Mami Staffel 5 – Familienroman. Eva-Marie Horn

Mami Staffel 5 – Familienroman - Eva-Marie Horn


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wie sie aussehen würde, aber es war klar, daß sie etwas unternehmen mußte.

      Ihre kleine Tochter lehnte Udo ab. Die Alternative war ihr leiblicher Vater. Wenn Conny Gelegenheit hatte, sich mit ihm zu befassen, würde sie aufhören, in Jens Seeger ihren Papa zu sehen.

      »Aber es wäre doch so schön, wenn er mit uns…«, probierte es Conny erneut. Sie schmiegte sich dabei an Gudrun und preßte ihr heißes Gesicht an ihre Wange.

      »Conny«, mahnte die gestreßte Mutter, »Herr Seeger ist uns fremd, und es ist ihm bestimmt nicht recht, wenn wir uns auf diese Weise an ihn klammern. Soll ich dich in dein Zimmer tragen, damit du ein wenig schlafen kannst?«

      Die Kleine schüttelte heftig den Kopf. »Ich will nicht schlafen. Du hast mir doch versprochen, daß wir heute im Garten Blumen pflanzen.«

      Gudrun war froh, daß sich das Kind ablenken ließ. »Aus unserer Pflanzaktion wird nichts werden, weil du ja nicht auftreten kannst.«

      »Och, mal sehen. Ich kann es ja mal probieren. Mein Fuß tut schon gar nicht mehr weh.« Conny schob das Bein mit dem dicken Verband über die Kante und stellte sich ohne zu zögern darauf. »Es geht wieder«, stellte sie erfreut fest.

      »Trotzdem darfst du das Gelenk noch nicht belasten. Bitte, bleibe hier liegen. Ich lese dir auch Geschichten vor.« Besorgt schob

      Gudrun das Töchterchen zu-

      rück.

      Conny kniff gekonnt ein Auge zu und blinzelte verschwörerisch.

      »Soll ich dir was verraten, Mami? Das mit meinem Knöchel war gar nicht so schlimm. Aber es war so schön, von meinem Sportlehrer getragen zu werden, und da hab’ ich eben ein bißchen Theater gespielt.« Den letzten Satz tuschelte Conny ihrer Mutti vertrauensvoll ins Ohr.

      Sie konnte ihrem Kind nicht böse sein, sah es aber trotzdem strafend an. »Das hättest du nicht tun dürfen, Conny. Herr Seeger bekommt dadurch vielleicht Schwierigkeiten.«

      »Echt?« fragte Conny erschrocken. »Das will ich aber nicht. Du mußt das verhindern, Mami.«

      Gudrun zog die Schultern hoch. »Wenn ich kann. Auf alle Fälle werde ich dafür sorgen, daß Udo nichts unternimmt.«

      *

      Jens Seeger unterrichtete nicht nur Sport, sondern auch Biologie, was ihm viel Spaß machte. Gerade jetzt im Frühjahr hatte er Gelegenheit, seinen Schülern viel Interessantes zu zeigen. Eben war er dabei, ein Vogelnest, das er im Park gefunden hatte, zu präparieren. Er hatte auch zerbrochene Vogeleier gesammelt und die Schalen sorgfältig wieder zusammengesetzt. Als es an der Tür seines kleinen Appartements klingelte, fuhr er erschrocken zusammen. Er hatte völlig vergessen, daß ihn seine Freundin Heidi abholen wollte.

      Heidi Schumann war Sportlehrerin am Gymnasium. Sie war fast sieben Jahre jünger als Jens und hatte doch schon seit zwei Jahren eine feste Anstellung. Vermutlich hatte sie das weniger ihrer Qualifikation als ihrem guten Aussehen und ihrer lebhaften Art zu verdanken. Heidi war stets sorglos und unbekümmert.

      Leider hatte sie auch kein Verständnis dafür, daß Jens seinen Unterricht sorgfältig vorbereitete.

      Wie ein Wirbelwind stürmte Heidi herein, schlang ihre Arme um Seegers Hals und bedeckte sein Gesicht mit Küssen. Dabei mußte sie sich ordentlich strecken, denn sie war wesentlich kleiner als er.

      »Bist du fertig?« erkundigte sie sich nach der stürmischen Begrüßung, die er passiv über sich ergehen ließ.

      Schon seit einiger Zeit hegte er Zweifel daran, daß Heidi die richtige Partnerin für ihn war. Ihre lebhafte Art und ihr Verlangen, jeden Tag wegzugehen, nervten ihn häufig. Die Gespräche, die sie miteinander führten, waren meist nur oberflächlich. Auch das störte Jens. Allerdings fand er nicht den Mut, das Verhältnis von sich aus zu beenden.

      Heidi hatte bereits erkannt, daß ihre Frage überflüssig war. Jens hatte weder seine Vorbereitungen für den morgigen Unterricht beendet, noch war er umgezogen. »Wir wollten doch zu Bulli. Hast du das vergessen?«

      »Wer ist Bulli?« erkundigte sich Jens ohne Interesse.

      »Ein toller Typ, der ’ne Band leitet und mit seinen Boys abends im ›Griffin‹ auftritt. Geiler Schuppen. Hab ich dir doch alles schon erzählt. Heute gibt der Bulli ’ne Party. Du, da wird echt was geboten. Mach schon, schmeiß’ dich in andere Klamotten, und wir ziehn ab.«

      »Entschuldige, Heidi, aber ich bin nicht in Stimmung. Ich möchte lieber…«

      »Nicht in Stimmung? Was soll denn das nun wieder heißen. Benimmst dich ja wie ein Gruftie.«

      »Es hat heute in meiner Sportstunde einen kleinen Unfall gegeben. Vielleicht war ich nicht unschuldig daran. Auf jeden Fall beschäftigt mich das. Die Eltern werden mir vielleicht Ärger machen.« Jens dachte an Udos Drohungen.

      »Ph, das können sie ja gar nicht. Wenn übermütige Jugendliche einen Unfall provozieren, ist das doch nicht dein Bier. Mann, nun hab dich nicht so. Das kommt jeden Tag vor. Niemand denkt sich was dabei.«

      »Mich kann es die Aushilfsstelle kosten und verhindern, daß ich jemals eine feste Anstellung bekomme«, überlegte Jens düster.

      »Abwarten«, riet Heidi. »Wenn es soweit ist, kannst du dir Gedanken darüber machen. Und jetzt reiß’ dich am Riemen. Ich will nicht die Letzte sein, die bei Bulli eintrudelt.«

      Jens stand vor seinem Arbeits-tisch und rührte sich nicht.

      »Wenn dir so viel daran liegt, kannst du ja vielleicht alleine…«

      »Kommt ja nicht in die Tüte. Gerade heute mußt du aufgemuntert werden. Das siehst du doch wohl ein. Bei Bulli geht es immer lustig zu. Es wird dir gefallen. Außerdem ist der Junge scharf auf mich, und da wirst du mich doch nicht alleine hingehen lassen.« Heidi lachte unbekümmert.

      Jens hörte die Anspielung wohl, aber er nahm kaum Notiz davon. Immer wieder dachte er daran, daß ihn Conny beharrlich ›Papa‹ genannt hatte. Das konnte er Heidi gar nicht erzählen, denn sie war, das wußte er von anderen Gelegenheiten, höllisch eifersüchtig. So unangenehm war die Vorstellung, Vater der kleinen Conny zu sein, gar nicht, denn die Mutter war zweifelsohne eine tolle Frau. »Quatsch«, murmelte Jens und versuchte, diese Überlegung aus seinen Gedanken zu verbannen.

      »Quatsch wäre es, wenn wir nicht hingehen würden. Und nun träume nicht länger, sondern bewege dich endlich«, forderte Heidi und puffte Jens in die Seite. »Morgen ist übrigens Fondue-Essen bei meinem Kollegen Viktor. Den mußt du unbedingt kennenlernen. Fährt demnächst nach Indien und macht dort ein Überlebenstraining. Wahnsinnig interessant, sag ich dir. Am Wochenende ist dann Paddeltour auf der Mosel. Das wird bestimmt super.«

      Flüchtig dachte Jens daran, daß die kleine Conny ihn ins Freizeitparadies hatte mitnehmen wollen. Aber dieser Typ, der ihn bei der Schulbehörde anschwärzen wollte, würde das ja sicher vereiteln.

      »Ich wäre viel lieber mit dir allein«, meinte Jens und fühlte sich hoffnungslos überfordert. »Wenn wir jeden Abend weggehen, haben wir ja nie Zeit füreinander.«

      »Süß«, jauchzte Heidi, machte einen Schritt auf Jens zu und gab ihm einen schmatzenden Kuß. »Wir halten uns den Freitag offen. Okay? Da kann ich schon gleich nach dem Dienst zu dir kommen, und wir machen es uns so richtig gemütlich.«

      »Warum nicht heute schon?« Jens machte ein trauriges Gesicht. Er war auch traurig, denn er fühlte sich als Versager.

      »Weil Bulli heute auf uns wartet, und weil ich unbedingt dabeisein will, wenn er seinen neuesten Hit vorstellt.«

      Jens sah auf seine Arbeit.

      »Was ist los mit dir?« drängte Heidi und betrachtete sich nebenbei im Spiegel an der gegenüberliegenden Wand. Ihr braunes Haar fiel in sorgfältig zurechtgezupften Rastalocken bis zur Schulter. Ihre braunen Augen waren durch dunk-le Striche gekonnt betont. Gut sah das aus. Heidi war zufrieden.

      »Ich hab’s dir doch schon erzählt. Der Unfall in der Sportstunde…«


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