Gesammelte Werke. Джек Лондон
er bewegte die Hand hin und her. Dann steckte er sie in die Tasche und holte seinen Geldbeutel hervor.
»Wie viel?«
Der Arzt schüttelte ungeduldig den Kopf. »Nichts, ich praktiziere im Augenblick nicht – Sie spielen aus, Bob!«
Der Schwede trat schwerfällig von einem seiner riesigen Füße auf den anderen, besah sich den Finger wieder und wandte sich dann mit einem bewundernden Blick an den Doktor.
»Sie sind ein guter Mensch. Wie heißen Sie?«
»Linday, Dr. Linday«, antwortete Stroters kurz, als wollte er seinen Spielgegner nicht noch mehr reizen.
»Der Tag ist ja schon halb vorbei«, sagte Dr. Linday zu dem Schweden, als das Spiel fertig war und er die Karten zu mischen begann. »Es ist besser, Sie bleiben die Nacht über hier. Es ist zu kalt zum Fahren heute. Drüben ist eine Reservekoje.«
Er war ein schlanker, dunkelhaariger Mann mit hagerem Gesicht und dünnen Lippen und kräftig gebaut. Sein glattrasiertes Gesicht war blass, aber gesund. Alle seine Bewegungen waren schnell und entschieden. Er suchte nicht, wie die anderen, in seinen Karten. Seine schwarzen Augen hatten einen offenen, scharfen Blick, der den Eindruck machte, als könnte er die Oberfläche aller Sachen durchdringen. Seine Hände waren schlank, fein und nervig. Sie schienen für Arbeiten geschaffen, die Zartheit und feines Empfinden erforderten, und machten dabei doch selbst auf den unerfahrensten Beobachter einen Eindruck von Kraft.
»Gewonnen«, sagte er, als er den letzten Stich einstrich. »Jetzt gilt es den Rubber, und wer das Loch ins Eis machen muss.«
Ein energisches Klopfen an der Tür hatte einen schnellen Ausruf von ihm zu Folge.
»Wir sollen, scheint’s, nie mit diesem Rubber fertig werden«, sagte er, als die Tür sich öffnete. »Was bringen Sie denn?« Diese letzten Worte galten einem Fremden, der soeben eintrat.
Der Ankömmling bemühte sich vergeblich, die Eiskruste von Wangen und Kinn zu entfernen. Es war deutlich zu sehen, dass er lange Stunden und Tage unterwegs gewesen war. Die Haut über den Backenknochen war infolge mehrfacher Erfrierungen schwarz geworden. Das Gesicht war von der Nase bis zum Kinn mit Eis bedeckt. Ein Loch, das sein warmer Atem darin geschmolzen hatte, zeigte, wo sein Mund sein musste. Durch dieses Loch hatte er Kautabaksoße gespien, die, sobald sie den Mund verließ, gefroren war. Es sah deshalb aus, als ob er einen ambrafarbenen Van-Dyck-Bart trüge. Aber es war nur der gefrorene Tabaksaft.
Ohne ein Wort zu sprechen, schüttelte er den Kopf, lächelte freundlich mit den Augen und schob sich näher an den Ofen heran, um sich dort den Mund aufzutauen und dann sein Anliegen vorbringen zu können. Dieses Vorhaben verschaffte ihm reichliche Verwendung für seine Finger, mit denen er sich ganze Eisstücke aus dem Bart riss, die er auf den Ofen warf, wo sie knisterten und zischten.
»Ich bringe gar nichts«, erklärte er schließlich. »Wenn es hier im Lager aber einen Doktor gibt, so brauche ich ihn trotzdem. Am Kleinen Peco liegt ein Mann, der einen Zusammenstoß mit einem Panther gehabt hat, und das Biest ist dabei ganz ruppig mit ihm umgegangen.«
»Ist es weit von hier?« fragte Doktor Linday.
»Na – hundert Meilen mindestens.«
»Und wie lange ist es her?«
»Ich bin drei Tage unterwegs gewesen.«
»Schlimm?«
»Die Schulter ist ausgerenkt. Und einige Rippen sind totsicher gebrochen. Der rechte Arm auch. Und das Fleisch ist fast am ganzen Körper – außer dem Gesicht – bis zu den Knochen abgerissen. Zwei oder drei Stellen haben wir ihm notdürftig zusammengenäht und die Arterien mit Bindfaden abgebunden.«
»Das wird schön sein«, knurrte Linday spöttisch. »Wo sind die Stellen denn?«
»Am Bauch.«
»Dann ist er schon erledigt.«
»Nein, so wahr ich lebe. Wir haben alles, bevor wir ihn nähten, mit desinfizierenden Mitteln gebeizt. Nur bis auf weiteres natürlich. Wir hatten eben nichts anderes als gewöhnlichen Bindfaden, aber wir haben ihn wenigstens gewaschen.«
»Er ist so gut wie tot«, erklärte Dr. Linday, während er ärgerlich mit den Karten herumhantierte.
»Keine Rede davon. Der Mann wird nicht sterben. Er weiß, dass ich den Doktor hole, und wird schon dafür sorgen, dass er noch am Leben ist, wenn ich wiederkomme. Er denkt nicht daran, zu sterben. Ich kenne ihn.«
»Christian Science und kalter Brand, nicht wahr?« knurrte der Arzt. »Nun, ich praktiziere überhaupt nicht. Und außerdem sehe ich nicht ein, warum ich bei einer Temperatur von fünfzig Grad unter Null wegen eines toten Mannes hundert Meilen weit fahren sollte.«
»Aber ich sehe es ein. Es handelt sich um einen Mann, der gar nicht daran denkt, zu sterben …«
Linday schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, dass Sie den weiten Weg umsonst gemacht haben. Es ist besser, Sie bleiben die Nacht über hier.«
»Ausgeschlossen. In zehn Minuten fahre ich ab.«
»Wieso sind Sie Ihrer Sache denn so sicher?« fragte Linday mürrisch.
Und dann kam der Augenblick, da Tom Daw die längste und beste Rede seines Lebens hielt.
»Weil er am Leben bleiben wird, bis Sie kommen, und wenn es eine Woche dauern sollte, Sie zu überreden. Und weil seine Frau bei ihm ist. Und sie heult nicht und weint nicht, sondern hilft ihm ganz still, am Leben zu bleiben, bis Sie kommen. Sie haben einander mächtig lieb, und sie hat genau so einen Willen wie er. Wenn er abfahren wollte, würde sie einfach ihre unsterbliche Seele in seine hineinpusten und ihn wieder lebendig machen. Obgleich es ihm ja gar nicht so schlecht gehen wird. Aber Sie können darauf schwören, dass sie es tun würde. Ich gehe jede Wette ein. Ich halte drei gegen eins, in reinem Gold, dass er noch am Leben ist, wenn Sie hinkommen. Ich habe ein frisches Gespann am Ufer. Sie müssen in zehn Minuten zum Abfahren fertig sein. Und ich glaube, wir brauchen nicht mal drei Tage für die Fahrt, weil der Schnee auf meiner Fährte schon festgefahren ist. Ich gehe jetzt zu den Hunden; in zehn Minuten komme ich und hole Sie ab.«
Tom Daw band sich wieder die Ohrenklappen herunter, zog sich die Fäustlinge an und verschwand.
»Der Teufel soll ihn holen!« rief Dr. Linday und warf einen rachsüchtigen Blick nach der geschlossenen Tür.
Erst lange nach Eintritt der Dunkelheit schlugen Dr. Linday und Tom Daw am selben Abend ihr erstes Lager auf. Sie hatten bereits fünfundzwanzig Meilen zurückgelegt. Das Lagern war eine sehr einfache Sache. Sie machten Feuer im Schnee, neben das Feuer legten sie ihre Schlafsäcke auf