gefühl hatte, sie schade ihrer eigenen Sache. Es war ganz undenkbar, dass er etwas Derartiges gesagt haben könnte. Als sie aber die brutalen Schläge beschrieben, die er auf das Gesicht des armen Patsy hatte sausen lassen, und von dem Stuhl erzählten, den er bei dem vergeblichen Versuch, Patsy mit Fußtritten zu traktieren, zerbrochen hätte, lachte Watson im stillen, aber gleichzeitig wurde ihm recht traurig zumute. Die Verhandlung war eine Komödie, aber es war niederschlagend; Zeuge eines solchen Spiels zu sein. Watson konnte sich selber nicht wiedererkennen, und sein ärgster Feind hätte ihn nicht wiedererkannt in dem eisenfresserischen, rüpelhaften Bild, das sie von ihm malten. Aber wie in allen verwickelten Meineidsfällen offenbarten sich in den verschiedenen Berichten Lücken und Widersprüche. Der Richter schien sie nicht zu bemerken, und der Staatsanwalt sowie Patsys Anwalt gingen gewandt über sie hinweg. Watson hatte sich keinen Rechtsanwalt genommen, und jetzt freute er sich, dass er es nicht getan hatte.
Dennoch hatte er, als er selbst vor die Schranke trat, um seinen Bericht abzustatten, einiges Vertrauen zu Richter Witberg.
»Ich kam zufällig durch die Straße«, begann Watson, wurde aber vom Richter unterbrochen.
»Wir sind nicht hier, um Ihre zufälligen Handlungen zu beurteilen«, fauchte Witberg. »Wer schlug zuerst?«
»Herr Richter«, sagte Watson. »Ich habe keinen Zeugen für die eigentlichen Prügeleien, und die Wahrheit meiner Darlegung kann nur dadurch erwiesen werden, dass ich die ganze –«
Wieder wurde er unterbrochen.
»Wir wollen hier keine Magazingeschichten hören«, brüllte Richter Witberg und sah ihn so wütend und böse an, dass Watson kaum in ihm den Mann wiedererkennen konnte, den er erst vor wenigen Momenten beobachtet hatte.
»Wer schlug zuerst?« fragte Patsys Anwalt. Der Staatsanwalt unterbrach ihn und wollte wissen, um welche von den beiden Sachen, die zu einer zusammengelegt waren, es sich hier handelte, und mit welchem Recht Patsys Anwalt in diesem Stadium der Angelegenheit ein Zeugenverhör verlangte. Patsys Anwalt antwortete ihm. Richter Witberg griff ein, erklärte, nichts davon zu wissen, dass zwei Sachen zusammengelegt waren. All das