Gesammelte Werke. Джек Лондон
ihre Antwort. Aber schließlich fügte sie hinzu: »Kein Mensch kann Liebe erklären, ich am allerwenigsten. Ich liebe einfach, ich kenne nur die göttliche und unzerstörbare Tatsache der Liebe, das ist alles, was ich sagen kann. Da war einmal in Fort Vancouver ein Baron von der Hudson-Bay-Company, der den Pfarrer der englischen Kirche rügte, weil er nach Hause geschrieben und sich beklagt hatte, dass alle Angestellten der Company vom Chef bis zum kleinsten Beamten sich Indianerfrauen nahmen. ›Warum haben Sie denn nicht die mildernden Umstände angeführt?‹ fragte der Baron. Und der Pfarrer gab zur Antwort: ›Der Schwanz einer Kuh wächst nach unten. Ich versuche erst gar nicht zu erklären, warum der Schwanz der Kuh nach unten wächst. Ich stelle nur die Tatsache fest.‹«
»Verdammt gescheites Weib!« rief Linday, und seine Augen blitzten vor Ärger.
»Was in aller Welt hat dich denn ausgerechnet nach Klondike geführt?« fragte sie eines Tages.
»Zu viel Geld. Keine Frau, die es ausgeben konnte. Ich wollte auch mal Ruhe haben. Vielleicht ein bisschen überarbeitet. Ich versuchte es mit Kolorado, aber ihre Telegramme verfolgten mich, und einige kamen sogar höchst persönlich. Da ging ich nach Seattle. Genau dieselbe Geschichte! Ransom brachte mir seine Frau in einem Extrazug. Ich konnte mich nicht davon drücken. Die Operation war erfolgreich. Die Zeitungen kriegten Wind davon – den Rest kannst du dir denken. Ich musste mich irgendwo verstecken. Also ging ich nach Klondike … Und … da fand Daw mich, als ich in einer Hütte am Yukon saß und Whist spielte.«
Es kam der Tag, an dem Strangs Bett in die freie Luft getragen wurde und er im Sonnenschein liegen durfte.
»Lass mich ihm jetzt sagen, was kommen soll«, sagte sie zu Linday.
»Nein, warte«, antwortete er.
Einige Zeit darauf konnte Strang auf dem Rand seines Bettes sitzen. Und bald konnte er, auf beiden Seiten gestützt, die ersten unsicheren Schritte wagen.
»Lass mich jetzt mit ihm sprechen«, bat sie.
»Nein. Ich will diese Sache zuerst voll und ganz durchführen. Noch ist eine kleine Starre im linken Arm übrig. Es ist an sich nur eine unbedeutende Geschichte, aber ich will ihn so machen, wie Gott ihn einst gemacht hat. Ich habe mir vorgenommen, den Arm morgen noch einmal zu operieren und den Dreck in Ordnung zu bringen. Er wird wieder ein paar Tage auf dem Rücken liegen müssen. Schade, dass ich kein Chloroform mehr habe. Er muss eben die Zähne zusammenbeißen und aushalten. Das kann er auch. Er hat Energie für ein ganzes Dutzend Männer.«
Es wurde Sommer. Der Schnee schmolz – nur die fernen Gipfel der Rocky Mountains schimmerten noch weiß. Die Tage wurden länger, bis es überhaupt keine Dunkelheit mehr gab. Die Sonne tauchte nur gegen Mitternacht wenige Minuten hinter den Horizont – so hoch im Norden waren sie. Linday hörte nie mit der Arbeit an Strang auf. Er studierte seinen Gang, seine Bewegungen, untersuchte ihn immer wieder, ließ zum tausendsten Male alle seine Muskeln spielen. Er ließ ihn ins Unendliche massieren, bis er erklärte, dass Tom Daw, Bill und der Bruder glänzend vorbereitet für eine Anstellung als Masseure in einem türkischen Bad oder einem Schönheitsinstitut wären. Aber Linday war immer noch nicht zufrieden. Er ließ sein ganzes Repertoire von medizinischen Kunststücken und Kniffen spielen, um nachzuprüfen, ob irgendwo noch eine Schwäche verborgen läge. Er befahl ihm, wieder eine Woche zu Bett zu bleiben, öffnete das eine Bein, machte ein paar Kniffe mit den Adern, schabte ein Stück des Knochens, das nicht größer als eine Kaffeebohne war, bis nur die rosig-gesunde Oberfläche übrigblieb, die er mit dem lebendigen Fleisch zunähte.
»Lass mich jetzt mit ihm reden«, bettelte Madge.
»Noch nicht«, lautete seine Antwort. »Du darfst es ihm erst sagen, wenn ich ganz fertig bin.«
Der Juli verging. Der August näherte sich bereits seinem Ende. Da geschah es, dass Linday Strang aufforderte, auf die Elchjagd zu gehen. Linday ging mit, um ihn zu beobachten und zu studieren. Strang war schon von der schlanken Kraft einer Katze. Er ging, wie Linday noch nie einen Mann gehen gesehen, ohne die geringste Mühe. Er ging mit dem ganzen Körper. Es war, als ob alle schmiegsamen und weichen Muskeln des Rückens bis zu den Schultern hinauf beim Gehen verwendet würden. Aber es war keine Schwere dabei zu spüren. Er ging so leicht, dass die Bewegung voll geschmeidigster Anmut war. So mühelos, dass das Auge sich in Bezug auf die Schnelligkeit der Bewegungen täuschen ließ und sie unterschätzte. Es war der unbezwingliche Schritt, von dem Tom Daw gesprochen hatte. Linday folgte ihm mit Mühe; er schwitzte und stöhnte vor Anstrengung. Hin und wieder, wenn der Boden sich dazu eignete, lief er kurze Strecken, sonst hätte er überhaupt nicht mitkommen können. Und als sie zehn Meilen gegangen waren, machte er halt und warf sich ins Moos.
»Genug«, rief er. »Ich kann nicht mehr Schritt mit Ihnen halten.«
Er wischte sich das schweißbedeckte Gesicht, während Strang sich auf einen Fichtenstamm setzte. Er lächelte dem Arzt freundlich zu. Und mit dem tiefen Gemeinschaftsgefühlt des Pantheisten umfasste er die ganze Landschaft mit seinem Lächeln.
»Und Sie fühlen keinen Stich, keine Schmerzen oder nur die Andeutung von Schmerzen?« fragte Linday.
Strang schüttelte den Kopf mit dem lockigen Haar und reckte seinen geschmeidigen Körper. Und jede Fiber an ihm lebte und freute sich des Lebens.
»Es wird schon gehen, Strang. Einen Winter oder zwei müssen Sie freilich noch damit rechnen, dass Sie Kälte und Feuchtigkeit in den alten Wunden spüren. Aber das wird vorübergehen, und es ist auch möglich, dass Sie überhaupt nichts merken werden.«
»Mein Gott, Doktor, Sie haben wahre Wunder mit mir vollbracht. Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll. Ich kenne ja nicht einmal Ihren Namen.«
»Spielt auch gar keine Rolle. Ich habe Sie durchgebracht, und das ist die Hauptsache.«
»Aber Ihr Name muss doch sicher bei den Menschen draußen in der Welt bekannt sein«, erklärte Strang hartnäckig. »Ich wette, dass ich ihn kennen würde, wenn ich ihn erführe!«
»Das glaube ich auch«, lautete Lindays Antwort. »Aber das hat nichts mit der Sache zu tun. Ich will nur noch eine letzte Prüfung vornehmen, und dann bin ich fertig mit Ihnen. Jenseits der Wasserscheide, an der Quelle dieses Baches, liegt ein Nebenfluss des Großen Windy. Daw erzählte mir, dass Sie letztes Jahr drüben waren, nach der mittleren Verzweigung und wieder zurück gingen und nur drei Tage dazu brauchten. Er sagte auch, dass Sie ihn bei dem Spaziergang beinahe kaputt gemacht hätten. Jetzt müssen Sie hier warten und heute noch hier lagern. Ich werde Daw mit der Lagerausrüstung schicken. Dann müssen Sie nach der Verzweigung und wieder zurück gehen und zwar ebenso schnell wie voriges