Der Landdoktor Staffel 3 – Arztroman. Christine von Bergen

Der Landdoktor Staffel 3 – Arztroman - Christine von Bergen


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      Lange blieb sie so stehen, immer noch voller Unglauben darüber, dass dieser wunderschöne Ort ihr neues Zuhause sein sollte. Obwohl sie sich der großen Aufgabe bewusst war, die hier auf sie wartete, fühlte sie sich innerlich leicht und frei.

      Während sie dieses Gefühl genoss, schob sich von links eine Gestalt in ihr Blickfeld. Ein einsamer Jogger auf dem Wiesenweg.

      Er war groß und kräftig gebaut und lief mit langen kraftvollen Schritten auf sie zu. Der Läufer schien sie bis jetzt noch nicht entdeckt zu haben. Er hielt den Kopf gesenkt. Dann verlangsamte er seinen Lauf und blieb schnaufend stehen, etwa fünf Meter von ihr entfernt. Er stützte die Hände auf die Knie. So verweilte er in gebückter Haltung ein paar Atemzüge lang. Sein blondes Haar hing ihm in die Stirn. Nun schien er sich beobachtet zu fühlen. In gebeugter Haltung hob er plötzlich den Kopf und sah geradewegs in ihre Richtung. Sein Gesicht war sonnengebräunt und vom Laufen gerötet. Es war ein männliches Gesicht mit markanten Zügen, ausgeprägter Nase und kantigem Kinn. Jetzt zeigte sich auf ihm ein Lächeln, das durch die schneeweißen Zähne noch strahlender wirkte.

      Der Jogger richtete sich zu voller Größe auf und kam auf sie zu. Sie sah in zwei tiefblaue Augen. Ihre Blicke trafen sich. Der Augenblick zog sich in die Länge. Dann räusperte sich der Fremde, strich sich mit beiden Händen das feuchte Haar aus der Stirn.

      »Hallo«, begrüßte er sie.

      »Hallo«, antwortete sie und lächelte zurück.

      »Sieht so aus, als wäre meine Kondition auch mal besser gewesen«, meinte er und lachte sie jungenhaft an.

      »Ich finde sie ganz gut«, erwiderte sie. »Mir würde schon nach den ersten Metern die Puste ausgehen.«

      Sie wunderte sich, dass sie diesem Fremden derart offen entgegentrat. Normalerweise verhielt sie sich solch attraktiven Burschen gegenüber eher zurückhaltend. Aber dieser Typ strahlte etwas aus, das sie in seinen Bann zog. Seine Natürlichkeit, die Selbstverständlichkeit, wie er sie angesprochen hatte, machten ihr Lust darauf, sich mit ihm zu unterhalten. Sie spürte geradezu, wie sich ihr Herz öffnete.

      Oder mochte dieses Gefühl nur an diesem besonderen Ort liegen, an dem sie sich beide befanden?

      »Machen Sie hier Urlaub?«, erkundigte er sich.

      »Nein.« Sie lachte. »Ich werde hier wohnen. Ich habe das Haus gemietet und bin gerade angekommen. Der Umzugswagen folgt erst morgen.«

      »Schön haben Sie es hier«, meinte er mit anerkennender Miene.

      »Leben Sie auch hier?«, fragte sie.

      »Ja, aber mitten im Dorf. Ich schaue aus meinem Fenster leider nur nach vorn auf die Straße und nach hinten auf einen Innenhof.«

      »Ich habe bis jetzt auch mitten in der Stadt gewohnt. Deshalb kann ich auch noch gar nicht glauben, dass dies jetzt meine neue Heimat sein soll.«

      »Ich muss weiter«, wehrte der attraktive Blonde nun jedes weitere Gespräch ab, hob die Hand und fügte hinzu: »Viel Glück im neuen Zuhause und Ade.«

      Er zog den Zipper seiner Sweatjacke ein Stück höher, schenkte ihr noch einmal ein strahlendes Lächeln und lief weiter an dem Gartenzaun vorbei in Richtung Ruhweiler.

      Jäh verspürte sie einen Anflug von Enttäuschung.

      Schade, er wirkte so sympathisch. Aber wahrscheinlich war er verheiratet und hatte kleine Kinder, wie die meisten Männer um die Dreißig. So jemand lief bestimmt nicht mehr solo durch die Welt. Die breite Schulter zum Anlehnen, der Fels in der Brandung … Einen solchen Mann hatte längst eine der vielen Frauen gefunden, die genau diesen Typ suchten.

      Sie schluckte, presste kurz die Lippen aufeinander. So blieb sie ein paar Sekunden lang regungslos stehen. Dann konnte sie der Versuchung nicht widerstehen. Sie drehte den Kopf nach rechts. Es geschah wie von selbst.

      Im gleichen Moment blickte auch der Jogger über die Schulter zurück zu ihr. Zwei, drei Lidschläge lang sahen sie sich über die Entfernung hinweg an, ohne sich jedoch noch richtig erkennen zu können. Dann hob der Blonde die Hand und winkte ihr während des Weiterlaufens zu. Sie winkte zurück.

      Ihr Herz schlug plötzlich hart an die Rippen. Sie bemerkte, wie sie lächelte. Sein Gruß war ihr wie ein Zeichen, wie ein Willkommensgruß in ihrem neuen Leben vorgekommen. Ob sie diesen Mann noch einmal wiedersehen mochte?

      *

      Obwohl Claudia in den nächsten Tagen alle Hände voll zu tun hatte, ging ihr der Jogger nicht mehr aus dem Sinn. Und als sie nach vier Tagen zum ersten Mal in Ruhweiler einkaufen ging, fragte sie sich, ob sie ihm vielleicht ein zweites Mal begegnen würde. Warum sie dies hoffte, wusste sie selbst nicht, zumal sie in dieser Lebensphase gar nicht auf eine neue Liebe aus war. Im Gegenteil. Nach einigen enttäuschenden Erlebnissen auf diesem Gebiet war sie fest entschlossen, sich erst einmal um ihr berufliches Fortkommen zu kümmern. Und dabei würde eine neue Liebe sie nur stören. Sie brauchte jetzt all ihre Kraft, um sich in Ruhweiler eine neue Existenz aufzubauen.

      Als sie aus der Bank hinaustrat, wo sie sich ein Konto eingerichtet hatte, lief sie in Dr. Brunner hinein. Beide schauten sich gleichermaßen erstaunt an.

      Der Landarzt wollte wissen, wie weit sie mit ihrem Umzug und der Einrichtung ihres Kräuterladens war.

      »Natürlich werde ich noch Einladungen verschicken«, sagte sie rasch. »Leider sind Angela und Christian zurzeit auf Hochzeitsreise, aber Angelas Mutter und Jenny haben schon fest zugesagt, mir am Tag der Eröffnung ein bisschen zur Hand zu gehen. Vielleicht werde ich mich vor dem Besucheransturm kaum retten können«, fügte sie mit einer guten Portion Selbstironie hinzu.

      »Es werden bestimmt viele Neugierige kommen«, meinte der Landdoktor. »Das ist auch gut so. Einige Kunden werden hängen bleiben und Sie dann auch weiterempfehlen.«

      Sie musste wieder husten.

      Zu dumm, gerade wieder im Beisein von Dr. Brunner. Und prompt hörte sie diesen nun auch sagen: »Verzeihen Sie, aber Ihr Husten ist mir schon auf der Hochzeit aufgefallen.«

      Sie lachte verlegen. »Ja, er ist lästig, aber er ist schon besser geworden. Er ist noch von einer Erkältung zurückgeblieben und wird immer weniger«, beruhigte sie ihn, bevor er auf den Gedanken kommen sollte, ihr anzubieten, ihn in seiner Praxis aufzusuchen.

      »Ich bin kein Arzttyp«, fügte sie dann auch gleich hinzu, um keine Unklarheiten aufkommen zu lassen. »Ich würde mir ja selbst untreu werden. Meine eigenen Mittel haben mir bisher immer geholfen. Natürlich dauert eine solche Heilung etwas länger, ist dafür jedoch auch völlig frei von Nebenwirkungen.«

      Der Landarzt lächelte sie mild an und schwieg.

      Sie wollte in diesem Moment gar nicht wissen, was er jetzt denken mochte.

      »Haben Sie schon Kontakt zu unserem neuen Apotheker aufgenommen?«, erkundigte er sich dann voller Interesse.

      »Noch nicht, aber nur aus Zeitmangel. Ich habe mir den Besuch bei ihm fest vorgenommen für die kommenden Tage«, erwiderte sie eilfertig.

      Sie wollte keinesfalls den Eindruck erwecken, als wäre sie für seine Tipps undankbar.

      *

      »Warum nicht gleich?«, fragte sich Claudia, nachdem sie sich vom Landarzt verabschiedet hatte. Die Apotheke lag nur einen Steinwurf von der Bank entfernt. Und jetzt war sie einmal im Ort.

      Entschlossen marschierte sie auf das Gebäude im Schwarzwaldstil zu. Beim Betreten war sie sofort fasziniert von der altertümlichen Atmosphäre des Geschäftes. Viel dunkles Holz, viele antike Apothekerschränke, viele Töpfe und Tiegel. Das war jedoch alles nur als Dekoration, wie ihr sofort klar war. In den Regalen standen ausschließlich die ihr so verhassten chemischen Keulen. Naturkosmetik? Tees? Nichts davon war zu sehen. Zumindest nicht auf den ersten Blick. Sie bezweifelte sogar, dass sie hier Kräuterhustenpastillen bekommen würde. Sie zu kaufen, wollte sie als Vorwand nehmen, um sich den Apotheker erst einmal anzusehen, bevor sie ihm den Plan einer eventuellen Zusammenarbeit unterbreitete.

      Als


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