Butler Parker Staffel 3 – Kriminalroman. Günter Dönges
»Ich weiß genau, daß Sie diese Anstecknadel besitzen. Rücken Sie sie heraus, und der Fall ist erledigt. Falls Sie aber stur sind, werde ich Sie aufschwänzen lassen.«
»Ich möchte doch um mehr Sachlichkeit bitten«, schlug Josuah Parker vor. »Um welche Nadel handelt es sich eigentlich?«
»Ich merke schon, daß Sie Schwierigkeiten machen wollen, Parker.« Lern Barry trat an den Schreibtisch und drückte auf einen dort angebrachten Klingelknopf. Nach wenigen Sekunden erschien der Buchhalter mit dem schwammigen Gesicht.
»Zum Teufel, wo stecken Georg und Joel?« hauchte Barry seinen Buchhalter an.
»Die sind …, also …, ich weiß nicht.«
»Sie müssen doch dasein, sie haben schließlich Parker hierhergebracht«, brüllte Barry wütend.
»Vielleicht kann ich gewisse Irrtümer aufklären«, mischte Josuah Parker sich ein. »George und Joel, wie Sie die beiden Angestellten nennen, befinden sich augenblicklich, wenn mich nicht alles täuscht, im Kofferraum des Ford unten in der Tiefgarage. Ich bezweifle doch sehr, ob sie ohne fremde Hilfe hier im Büro erscheinen können.«
»Wie war das?« Lern Barry runzelte die Stirn, um seinen Buchhalter dann hinauszuscheuchen. Er zündete sich eine neue Zigarette an und hüstelte nervös.
»Ich möchte Ihre Zeit nicht länger in Anspruch nehmen«, verabschiedete sich Parker von seinem Gastgeber. »Empfehlen Sie mich Ihrem Freund, der die bewußte Anstecknadel vermißt. Ich bedaure es ungemein, daß der Butler des St. John’s Clubs deshalb ermordet wurde. Die Täter werde ich selbstverständlich zur Rechenschaft ziehen.«
»Sind Sie wahnsinnig, Parker?« Lern Barry brüllte auf und lachte verzerrt. »Sie glauben doch nicht im Traum, daß ich Sie gehen lassen werde?«
»Ich bin sicher, daß Sie sich das sehr schnell überlegen werden, Mr. Barry.« Der Universal-Regenschirm zuckte vor wie ein langer Schleppdegen. Aus der Spitze schnellte plötzlich eine nadelspitze Klinge, sie stoppte Barrys Bewegung. Der Gangster wollte nämlich gerade seine Waffe aus dem Schulterholster ziehen.
Mit verzerrtem Gesicht und hervorquellenden Augen starrte der Gangsterboß auf die Degenklinge. Er schwitzte vor Angst und wagte sich nicht zu rühren.
»Ich könnte jetzt sehr nachdrücklich fragen, wer Ihr Freund ist, der die Anstecknadel vermißt«, redete Parker weiter. »Doch ich schätze gewisse Methoden nun einmal nicht. Die ›Rotnase‹ werde ich auch mit normalen Mitteln zu finden wissen.«
»Was sagen Sie da?« wunderte sich Lern Barry sichtlich. »Was hat das mit den ›Rotnasen‹ zu tun?«
»Benutzen Sie Ihren Kopf, aber seien Sie vorsichtig«, riet Parker dem Gangsterboß. »Selbst Haie können sich an zu großen Brocken verschlucken …!«
*
»Parker, Parker, eines Tages werden Sie mal an den falschen Mann geraten«, sagte Mike Rander warnend, mußte aber gegen seinen Willen lachen. »Wie haben Sie es geschafft, diese Gangsterhöhle zu verlassen?«
»Ich räume ein, daß ich mir meinen Weg mühsam suchen mußte, Sir«, gestand Parker. »Mr. Barry war nicht in der Lage, mich zur Tür zu begleiten.«
»Wieso nicht?«
»Er litt unter den Folgen meines höflichen Abschiedsgrußes, Sir. Der Rand meiner Kopfbedeckung traf seine Nase. Mr. Barry brach daraufhin in unmännliche Tränen aus.«
»Mit anderen Worten, Sie schlugen ihn mit Ihrer Melone nieder?«
»So kann man es allerdings auch ausdrücken, Sir.«
»Damit haben Sie sich einen unversöhnlichen Feind geschaffen.«
»Und einen sehr nachdenklichen, Sir.«
»Was soll denn das schon wieder heißen?«
»Als ich von den ›Rotnasen‹ sprach, Sir, hatte ich den Eindruck, daß Mr. Barry von dieser Querverbindung nichts wußte. Im Auftrag eines seiner Freunde wollte er mir die Anstecknadel abjagen, daß dieser Freund möglicherweise aber eine Rotnase ist, verblüffte ihn.«
»Wenn Sie sich nur nicht getäuscht haben, Parker.«
»Ich beobachtete genau das Gesicht des Mr. Barry, Sir. Seine Verblüffung war augenscheinlich. Er wird meiner Anregung ganz gewiß folgen.«
»Und was versprechen Sie sich davon?«
»Eine Entfremdung zwischen Mr. Barry und seinem Freund.«
»Daraus wollen Sie also Kapital schlagen?«
»Gewiß, Sir. Die notwendigen Vorgeplänkel können unserer Sache nur förderlich und dienlich sein. Je mehr unsere Gegner sich gegenseitig verschleißen, desto sicherer werden wir das Geheimnis der Anstecknadel und der ›Rotnasen‹ lösen. Ihr Einverständnis natürlich voraussetzend.«
»Sie wissen doch genau, daß ich Ihnen keine Vorschriften mache, Parker. Passen Sie nur auf, daß Sie nicht angefallen werden. Bald wird auch die Rotnase wissen, wie gefährlich Sie sind. Dann helfen die alten Tricks nicht mehr weiter!«
»Sir, ich will es getrost darauf ankommen lassen. Was ich übrigens vermeiden möchte, Leutnant Custer von der Mordkommission wartet in der Diele.«
»Custer, was will denn der?«
»Ich fürchte, Sir, einige Fragen an mich richten. Ich bin ziemlich sicher, daß er mich auf Grund einer genauen Personenbeschreibung identifizierte. Sie wissen doch, als ich nach der Feststellung des Mordes an Mr. Senfton das Apartment-Hotel verließ.«
»Er wird Ihnen Vorwürfe machen, daß Sie das Eintreffen der Polizei nicht abwarteten.«
»Er wird, wenn ich das Voraussagen darf, Sir, nach dem Grund meines Besuchs fragen. Ist es angebracht, die ›Rotnasen‹ ins Gespräch zu bringen?«
»Natürlich«, entschied Mike Rander sofort. »Wir werden der Polizei nichts verschweigen.«
»Gewiß, Sir, ich pflichte Ihnen vollkommen bei. Ich werde die mir gestellten Fragen so beantworten, wie ich es vor meinem Gewissen verantworten kann.«
»Dann sehe ich schwarz für die Antworten, Parker.« Mike Rander lächelte. »Ich weiß doch, wie weit Ihr Gewissen sein kann, wenn Sie hinter Gangstern her sind …!«
*
Etwa gegen 21 Uhr erschien Josuah Parker im St. John’s Club. Er verlangte Mr. Cardiff zu sprechen, den Sekretär des Clubs. Ein Clubdiener brachte ihn in das Sekretariat. Ein sehr glatter und übertrieben höflicher Mann von etwa 40 Jahren kam ihm an der Tür entgegen und stellte sich als Sekretär vor. Geoffrey Cardiff, wie er mit vollem Namen hieß, trug einen dunklen Anzug. Seine grauen Augen wurden von einer Hornbrille unterstrichen. Dünne, blutleere Lippen und ein fliehendes Kinn paßten zu diesem mageren Gesicht mit den hervorstehenden Backenknochen.
»Mr. Rander kündigte Sie bereits an«, sagte er und lud Parker ein, näherzutreten. »Hoffentlich kann ich Ihnen helfen. Ich weiß allerdings nicht, um was es geht, Mr. Parker.«
»Es handelt sich um eine Clubnadel«, begann Parker. Steif, als habe er einen Ladestock verschluckt, saß der Butler auf der Kante des tiefen, modernen Ledersessels. »Wenn meine Annahme mich nicht sehr täuscht, trug sie eine der berüchtigten ›Rotnasen‹. Das hier ist die bewußte Nadel.«
Geoffrey Cardiff sah Parker entsetzt an, als habe er ein Sakrileg begangen, dann nahm er die Nadel vorsichtig in die Hand und hielt sie gegen das Licht seiner Schreibtischlampe.
»In der Tat, das ist eine unserer Juniorennadeln«, bestätigte er nach kurzer Prüfung.
»Läßt sich feststellen, wer von den Junioren diese Nadel verlor?«
»Da müßte ich erst einen Aushang ans Schwarze Brett schlagen.«
»Die Nadeln sind nicht registriert? Ich suchte vergeblich nach einer Mitgliedsnummer.«
»Nein, die Anstecknadeln