Gesammelte Werke. Джек Лондон

Gesammelte Werke - Джек Лондон


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lausch­te sie auf den wil­den Re­de­strom der al­ten Frau, wäh­rend sie ein Ta­schen­tuch für Bil­ly säum­te.

      »Hö­ren Sie, Liebs­te. Ich will Ih­nen von Män­nern, von ih­ren Ge­dan­ken und von ih­rem Tun und Las­sen er­zäh­len. Glau­ben Sie nicht wie Ihre Lands­leu­te, dass ich ver­rückt und eine Hexe mit bö­sem Blick bin. Haha! Wenn ich an die dum­me Mag­gie Do­na­hue den­ke, die ih­rem Kind das Ge­sicht zu­deckt, wenn wir uns tref­fen! Eine Hexe bin ich zwar ge­we­sen, das ist wahr. Aber es wa­ren Män­ner, die ich ver­hex­te. Oh, ich bin klug, sehr klug, mein Kind. Ich will Ih­nen er­zäh­len, wie Frau­en zu Män­nern und Män­ner zu Frau­en sind, und ich ken­ne die bes­ten so­wohl wie die schlech­tes­ten. Ich ken­ne das Tier, das in al­len Män­nern lebt, und weiß, wel­che Män­ner es sind, die dum­men Frau­en, die nichts ver­ste­hen, das Herz bre­chen. Und alle Frau­en sind dumm. Aber ich bin es nicht. La la, hö­ren Sie. Ich bin eine alte Frau, und wie an­de­re Frau­en sage ich nicht, wie alt ich bin. Aber den­noch kann ich Män­ner fes­seln. Ja, und wenn ich hun­dert Jah­re alt und zahn­los wäre und mei­ne Nase über das Kinn her­ab­hin­ge, so wür­de ich doch noch Män­ner fes­seln kön­nen. Kei­ne jun­gen Män­ner. Die be­herrsch­te ich, als ich sel­ber jung war. Aber die al­ten, die für mein Al­ter tau­gen. Und es ist gut für mich, dass ich die­se Macht habe. Ich habe we­der Freun­de noch Geld. Aber Klug­heit be­sit­ze ich und Erin­ne­run­gen – Erin­ne­run­gen, die jetzt Asche sind, aber herr­li­che Asche, von Ju­bel fun­keln­de Asche. Alte Frau­en wie ich hun­gern und frie­ren, oder sie kom­men ins Ar­men­haus und in Ar­men­grä­ber. Aber ich nicht! Ich hal­te mei­nen Mann fest. Es ist zwar nur Bar­ry Higg­ins – der alte Bar­ry, schwer­fäl­lig wie ein Och­se, aber er ist ein Mann und son­der­bar wie alle Män­ner. Al­ler­dings hat er nur einen Arm.« Sie zuck­te die Ach­seln. »Das hat auch sein Gu­tes. Er kann mich nicht schla­gen, und alte Kno­chen sind emp­find­lich.

      Lie­be klei­ne Frau, Sie müs­sen ler­nen. Ab­wechs­lung! Das ist das Zau­ber­wort. Das ist der gol­de­ne Schlüs­sel. Das ist das Spiel­zeug, das sie er­götzt. Wenn die Frau das nicht hat, dann wird der Mann ein Pa­scha. Hat sie es, so wird er ihr Skla­ve und nur der ihre. In ei­ner Frau müs­sen vie­le Frau­en ste­cken. Wenn Sie sich die Lie­be Ihres Man­nes be­wah­ren wol­len, müs­sen Sie alle Frau­en für ihn ver­kör­pern. Sie müs­sen im­mer neu sein, be­taut vom Glanz der Neu­heit, eine Blu­me, die sich nie so weit ent­fal­tet, dass sie welkt. Sie müs­sen ein gan­zer Blu­men­gar­ten sein, im­mer neu, im­mer frisch, im­mer ver­schie­den. Und in Ihrem Gar­ten soll der Mann nie den letz­ten Strauß pflücken dür­fen. Hö­ren Sie, klei­ne Frau. Im Gar­ten der Lie­be lebt eine Schlan­ge: der Ge­mein­platz. Zer­tre­ten Sie ihr den Kopf; sonst ver­nich­tet sie Ihren Gar­ten. Ver­ges­sen Sie den Na­men nicht: der Ge­mein­platz. Wer­den Sie nie zu in­tim. Män­ner sind schein­bar plump, aber Frau­en sind plum­per als Män­ner. Wi­der­spre­chen Sie mir nicht, klei­ne Frau. Sie sind noch ein Kind. Frau­en sind we­ni­ger fein­füh­lig als Män­ner. Soll­te ich das nicht wis­sen? Er­zäh­len Sie nicht an­de­ren Frau­en ihre in­tims­ten Lie­bes­ge­heim­nis­se mit ih­ren ei­ge­nen Män­nern? Das tun Män­ner nie. Kön­nen Sie das er­klä­ren? Es gibt nur eine Er­klä­rung: In al­lem, was Lie­be be­trifft, sind Frau­en we­ni­ger fein­füh­lig als Män­ner. Das ist ihr großer Feh­ler. Das ist es, was den Ge­mein­platz schafft, und der Ge­mein­platz ist es, der wie eine ekle Schlan­ge die Lie­be mit Schlamm be­schmutzt und ver­nich­tet.

      Sei­en Sie fein­füh­lig, klei­ne Frau. Zei­gen Sie sich nie ohne Schlei­er, ohne vie­le Schlei­er. Hül­len Sie sich in tau­send Schlei­er ein, die von kost­ba­ren Stof­fen und von teu­ren Ju­we­len schim­mern und fun­keln. Las­sen Sie sich nie den letz­ten Schlei­er ent­rei­ßen. Ver­schan­zen Sie sich ge­gen den mor­gi­gen Tag mit mehr Schlei­ern, neu­en Schlei­ern, Schlei­ern ohne Zahl. Nur dür­fen die vie­len Schlei­er nicht nach vie­len aus­se­hen. Je­der Schlei­er muss wie das ein­zi­ge sein, was zwi­schen Ih­nen und Ihrem hun­gern­den Lieb­ha­ber ist, der nicht we­ni­ger ha­ben will als Sie ganz und gar. Je­des Mal muss es aus­se­hen, als be­käme er al­les, als zer­rei­ße er den letz­ten Schlei­er, der Sie ver­birgt. Das muss er glau­ben. Aber es darf nicht ge­sche­hen. Am nächs­ten Tag muss er wie­der einen letz­ten Schlei­er fin­den, den er noch nicht ge­se­hen hat.

      Ver­ges­sen Sie das nicht, je­der Schlei­er muss wie der letz­te und ein­zi­ge sein; im­mer muss es aus­se­hen, als gä­ben Sie al­les preis, und im­mer müs­sen Sie noch et­was in Re­ser­ve ha­ben, das Sie mor­gen und an den fol­gen­den Ta­gen preis­ge­ben kön­nen. Auf die Wei­se ent­steht Ab­wechs­lung, Über­ra­schung, so­dass das Ver­lan­gen Ihres Man­nes nie nach­lässt, und dass sei­ne Au­gen wei­ter nach dem Neu­en in Ih­nen spä­hen und nicht nach an­de­ren Frau­en se­hen. Dass Sie und Ihre Schön­heit frisch und neu in sei­nen Au­gen wa­ren, das war das Mys­te­ri­um, mit dem Sie Ihren Mann ge­wan­nen. Wenn ein Mann eine Blu­me ge­pflückt und all ihre Süße ge­trun­ken hat, dann sieht er sich nach an­de­ren Blu­men um. Sie müs­sen im­mer eine Blu­me sein, die bei­na­he und doch nie ganz ge­pflückt wird, ein Be­cher vol­ler Sü­ßig­keit, den er nie aus­trinkt, ob­wohl er ihn be­stän­dig leert.

      Dum­me Frau­en – und sie sind alle dumm – glau­ben, wenn sie einen Mann erst ge­wan­nen, so ha­ben sie für im­mer ge­siegt. Dann set­zen sie sich hin und wer­den fett und schlaff und tot und öde im Her­zen. Ach, sie sind so dumm, so dumm! Aber Sie, Kind­chen, die Sie Ihren ers­ten Sieg er­run­gen ha­ben, Sie müs­sen Ihr Lie­bes­le­ben zu ei­ner end­lo­sen Rei­he von Sie­gen ma­chen. Je­den Tag müs­sen Sie Ihren Mann von neu­em ge­win­nen. Und wenn Sie den letz­ten Sieg er­run­gen ha­ben, wenn Sie nicht mehr ge­win­nen kön­nen, dann ist es vor­bei mit der Lie­be. Ja, vor­bei, und Ihr Mann wan­dert in frem­de Gär­ten. Ver­ges­sen Sie das nicht: Lie­be muss stets un­be­frie­digt sein, sie muss eine Be­gier­de, scharf wie eine Mes­ser­schnei­de sein und nie ge­stillt wer­den. Sie müs­sen den Hun­ger Ihres Ge­lieb­ten stil­len, so gut, ach so gut! Ja, ge­ben Sie, ge­ben Sie, aber las­sen Sie ihn hung­rig von Ih­nen ge­hen, dann kommt er wie­der, um mehr zu er­hal­ten.«

      Frau Higg­ins er­hob sich plötz­lich und ver­ließ das Zim­mer. Sa­xon be­merk­te un­will­kür­lich, dass im­mer noch Ge­schmei­dig­keit und An­mut in die­sem ma­ge­ren und wel­ken Kör­per wohn­ten. Sie be­ob­ach­te­te Frau Higg­ins, als sie wie­der­kam, und stell­te fest, dass die­se ge­schmei­di­ge An­mut nicht nur Ein­bil­dung war.

      »Heu­te habe ich Sie nicht ein­mal den ers­ten Buch­sta­ben vom Al­pha­bet der Lie­be ge­lehrt«, sag­te Frau Higg­ins, als sie sich wie­der setz­te.

      Sie hielt in ih­ren Hän­den ein klei­nes In­stru­ment aus fei­nem Holz von war­men brau­nen Far­ben. Es glich ei­ner Gui­tar­re, hat­te aber nur vier Sai­ten. Sie ließ die Fin­ger dar­über hin­glei­ten und be­gann, mit zar­ter, lei­ser Stim­me eine Me­lo­die in ei­ner frem­den Spra­che mit vie­len war­men Vo­ka­len zu sin­gen. Weich vi­brie­rend stie­gen Stim­me und Sai­ten wie Wo­gen der Lei­den­schaft, erstar­ben in Flüs­tern und Ko­sen, ver­irr­ten sich in das Dun­kel der Lie­be oder schwol­len wie­der zu ei­nem bar­ba­ri­schen, ge­bie­te­ri­schen Lie­bes­schrei, worin kla­gen­de Rufe und wahn­sin­ni­ge Lo­ckun­gen und Ver­spre­chun­gen sich misch­ten. Es be­zau­ber­te Sa­xon, so­dass sie schließ­lich sel­ber zu lau­ter zit­tern­den Sai­ten wur­de. Wie ein Traum er­schi­en es ihr, und als Mer­ce­des schließ­lich auf­hör­te, schwin­del­te es ihr.

      »Wenn Ihr Mann Ih­nen Ihr al­ler­letz­tes Ge­heim­nis ent­ris­sen hat und al­les an Ih­nen ihm be­kannt und alt ge­wor­den ist, dann müs­sen Sie die­ses Lied sin­gen, das ich Ih­nen jetzt vor­ge­sun­gen habe, und sein Arm wird sich wie­der


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