Butler Parker Staffel 3 – Kriminalroman. Günter Dönges
Er hatte den ersten Schock, durch den Diebstahl der Anstecknadeln ausgelöst, längst überwunden. Neue Aspekte ergaben sich für den Butler.
Da er nicht beabsichtigte, in dieser Nacht noch etwas zu unternehmen, gestattete er sich den Luxus einer seiner spezialangefertigten Zigarren. Er stand bereits in der Tür, als ihm dieser Gedanke kam. Parker stoppte seine Schritte und trat noch einmal wieder zurück in den Hausflur.
Das rettete ihm das Leben …!
Der Mann mit der Maschinenpistole, der sich in einem Gebüsch verborgen hielt, konnte mit dieser Rückwärtsbewegung nicht rechnen. Er löste den Abzug und feuerte eine erste Bleigarbe auf die Tür.
Unter der Wucht der vielen, sehr genauen Einschläge wurde die schwere Eichentür zurück ins Schloß geworfen. Und zwar so heftig, daß Parker um ein Haar an der Nase getroffen worden wäre.
Parker warf sich instinktiv auf den Boden. Dadurch entging er einigen Schüssen, die durch die Türscheibe zischten und die Glassplitter herumstäuben ließen.
Der Butler blieb nicht unnötig lange liegen. Wenn er den Schützen noch erreichen wollte, mußte er ihm den Weg abschneiden. Dabei durfte er keine Zeit verlieren. Parker sprang hoch, lief in geduckter Haltung bis zur Biegung des Korridors und entwickelte beim Durchlaufen der großen Clubhalle ein atemberaubendes Tempo, das man sonst nicht an ihm gewohnt war. Immerhin bestand ja die Chance, den Schützen zu erwischen.
Vorerst ging seine Rechnung auf.
Als er das Portal verließ, schoß ein geschlossener Buick vom Parkplatz herunter und nahm Kurs auf das breite, geöffnete Tor. Josuah Parker ging hinter einer Säule in Deckung und zog seinen Colt, ein Modell, das in den Tagen der Westpioniere wahrscheinlich schon Seltenheitswert besessen hatte. Dieses Schießgerät erwies sich allerdings als Präzisionsinstrument. In schneller Folge drehte sich die Trommel und spuckte Geschosse vom Kaliber 45 in die Dunkelheit.
Wie von einer Panzerkanone getroffen, wurde die Fahrt des Buick jäh gestoppt.
Panier, der mit einer Antwort in Blei nicht mehr rechnete, verließ den Schutz der Säule und lief über die breiten Stufen nach unten. Er wollte noch näher an sein Ziel herankommen.
Der Buick führte einen recht seltsamen Tanz auf. Zuerst schwänzelte das Heck seitlich weg und krachte scheppernd und kreischend mit einem Torpfosten zusammen. Der Fahrer des Wagens steuerte den wegrutschenden Wagen geschickt aus, brachte es sogar fertig, ihn wieder auf das schmale Asphaltband hinunter zur Straße zu bringen.
Parker wollte bereits weitere Schüsse lösen, als der Buick wie von einer riesigen Faust getroffen, jede Richtung verlor und auf einen Baumstamm zuhielt. Parker – geistesgegenwärtig wie immer – schloß die Augen. Er hörte bereits im voraus, was jetzt passierte. Der Buick legte sich nämlich kragenförmig um den Stamm und verlor jede ursprüngliche Form.
Es gab einen Krach, als würden etwa zehn Bleche und zwanzig Schaufensterscheiben aus höchster Höhe auf den Boden geworfen. Kurz danach, Parker öffnete bereits wieder seine Augen, ertönte eine dumpfe Explosion. Stichflammen schossen hoch, erhellten die Dunkelheit. Der scharfe Geruch brennenden Benzins kitzelte Parkers Nase.
Der Butler versuchte selbstverständlich zu retten, was noch zu retten war. Im Widerschein der Flammen sah er die Umrisse zweier Gestalten, die sich aus dem lichterloh brennenden Wagen retteten und auf der Straße verschwanden.
Der Butler nahm sofort die Verfolgung auf, zumal er deutlich gesehen hatte, daß eine der beiden Gestalten nicht besonders gut zu Fuß war. Sie humpelte nämlich beträchtlich.
Parker lief an dem Wagen vorbei, erreichte die Straße und erkannte tatsächlich weit vor sich die beiden Männer, die auf einen Rohbau zuhielten, um dort erst einmal in Deckung zu gehen.
Da stolperte eine der beiden Gestalten. Der humpelnde Mann kam wohl nicht weiter. Parkers Chancen stiegen ungemein. Wenn es ihm gelang, einen der beiden Männer zu stellen, konnte er seine Ermittlungen schnell vorantreiben.
Doch er rechnete nicht mit der Brutalität der Gangster, die ihre Spuren um jeden Preis verwischen wollten.
Der unverletzte Gangster blieb einen knappen Moment neben seinem verwundeten Partner stehen, schrie etwas auf ihn ein, was Parker nicht verstehen konnte. Sekunden später fiel dann ein einzelner Schuß. Der Gangster neben seinem am Boden liegenden Partner richtete sich auf und flüchtete weiter. Er verschwand hinter dem löchrigen Bauzaun.
Josuah Parker war ehrlich entrüstet. Nicht wegen der Flucht des Gangsters, sondern wegen des Mordes an dessen Partner. Daran gab es nämlich keinen Zweifel. Der flüchtende Gangster hatte seinen fußlahmen Partner einfach niedergeschossen, um jede Aussage zu verhindern.
Parker sah ein, daß eine weitere Verfolgung sinnlos gewesen wäre. Auf dem unübersichtlichen Gelände des Neubaus wäre er zu leicht in eine tödliche Falle geraten. Er kümmerte sich also um den verkrümmt am Boden liegenden Gangster, der kein Lebenszeichen mehr von sich gab.
Dieser Mann war tatsächlich erschossen worden. Und zwar aus allernächster Nähe. Der Abzug über der Herzgegend war bereits blutgetränkt.
Josuah Parker kümmerte sich nicht weiter um das allgemeine Tohuwabohu, das sich jetzt auf der Straße bildete. Autos hielten an, Schreie und Rufe ertönten. Die ersten Neugierigen schoben sich bereits heran. Schnell und geschickt durchsuchte Parker die Taschen des toten Gangsters.
Unbemerkt von den neugierigen Zuschauern, die empört nach der Polizei riefen, steckte der Butler einen Hotelschlüssel ein, an dem eine Kunststoffmarke mit dem Namen des Hotels hing.
Parker wollte und durfte, keine Zeit verlieren, wenn er am Mann bleiben wollte. Um das sicherzustellen, mußte er sich den Fragen eines Streifenpolizisten entziehen, der gerade von seinem Funkkrad stieg.
»Dort der Herr war Augenzeuge«, sagte Parker unverfroren und wies auf einen ahnungslosen Zuschauer, der besonders neugierig war und sich nach vorn drängelte.
Der Streifenpolizist war dankbar für diesen diskreten Hinweis, änderte die Richtung und schritt auf den erstaunten Mann zu, der von seiner Rolle noch gar nichts wußte. Parker aber mischte sich unter das Volk, schob sich vorsichtig an das Motorrad heran und schwang sich in den Sattel. Der Motor der super-schweren Harley-Davidson war sofort da. Parker ließ die Kupplung kommen, und er preschte los.
Er fühlte sich auf der schweren Maschine ganz wie zu Hause, entwickelte sofort ein atemberaubendes Tempo. Die erste Kurve steuerte er derart scharf an, daß die Zylinderblöcke bedenklich nahe dem Erdboden kamen.
Es war schon ein recht unheimliches und auch unwirkliches Bild. Parker, angetan mit Melone und schwarzem Covercoat, zischte wie ein Schemen durch die belebten Straßen. Den Regenschirm hatte er hinter das Funkgerät am Hinterrad geklemmt. In verwegener Slalomfahrt kurvte Parker sich so an das »Middleton-Hotel« heran …!
*
Da Parker den Zimmerschlüssel des Gangsters besaß, hielt er sich in der Halle erst gar nicht auf, sondern fuhr sofort mit dem Lift hinauf in die vierte Etage. Auch das Innere des Hotels machte einen recht ungepflegten Eindruck. Die roten Kokosläufer waren abgetreten und schrien förmlich nach einem Staubsauger. Die blinden Fenster auf dem Korridor forderten noch lauter nach einem Ledertuch und sehr viel Wasser. Parker überhörte jedoch dieses Geschrei und schritt auf das Zimmer Nr. 52 zu. Bevor er den erbeuteten Schlüssel probierte, untersuchte er das Schloß und die Metallabdeckung nach Spuren eines gewaltsamen Öffnens.
Es schien alles in bester Ordnung zu sein.
Nach einem kurzen, prüfenden Blick in die Runde schob der Butler den Schlüssel ins Schloß und sperrte auf. Er rechnete damit, auf den zweiten Gangster zu stoßen, der hier ausräumte und Spuren verwischte. Parker wurde aber enttäuscht. Das einfache Hotelzimmer mit der spärlichen Einrichtung war leer und offensichtlich nicht durchsucht worden.
Bevor Parker sich an die Arbeit machte, verschloß er die Tür, um nicht überrascht zu werden. Anschließend ging er in bewährter Art methodisch und gewissenhaft vor. Er zerlegte, um es übertrieben auszudrücken, das Zimmer in seine Bestandteile.
Der