Die wichtigsten Dramen von Ödön von Horváth. Ödön von Horváth

Die wichtigsten Dramen von Ödön von Horváth - Ödön von Horváth


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durch die linke Türe ein: Es freut mich Sie endlich begrüßen zu können, Herr Müller. Meine Tochter hat mir vieles über Sie erzählt und ich habe Sie also bereits gekannt eh ich Sie sah. Müller verbeugt sich und lächelt überlegen. Mutter setzt sich und bietet ihm Platz an. Müller setzt sich. Stille. Seit mein Mann starb ist es still bei uns geworden, obwohl mein Sohn mit seiner Frau zu uns zog. Sie kennen ja meinen Sohn? Früher: vom Schwimmverein. Das ist nun auch vorbei. Er ist den ganzen Tag über in der Bank beschäftigt. Wir eigentlich warten nur auf ihn. Stille. Ich hörte Sie arbeiten an einem wissenschaftlichen Werke –

      MÜLLER

      Oh.

      MUTTER

      Sie tanzen wohl gerne?

      MÜLLER

      Manchmal. Wichtig. Ich behandle gegenwärtig auf Grund intuitiver Beobachtungen das Ketzer- und Hexenwesen mit besonderer Berücksichtigung der Schwangerschaft. Seit frühester Kindheit reizt mich nämlich das Verbrecherische irgendwie. Es dämmert stark. Ilse dreht das Licht an. Mutter starrt ihn an. Es ist sehr interessant. Mutter nickt.

      MÜLLER

       weicht ihrem Blicke aus, betrachtet seine Schuhspitzen; dann die Lampe.

      MUTTER

      erhebt sich: Sie müssen mich entschuldigen. Es ist sehr interessant. Doch: wenn Ilse noch essen will bevor Sie tanzen gehen –

      MÜLLER

      verabschiedet sich: Versteht sich! Dann: in einer guten Stunde hole ich Fräulein Ilse ab. Gnädigste!

      ILSE

       begleitet ihn ins Vorzimmer; schließt die Türe. Mutter allein; denkt nach, nickt, murmelt; setzt sich.

      MUTTER KLAMUSCHKE

      ist schwanger im siebenten Monat; tritt von linksher ein; leise: Ist er fort?

      MUTTER

      erhebt sich wie geweckt: Ja.

      MATHILDE

      Wo nur Paul so lange bleibt?

      MUTTER

      Monatsende, Abschluß: das gibt Arbeit. – Hast du die Kartoffeln schon geschält?

      MATHILDE

      Alle Kartoffeln?! Ilse soll doch auch –

      ILSE

      ist wieder eingetreten; unterbricht sie: Ich tu schon! Tu schon.

      MATHILDE

      Aber nichts Richtiges! Bücher lesen und so!

      ILSE

      Du Kuh!

      MUTTER

      Schweigt! Der Müller hört das noch ins Treppenhaus! Stille.

      ILSE

      Ich zieh mich jetzt um.

      MATHILDE

      Und ich soll die Kartoffeln schälen.

      ILSE

      Ach, du Aschenbrödel!

      MATHILDE

      reißt sich die Schürze vom Leibe: Eher verhunger ich!

      ILSE

      Einmal geht man aus.

      MUTTER

      Zieh dich nur um. Ilse ab durch die linke Türe.

      MATHILDE

      Was ist denn dieser Müller für ein Mensch?

      MUTTER

      Er scheint recht klug zu sein.

      MATHILDE

      Klüger als Ilse?

      MUTTER

      ruhig: Sag: kannst du klagen, daß ich mein eigenes Kind besser behandle?

      MATHILDE

      boshaft: Welches Kind?

      MUTTER

      starrt sie an: Bist ein schlechter Mensch, Thilde.

      MATHILDE

      Vielleicht bin ich einer geworden. Gewesen bin ichs nicht. Doch, wenn man sieht – und ständig diese Leichenhausmiene seit das Kind unterwegs –

      MUTTER

      unterbricht sie: Das ist nicht wahr!

      MATHILDE

      Doch, das ist wahr. Niemand kennt Rücksicht: muß genau so kochen, räumen, schuften –

      MUTTER

      Wer übernahm die Führung meines Hauses?

      MATHILDE

      Nie wollt ich dich verdrängen.

      MUTTER

      Aber du hast es getan.

      MATHILDE

      Glaub: auch ich könnt mich beklagen.

      MUTTER

      Dann nörgle nicht! Sondern tus!

      MATHILDE

      Nein. Es ist ja zwecklos: er ist den ganzen Tag über in der Bank – und ich hätte die Hölle.

      MUTTER

      Die haben wir alle.

      PAUL KLAMUSCHKE

       tritt in Hut und Mantel verstört von rechtsher ein; läßt die Vorzimmertüre offen.

      MATHILDE

      Endlich! – Was ist dir denn?

      PAUL

      zur Mutter: leise: Er steht drunten.

      MUTTER

      Wer? Begreift, verstummt; dann leise: Hast ihn gesprochen?

      PAUL

      barsch: Nein, das weißt du! – Nur gesehen: unten am Gitter. Schien zu überlegen ob er uns beehren soll.

      MATHILDE

      Daß er immer wieder kommt!

      PAUL

      Als hätten wir Geld! Als hätt er uns noch zuwenig bestohlen!

      MATHILDE

      Still!

       Die Drei lauschen. Stille; dann ertönt kurz die Glocke.

      MUTTER

      Laßt mich allein.

      PAUL

      unterdrückt: Aber gib ihm nichts!

      MUTTER

      nickt nein: Mathilde: die Kartoffeln.

      MATHILDE

      Nein. Ich werde Wurst aufschneiden. Ab mit Paul nach links.

      MUTTER

       allein; geht langsam durch das Vorzimmer und öffnet die Haustüre.

      WENZEL KLAMUSCHKE

       verwahrlost; tritt ohne Gruß an ihr vorbei in das Wohnzimmer; geht umher; bleibt manchmal vor einem Gegenstande stehen und lächelt.

      MUTTER

      folgte ihm mit den Blicken: Was willst du?

      WENZEL

      Ja –

      MUTTER

      Geld hab ich keins.

       Wenzel fixiert sie. Stille.

      WENZEL


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