Gesammelte Werke. Джек Лондон

Gesammelte Werke - Джек Лондон


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mir nach­her hel­fen … Und hö­ren Sie jetzt ge­nau zu, wenn ich Ih­nen die nö­ti­gen In­struk­tio­nen gebe! Zu­nächst … aber sa­gen Sie mir zu­nächst, ob Sie wis­sen, wie man den Puls fühlt?«

      Lin­day hat­te längst einen Ruf als küh­ner und er­folg­rei­cher Chir­urg, aber in den Ta­gen und Wo­chen, die jetzt folg­ten, über­traf er sich selbst in je­der Be­zie­hung. Die furcht­ba­re Ver­stüm­me­lung so­wie die lan­ge Ver­zö­ge­rung der Ope­ra­ti­on durch die lan­ge Rei­se mach­ten es zum schlimms­ten Fall, den er je er­lebt hat­te. An­de­rer­seits hat­te er auch nie ein so ge­sun­des Exem­plar der mensch­li­chen Ras­se un­ter sei­nem Mes­ser ge­habt. Und doch hät­te er auch jetzt noch Mis­ser­folg ha­ben kön­nen, wäre sein Pa­ti­ent nicht von ei­ner kat­zen­haf­ten Vi­ta­li­tät und ei­nem fast un­heim­li­chen phy­si­schen wie geis­ti­gen Le­bens­wil­len ge­we­sen.

      Es gab Tage, an de­nen er mit ho­hem Fie­ber lag und fan­ta­sier­te. Tage vol­ler Hoff­nungs­lo­sig­keit, an de­nen sein Puls kaum zu spü­ren war. An­de­re Tage, an de­nen er bei vol­lem Be­wusst­sein und mit mü­den Au­gen, den Schweiß der Qual auf dem ver­zerr­ten Ge­sicht, dalag. Lin­day war un­er­müd­lich tä­tig – bis zur Grau­sam­keit, ver­we­gen und er­folg­reich. Im­mer wie­der wag­te er Un­glaub­li­ches und sieg­te. Er be­gnüg­te sich nicht da­mit, das Le­ben die­ses Man­nes zu ret­ten. Er wid­me­te sich dem ge­fähr­li­chen und schwie­ri­gen Pro­blem, ihn wie­der voll­kom­men heil und kräf­tig zu ma­chen.

      »Wird er ein Krüp­pel blei­ben?« frag­te Mad­ge.

      »Er soll nicht nur re­den und ge­hen und eine hum­peln­de Ka­ri­ka­tur sei­nes frü­he­ren Ichs wer­den«, er­klär­te ihr Lin­day. »Er soll sprin­gen und lau­fen, im Stru­del schwim­men, Bä­ren ja­gen, mit Pan­thern kämp­fen und al­les tun kön­nen, was er in sei­ner Ver­rückt­heit zu tun wünscht. Und er wird – ich war­ne dich –, er wird Frau­en be­zau­bern. Ganz wie in frü­he­ren Ta­gen. Wün­schest du das wirk­lich? Bist du zu­frie­den da­mit? Ver­giss nicht, dass du nicht bei ihm sein wirst!«

      »Mach nur wei­ter«, stöhn­te sie. »Mach ihn heil. Mach ihn zu dem, was er war.«

      Mehr als ein­mal ge­sch­ah es, dass Lin­day, wenn Strangs Zu­stand es er­laub­te, ihn wie­der be­täub­te und Furcht­ba­res mit ihm vor­nahm, schnitt und näh­te, Tei­le von dem zer­ris­se­nen Or­ga­nis­mus aus­ein­an­der­nahm und wie­der zu­sam­men­füg­te. Spä­ter zeig­te es sich, dass der eine Arm steif ge­blie­ben war. Lin­day ver­tief­te sich in die­ses Pro­blem. Wie­der wa­ren Ver­su­che nö­tig, ein­ge­schrumpf­te Seh­nen wur­den ge­dehnt, Glie­der aus­ein­an­der­ge­nom­men, und dann wur­de aber­mals ge­näht, zu­sam­men­ge­fügt und ge­r­eckt. Und das, was Strang ret­te­te, wa­ren sei­ne un­er­hör­te Ge­sund­heit und die Sau­ber­keit sei­nes Flei­sches und Blu­tes.

      »Sie wer­den ihn noch tö­ten«, klag­te der Bru­der. »Las­sen Sie ihn. Um Got­tes wil­len, las­sen Sie ihn in Ruhe. Ein Krüp­pel, der lebt, ist im­mer­hin bes­ser als ein hei­ler Mann, der tot ist.«

      Lin­day wur­de wild vor Zorn. »Hin­aus mit Ih­nen, aus der Hüt­te mit Ih­nen, bis Sie wie­der­kom­men und ein­se­hen, dass ich ihn le­ben­dig ma­che. Bei Gott im Him­mel, Mensch, neh­men Sie sich zu­sam­men, so weit Sie kön­nen. Das Le­ben Ihres Bru­ders steht in die­sem Au­gen­blick auf der Mes­ser­schnei­de. Ver­ste­hen Sie denn nicht? Ein Ge­dan­ke kann ihn er­schla­gen. Und jetzt hin­aus, und kom­men Sie ganz sanft und ru­hig wie­der, voll­kom­men über­zeugt, dass er am Le­ben blei­ben und wie­der wer­den wird, wie er war, be­vor Sie und er wie die Idio­ten mit­ein­an­der spiel­ten. Hin­aus, sage ich!«

      Mit ge­ball­ten Fäus­ten und dro­hen­den Au­gen stand der Bru­der da und frag­te Mad­ge mit Bli­cken um Rat.

      »Bit­te geh«, bet­tel­te sie. »Er hat recht. Ich weiß, dass er recht hat.«

      Als aber der Zu­stand Strangs ein an­der­mal zu Hoff­nun­gen An­lass gab, sag­te der Bru­der:

      »Dok­tor, Sie sind ein Wun­der­tä­ter. Und die gan­ze Zeit habe ich doch ver­ges­sen, nach Ihrem Na­men zu fra­gen.«

      »Der geht Sie auch gar nichts an, zum Teu­fel. Är­gern Sie mich nicht. Hin­aus mit Ih­nen!«

      Der zer­ris­se­ne rech­te Arm woll­te plötz­lich nicht wei­ter­hei­len, son­dern wur­de eine ein­zi­ge gräss­li­che Wun­de.

      »Brand«, sag­te Lin­day.

      »Jetzt ist es ge­nug«, knurr­te der Bru­der.

      »Hal­ten Sie den Mund!« fauch­te Lin­day. »Ge­hen Sie hin­aus. Neh­men Sie Daw mit. Bill eben­falls. Brin­gen Sie Ka­nin­chen … aber le­ben­di­ge! Ge­sun­de! Fan­gen Sie die Tie­re in Fal­len. Stel­len Sie über­all Fal­len auf.«

      »Wie vie­le?« frag­te der Bru­der.

      »Vier­zig … vier­tau­send … vier­zig­tau­send … so­viel Sie krie­gen kön­nen. Sie hel­fen mir, gnä­di­ge Frau. Ich muss den Arm auf­schnei­den und den Scha­den wie­der gut­ma­chen. Also los, Bur­schen! Ihr müsst die Kar­ni­ckel be­schaf­fen.«

      Und er schnitt in den Arm, schnell und si­cher, säu­ber­te den an­ge­grif­fe­nen Kno­chen und stell­te die Aus­brei­tung des Her­des fest.

      »Das wäre nie ge­sche­hen«, sag­te er zu Mad­ge, »wenn nicht so viel an­de­res ge­we­sen wäre, das sei­ne Le­bens­kraft an­ge­grif­fen hat. Nicht ein­mal er hat Le­bens­kraft ge­nug ge­habt, dass al­les gleich­zei­tig hei­len konn­te. Ich habe es kom­men se­hen, aber ich muss­te ab­war­ten, bis es so weit war. Wir müs­sen das kran­ke Stück her­aus­schnei­den. Er könn­te es frei­lich ent­beh­ren, aber ein Kar­ni­ckel­kno­chen wird ihn zu dem ma­chen, was er war.«

      Un­ter den Hun­der­ten von Ka­nin­chen, die sie mit heim­brach­ten, mach­te er eine Aus­le­se, ver­warf, wähl­te, prüf­te, wähl­te wie­der und prüf­te aufs neue, bis er sich end­lich ent­schied. Dann ver­wand­te er sein letz­tes Chlo­ro­form und mach­te die Kno­chen­pfrop­fung … füg­te einen le­ben­den Kno­chen an einen an­de­ren le­ben­den Kno­chen, ver­band den le­ben­den Mann mit dem le­ben­den Ka­nin­chen, un­be­weg­lich und un­lös­bar wur­den sie mit­ein­an­der ver­bun­den und zu­sam­men­ge­fes­selt, wäh­rend ihre ge­mein­sa­men Le­ben­spro­zes­se einen voll­kom­me­nen Arm her­stell­ten.

      Und wäh­rend die­ser gan­zen Ver­su­che und na­ment­lich, als Strang sich zu er­ho­len be­gann, ka­men im­mer wie­der Au­gen­bli­cke, in de­nen Lin­day und Mad­ge auf­ein­an­der an­ge­wie­sen wa­ren und sich mit­ein­an­der un­ter­hiel­ten. Er war durch­aus nicht freund­lich. Sie war aber nie auf­rüh­re­risch.

      »Es ist na­tür­lich sehr lang­wei­lig«, sag­te er zu ihr. »Aber Ge­setz ist nun mal Ge­setz, und du wirst dich des­halb wie­der schei­den las­sen müs­sen, ehe wir zum zwei­ten Mal hei­ra­ten. Was meinst du dazu? Wol­len wir auch dies­mal eine Hoch­zeits­rei­se nach dem Gen­fer See ma­chen?«

      »Ganz wie du willst«, sag­te sie.

      Und bei ei­ner an­de­ren Ge­le­gen­heit sag­te er zu ihr: »Was, zum Teu­fel, hast du denn ei­gent­lich für einen Nar­ren an ihm ge­fres­sen? Ich weiß schon, dass er Geld hat. Aber du und ich wa­ren auf dem bes­ten Wege. Mei­ne Pra­xis brach­te doch im­mer­hin durch­schnitt­lich vier­zig­tau­send im Jahr – ich habe nach­her die Bü­cher durch­ge­se­hen. Pa­läs­te und Dampf­jach­ten wa­ren das ein­zi­ge, was du dir nicht er­lau­ben


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