Butler Parker Staffel 3 – Kriminalroman. Günter Dönges
Sie bitte ins Sekretariat mitkommen wollen, Sir …!«
»Eine gute Idee, junger Freund, Sie machen Fortschritte.« Parker zwinkerte andeutungsweise und folgte dem Clubdiener in das Sekretariat. Der Clubdiener beeilte sich, Parkers Anregung in die Tat umzusetzen. Er wählte die Nummer von Senftons Wohnung, ließ mehrfach durchläuten und legte den Hörer schließlich enttäuscht in die Gabel.
»Er meldet sich nicht, Sir«, fügte er überflüssigerweise hinzu.
»Geben Sie mir seine Privatadresse.«
Der junge Freund stand im Banne Parkers. Nur so war es zu erklären, daß er Senftons Privatadresse tatsächlich nannte. Sein Kratzfuß war direkt klassisch, als Parker sich am Eingang mit einem Kopfnicken verabschiedete.
*
»Ulkiger Bursche, was, Norman?« meinte ein junger Mann von etwa 25 Jahren, der nachlässig, dennoch aber teuer gekleidet war. Er stand plötzlich neben dem Clubdiener Norman und grinste dem hochbeinigen Monstrum Parkers nach. »Wer war denn das?«
»Den Namen habe ich vergessen, Sir«, entschuldigte sich Norman Aldine. »Er wollte zu Senfton.«
»Zu unserem Haus- und Hofmeister?« spöttelte der junge Mann, der sich Gerald Thorne nannte. Nachlässig zündete er sich eine Zigarette an und schüttelte dankend den Kopf, als Norman Aldine ihm Feuer reichen wollte. Thorne ging in das Haus und schien diesen kleinen Zwischenfall bereits vergessen zu haben. In Wirklichkeit aber prägte er sich das Kennzeichen von Parkers hochbeinigem Monstrum sehr genau ein. Um es nur ja nicht zu vergessen, notierte er sich später sogar die Nummer. Bei seinem Namen konnte es keine Schwierigkeiten bedeuten, den Eigentümer des Wagens ausfindig zu machen. Die Thornes gehörten schließlich zum Geldclan dieser großen Stadt Chikago. Ihre Wünsche waren fast so etwas wie ein Gesetz.
Josuah Parker wußte davon nichts. Er hatte den jungen Mann noch nicht einmal gesehen. Der Butler beeilte sich, in die Walton Street zu gelangen. Da sein Bekannter Senfton sich nicht gemeldet hatte, stiegen in ihm einige drückende Sorgen hoch.
Harold Senfton, der Butler des St. John’s Club, wohnte in einem Apartment-Hotel. An der Rezeption erfuhr Parker Etage und Nummer des Apartments. Ein Lift brachte ihn hinauf in den vierten Stock. Auf sein Klingelzeichen rührte sich nichts hinter der Tür.
Josuah Parker ließ sich von solchen Kleinigkeiten niemals aufhalten. Er griff in eine seiner unergründlichen Manteltaschen und suchte einen passenden Spezialöffner. Ohne groß Maß zu nehmen, öffnete er das Schloß innerhalb von 30 Sekunden. Ein gewerbsmäßiger Einbrecher hätte Parker bestürmt, bei ihm noch einmal in die Lehre gehen zu dürfen.
Mit der Spitze seines Universal-Regenschirms stieß Parker die Tür zum Wohnraum auf. Er blieb im Türspalt stehen und registrierte die Einzelheiten. Er zuckte mit keiner Wimper, als er den ermordeten Harold Senfton neben einem schweren Ledersessel ausmachte.
Daß Senfton tot war, unterlag keinem Zweifel. Das Messer in seiner Brust redete eine sehr deutliche Sprache …!
*
Josuah Parker, korrekt wie immer, meldete diesen Mord der Polizei. Vom Zimmer des Toten aus rief er das Hauptquartier an und beschränkte sich in bewährter Art nur auf die nackten Tatsachen. Er vergaß allerdings, seinen Namen zu nennen, als der diensttuende Beamte ihn danach fragte. Das hing bestimmt nicht mit Parkers innerer Aufgewühltheit zusammen. Ihm kam es wohl nur darauf an, einen gewissen Vorsprung zu gewinnen.
Auf eine gründliche Durchsuchung der kleinen Wohnung verzichtete er. Parker glaubte zu wissen, daß dieser Mord in einem engen Zusammenhang mit seiner Bitte stand, Senfton solle ihm eine Liste der St. John’s Junioren besorgen. Parker ging in Gedanken sogar noch einen Schritt weiter. Hatte der Besitzer der Anstecknadel seinen Verlust bereits bemerkt und seine Vorkehrungen getroffen, um alle Spuren zu verwischen? Dann, so folgerte er weiter, mußte der Täter unter den Junioren des Clubs zu finden sein.
Josuah Parker, der keinen Wert darauf legte, von der Polizei bereits zu diesem Zeitpunkt verhört zu werden, fuhr mit dem Lift zurück in die Halle. Als er die Straße betrat und auf seinen Wagen zuschritt, schnitten zwei dunkel gekleidete Männer ihm den Weg ab. Sie schienen auf den Butler gewartet zu haben.
»Was kann ich für Sie tun?« erkundigte sich Parker, der stehenbleiben mußte.
»Bekomm nur keinen Schlaganfall, Alterchen«, sagte der größere der beiden Männer. Er besaß straff zurückgekämmtes Haar und unruhige Augen in einem bleichen Gesicht. Die Hand in der Manteltasche ließ darauf schließen, daß sie einen Revolver umspannte.
»Ich fühle mich geehrt, daß Sie sich um meine Gesundheit sorgen«, erwiderte Parker.
»Klopfen Sie keine Sprüche«, unterbrach ihn der zweite Mann. Er war untersetzt und schien keinen Hals zu haben, so kurz war er. Die Knorpelnase deutete unverkennbar an, daß er einmal Boxer gewesen sein mußte. Seine kleinen Augen blickten Parker tückisch an.
»Bitte, was soll ich nicht klopfen?« fragte Parker indigniert.
»Los, machen Sie schon, dort wartet unser Wagen. Beim geringsten Fluchtversuch werden wir Sie niederknallen, Alter.«
Das Bleichgesicht schob sich hinter Parker und trat ihm in die Hacken. Der Butler sah sich gezwungen, auf einen recht mitgenommenen Ford zuzugehen. Er wußte, daß er keine leeren Drohungen gehört hatte. Als Fachmann auf diesem Gebiet war ihm bekannt, daß er es mit zwei ganz üblen Halsabschneidern zu tun hatte.
Sie verfrachteten ihn in dem Ford. Parker mußte neben dem Bleichgesicht auf dem Rücksitz Platz nehmen. Der Strolch mit der Knorpelnase übernahm das Steuer. Sie lösten sich gerade vom Gehsteig, als weit hinten auf der Straße der erste Streifenwagen heranheulte. Zu spät, viel zu spät für den Butler, der im Moment nichts unternehmen konnte, vielleicht auch nicht wollte. Es gehörte zu seinen Gepflogenheiten, niemals etwas zu überstürzen. Kontakte dieser Art schätzte er, sie trieben die Dinge nämlich schnell voran.
»Ich möchte nicht aufdringlich erscheinen«, begann Parker nach einer Weile, »darf man fragen, wohin diese Fahrt gehen soll?«
»In die Hölle, wenn du nicht spurst«, antwortete das Bleichgesicht und lachte reichlich albern.
»Was stellen Sie sich, wenn ich neugierig sein darf, unter meinem Spuren vor?«
»Das wird dir der Boß sagen, Alter. Und nun halt endlich deinen Rand, die Quasselei geht mir auf die Nerven!«
»Ich empfehle Ihnen, bei Gelegenheit einen Kursus für angewandte Höflichkeit zu besuchen«,! entrüstete sich Parker. »Ihr Benehmen mißfällt mir.«
»Was denkst du, was dir gleich alles mißfallen wird.« Das Bleichgesicht amüsierte sich und gluckste vor Lachen. »Dir werden wir mal ordentlich die Hammelbeine langziehen, Alter. Auf so einen Vogel haben wir schon lange gewartet.«
»Ich beabsichtige nicht, auf das Niveau Ihrer Unterhaltung und Ausdrucksweise herunterzusteigen«, entgegnete Josuah Parker und hielt ab sofort den Mund. Dafür beobachtete er aber sehr genau, welchen Weg sie nahmen. Schon daran ließ sich sein Optimismus abmessen. Es war für ihn ganz selbstverständlich, daß er auch diesmal wieder freikommen würde. Ob er sich diesmal darin täuschte, stand allerdings auf einem ganz anderen Blatt. Daß ein sehr scharfer Wind wehte, merkte er beim Aussteigen in einer unterirdischen Garage, die zu einem alten Bürohaus in der Nähe des Hafens gehörte.
Kaum stand Parker auf dem schmutzigen Betonboden, da rammte das Bleichgesicht ihm den Revolverlauf in den Rücken. Die Knorpelnase kam um den Ford herum und hatte ein Stück ausgefranstes Kabel in der Hand.
Josuah Parker wich ein wenig zaghaft gegen das bereits geschlossene Kipptor der Tiefgarage zurück. Den beiden Schlägern gefiel das außerordentlich. Sie weideten sich an Parkers Vorsicht und Angst.
»Kleine Abreibung gefällig?« fragte die Knorpelnase. Zischend schlug er mit dem Kabelstück durch die Luft.
»Meine Herren, ich appelliere an Ihre Großmut«, rief Josuah Parker aus. »Sie werden einen alten, verbrauchten Mann wie mich doch nicht in gesundheitliche Schwierigkeiten bringen