Gesammelte Werke. Джек Лондон
sind und Lanzen tragen.«
»Der Stier ist von vornherein zum Tode verurteilt«, sagte John Harned. »Sind das die Pferde auch?«
»Sie tragen Binden vor den Augen, sodass sie den Stier nicht sehen können«, sagte Luis Cervallos. »Ich habe oft gesehen, wenn Pferde getötet wurden. Es ist ein prachtvoller Anblick.«
»Ich habe gesehen, wie der Stier geschlachtet wurde«, sagte John Harned. »Jetzt will ich auch sehen, wie das Pferd geschlachtet wird, damit ich mehr von den Feinheiten dieses Sports verstehe.«
»Es sind alte Pferde«, sagte Luis Cervallos. »Sie taugen sonst zu nichts mehr.«
»Ach so«, sagte John Harned.
Der dritte Stier kam herein, und bald standen ihm Kapeadore und Pikadore gegenüber. Ein Pikador hatte gerade unter uns Posten gefasst.
Ich gebe zu, dass es ein mageres altes Tier war, das er ritt, ein mit räudiger Pferdehaut überzogenes Gerippe.
»Es ist unglaublich, dass das arme Vieh das Gewicht des Reiters tragen kann«, sagte John Harned. »Und was für Waffen hat das Pferd nun, um mit dem Stier kämpfen zu können?«
»Das Pferd kämpft nicht mit dem Stier«, sagte Luis Cervallos.
»Ach«, sagte John Harned, »dann ist das Pferd wohl dazu da, um aufgespießt zu werden.«
»Ganz so ist es nicht«, sagte ich. »Die Lanze des Pikadors soll den Stier davon abhalten, das Pferd aufzuspießen.«
»Dann werden Pferde also selten aufgespießt?« fragte John Harned.
»Nein«, antwortete Luis Cervallos. »In Sevilla habe ich gesehen, wie achtzehn Pferde an einem einzigen Tag aufgespießt wurden, und das Volk rief nach noch mehr Pferden.«
»Waren ihnen allen die Augen verbunden, wie diesem Pferd?« fragte John Harned.
»Ja«, sagte Luis Cervallos.
Dann sprachen sie nicht mehr und beobachteten den Kampf, und John Harned wurde dabei verrückt, und wir wussten es nicht. Der Stier wollte das Pferd nicht angreifen. Und das Pferd blieb stehen, und da es nichts sehen konnte, wusste es nicht, dass die Kapeadore versuchten, den Stier zu einem Angriff zu hetzen. Die Kapeadore neckten den Stier mit ihren Umhängen, und als er angriff, liefen sie auf das Pferd zu und dann in Deckung. Schließlich wurde der Stier wütend und erblickte das Pferd vor sich.
»Das Pferd weiß es nicht, das Pferd weiß es nicht«, flüsterte John Harned vor sich hin, ohne zu merken, dass er seine Gedanken laut aussprach.
Der Stier griff an, und natürlich wusste das Pferd nichts, bis der Pikador mit seiner Lanze fehlstieß und das Pferd von dem Horn des Stiers aufgespießt war. Der Stier war ungewöhnlich stark. Seine Stärke war prachtvoll. Er hob das Pferd empor, und als es dann zu Boden stürzte und auf die Seite fiel, kam der Pikador auf seine Füße zu stehen und flüchtete, während die Kapeadore den Stier fortlockten. Alle wichtigen Organe wurden aus dem Pferd herausgepresst. Dennoch erhob es sich mit schrillem Schmerzensschrei. Der Schrei des Pferdes war es, der John Harned völlig verrückt machte. Ich hörte ihn leise fluchen und tief knurren. Keinen Augenblick ließ er das Pferd aus den Augen, das, immer noch schreiend, fortzulaufen versuchte. Aber nun stürzte es und fiel auf den Rücken und streckte alle vier Beine in die Luft. Dann griff der Stier von neuem an und durchbohrte es immer wieder, bis es tot war.
Jetzt stand John Harned auf. Seine Augen waren nicht mehr kalt wie Stahl. Sie waren wie blaue Flammen. Er sah Maria Valenzuela an, und sie sah ihn an. Der Wahnsinn hatte ihn gepackt. Jetzt, da das Pferd tot war, blickten ihn alle an; und John Harned war ein auffallend großer Mann.
»Setzen Sie sich«, sagte Luis Cervallos, »sonst machen Sie sich lächerlich.«
John Harned antwortete nicht. Er ballte die Faust und schlug zu. Er schlug Luis Cervallos ins Gesicht, dass er wie ein Toter über die Stühle fiel und nicht wieder aufstand. Er sah nichts von dem, was jetzt folgte. Aber ich sah viel. Urcisino Castillo beugte sich über die Logenbrüstung und schlug mit seinem Stuhl John Harned mitten ins Gesicht. Und John Harned schlug ihn mit seiner Faust, dass er fiel und im Fallen General Salazar mitriss. John Harned hatte das, was Sie Berserkerwut nennen, nicht wahr? Die Bestie in ihm war losgelassen und tobte – die uralte Bestie aus den Höhlen und Schlupfwinkeln der Vorzeit.
»Ihr kamt des Stierkampfes wegen«, hörte ich ihn sagen. »Aber bei Gott, ich will euch einen Männerkampf zeigen!«
Und es wurde ein Kampf. Die Soldaten, die als Wachtposten neben der Präsidentenloge standen, sprangen hinzu, aber er entriss einem von ihnen das Gewehr und schlug sie damit auf die Köpfe. Aus der anderen Loge schoss Oberst Jacinto Fierro mit dem Revolver auf ihn. Der erste Schuss tötete einen Soldaten. Der zweite Schuss traf John Harned in die Seite. Da fluchte er und jagte das Bajonett, das auf dem Gewehr steckte, Oberst Jacinto Fierro mit einem Stoß durch den Leib. Es war ein schrecklicher Anblick. Amerikaner und Engländer sind eine brutale Rasse. Sie rümpfen die Nase über unsere Stierkämpfe, aber dabei freut es sie, Blut zu vergießen. Es wurden an diesem Tage von John Harned mehr Männer getötet, als je getötet worden sind, seit die Stierkampfarenen in Quito, in Guayaquil und den anderen Städten von Ecuador bestanden haben.
Der Schrei des Pferdes hatte die Schuld. Aber warum wurde John Harned nicht wahnsinnig, als der Stier getötet wurde? Tier ist Tier, ob es nun ein Stier oder ein Pferd ist. John Harned war verrückt. Es gibt keine andere Erklärung. Er wollte Blut sehen, er war selber eine Bestie. Urteilen Sie selbst. Was ist schlimmer: dass ein Pferd von einem Stier aufgespießt wird, oder Oberst Jacinto Fierro von John Harned mit dem Bajonett? Er war wie vom Teufel besessen. Er kämpfte, obwohl er von vielen Kugeln getroffen war, bis zum letzten Atemzug. Maria Valenzuela war eine tapfere Frau. Sie schrie nicht, noch fiel sie in Ohnmacht. Sie saß still in ihrer Loge und starrte über die Arena hinweg. Ihr Gesicht war weiß, und sie fächelte sich, aber sie sah sich nicht ein einziges Mal um.
Von allen Seiten drängten Soldaten und Offiziere und das Volk heran, um den verrückten Gringo zu überwältigen. Es ist wahr – ein Ruf kam aus der Menge, alle Gringos zu töten. Das ist ein wohlbekannter Ruf in den lateinamerikanischen Ländern, den die Gringos selbst durch ihre Unbeliebtheit und ihre rohen Manieren verschuldet haben. Man kann nicht leugnen, dass dieser Ruf ertönte. Aber die tapferen Ecuadorianer töteten nur John Harned, nachdem er sieben von ihnen getötet hatte. Außerdem gab es viele Verwundete. Ich habe manchen Stierkampf gesehen, nie aber habe ich so etwas Abscheuliches gesehen wie die Szene in den Logen, als der Kampf vorbei war. Es war wie nach einer Wahl. Überall lagen die Toten umher, und die Verwundeten schluchzten und stöhnten. Einige von ihnen starben. Ein Mann, dem John Harned das Bajonett durch