Die wichtigsten Dramen von Ödön von Horváth. Ödön von Horváth

Die wichtigsten Dramen von Ödön von Horváth - Ödön von Horváth


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Sturm.

      Es war eine harte Zeit. Ich wurde abgebaut, und wenn der liebe Gott mir nicht geholfen hätte, wäre ich untergegangen – ich weiß, du wärest zu mir geeilt, wenn du es auch nur geahnt hättest. Ich gehöre zu dir. Hier ist meine Heimat, in der Stadt friere ich nur. Ich werde dir die Wirtschaft führen – ich habe es dir gesagt, wie ich dich liebe, alles, deinen Körper, es wird mir immer kalt und heiß –

       Emanuel kommt lautlos die Treppen herab.

       Strasser hört ihn trotzdem, stößt Christine von sich.

      EMANUEL

      Pardon! – Pardon! Sind Baronin schon wieder zurück?

      STRASSER

      Nein.

      EMANUEL

      Noch nicht zurück? Bei diesem Wolkenbruch? Das ist ein Orkan! Man wird die Behörde verständigen müssen, es wird doch nichts geschehen. – Wo, wo läßt sich hier telefonieren?

      STRASSER

      deutet auf das Pult: Dort. Aber ob die Behörde Sie beruhigt, ist fraglich. Neulich hat sich ein Auto überschlagen, doch die Behörde –

      EMANUEL

      unterbricht ihn: Wie können Sie so reden?! Um Gottes Christi Willen! Er eilt an das Telefon.

       Orkan.

      CHRISTINE

      leise: Was ist das für eine Baronin?

      STRASSER

      Ach!

       Schweigen.

      CHRISTINE

      Ich habe gehört, daß hier eine Baronin wohnt –

       Sie stockt.

      STRASSER

      So?

      CHRISTINE

      Du, der liebe Gott hat geholfen. Der liebe Gott – Ich habe nämlich – Sie stockt wieder.

      STRASSER

      Was?

      CHRISTINE

      Später. Später.

      STRASSER

      Was verstehst du unter ›lieber Gott‹?

      CHRISTINE

      Strasser. Gib mir dasselbe Zimmer –

      STRASSER

      Welches war denn nur das?

      CHRISTINE

      Du weißt es doch – Nummer elf.

      STRASSER

      Elf ist leider besetzt. Aber selbst, wenn es noch frei wäre, würdest du es wahrscheinlich nicht wiedererkennen, da wir es anders eingerichtet haben.

      CHRISTINE

      Schöner?

      STRASSER

      Vorteilhafter.

      CHRISTINE

      ergreift seine Hand: Gib mir irgendein Zimmer – Komm! Sie steigt mit Strasser die Treppen empor.

      EMANUEL

      allein; am Telefon: Keine Verbindung. Grotesk! Grotesk! Er hängt ein; geht nervös hin und her. Dieser Orkan! Es wird doch nichts geschehen sein – Jedes Auto überschlägt sich ja nicht, man sollte es nicht für möglich halten –

       Max kommt aus dem Speisesaal.

      Ober! Wieso kann es möglich sein, daß man keine Verbindung bekommt? Ach, ich meine: am Telefon.

      MAX

      Weil das Telefon verdorben ist.

      EMANUEL

      So gehört es repariert.

      MAX

      Gott, das ist schon seit Wochen in Unordnung – Er sieht sich suchend um. Sagen Sie: haben Sie nicht irgendwo eine Speisekarte gesehen?

      EMANUEL

      Ich?!

      MAX

      Der Herr Generaldirektor wollen nämlich frühstücken.

      EMANUEL

      Zustände!

      KARL

      tritt ohne Gruß ein; sieht sich verstört um; lallt: Den Strasser brauche ich, den Strasser – Wo kann ich einen Strasser haben? Aber nicht zu teuer – ein Stück Strasser brauche ich –

       Emanuel, Max starren ihn entgeistert an.

      Karl plärrt plötzlich los. Ja, heiliges Dromedar, hat euch denn alle der Schlag gerührt, ihr Bolschewisten!

      EMANUEL

      knickt in den Knien ein: Bolschewist?!

      KARL

      zu Max: Du Mandrill! Wo steckt der Strasser, wo?!

      MAX

      Herr Gorilla, es ist mir leider nicht bekannt, wo die hochwohllöbliche Direktion sich derzeit herumtreiben.

      KARL

      Da muß sie her! Die muß her! Her muß sie! Daher! Hierher! Daher, hopp! Er rülpst.

      MAX

      Ach, du bist wieder betrunken?

      KARL

      Ha?

      EMANUEL

      zittert: Empörend!

      MAX

      zu Karl: Du bist verstört.

      KARL

      Nichts ist unmöglich. Er rülpst und wankt.

      EMANUEL

      Empörend! Also das ist empörend! Ein berauschter Lenker im Orkan! Zuchthaus! Jawohl: Zuchthaus! – Jetzt wage ich nicht mehr konsequent zu denken –

      MAX

      Wenn ich nur wüßte, wo die Speisekarte –

      KARL

      Baronin liegen in der Karosse und betonen, nicht aussteigen zu können, bis der Strasser kommt. Sie bilden sich nämlich ein, daß die Direktion sie auf den Händen herauftragen müßte.

      EMANUEL

      Was bedeutet das?

      KARL

      Wir sind umgekippt.

      EMANUEL

      Um Gottes Christi Willen! Mein Kopf! – Chauffeur! Ist sie verletzt!? Leicht? Schwer?

      KARL

      Baronin sind besoffen. – Oder habt ihr euch etwa eingebildet, wir fahren im Orkan zur Scheißkapelle?!

      MAX

      zu Emanuel: Wie kann man auch nur!

      KARL

      Wir haben nur unsere Gaumen benetzt, den Schlund, die Schlünde – im roten Aar, im bleichen Bock, weiß der Satan wo! Aber die verträgt ja nichts, deine Schwester ist, was Alkohol anbelangt, eine Fehlgeburt! Nach dem vierten Glas hat sie schon gesungen, und dann hat sie die Kotflügel vollgespien – du, die kann singen!

       Aus der Ferne tönt Adas Stimme, falsch und kreischend, ein sentimentaler Gassenhauer.

       Emanuel hält die Hand vor die Augen.

       Max hält sich die Ohren zu.

       Karl krümmt sich.

      


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