Mami Staffel 5 – Familienroman. Eva-Marie Horn
beiden Händen hielt Conny ein kleines Kästchen und tippte eifrig auf kleine Knöpfe. Auf einer Scheibe flimmerten lustige Strichmännchen und bestanden jene Abenteuer, von denen Kinder nur träumen konnten.
»Mami, ich hab’ schon 111 Punkte!« meldete Conny begeistert.
»Du solltest das Spiel weglegen und lieber zum Frühstück kommen. Udo holt uns in einer Viertelstunde ab.« Gudrun hatte liebevoll den Tisch gedeckt und selbstverständlich die Knusperflocken, die Conny so gerne mochte, nicht vergessen.
Conny sah erschrocken hoch. Sie verzichtete darauf, weitere Knöpfe zu drücken, was das elektronische Spielzeug mit lautem Piepen quittierte.
»Udo?« In diesem einen Wort drückte sich Connys leidenschaftliche Ablehnung aus. Ihr entsetzter Blick bestätigte dieses Gefühl noch. »Du hast mir doch versprochen, daß wir heute ins Freizeitparadies gehen.« Conny sprang vom Stuhl. Die leichte Verletzung beim Schulsport machte keinerlei Probleme mehr.
»Das wollen wir ja auch.« Gud-run war von der Reaktion ihrer kleinen Tochter nicht überrascht. Seit von einer eventuellen Heirat die Rede war, betonte Conny ihre Ablehnung dem Geschäftsführer gegenüber bei jeder Gelegenheit.
»Mit Udo? Iiih, da bleibe ich lieber hier.«
Gudrun holte tief Luft und blieb ruhig. »Er hat das angeboten und uns gleichzeitig zum Essen eingeladen. Ich konnte nicht ablehnen.« Gudrun dachte daran, daß sich Udo Braun ihr gegenüber stets höflich und großzügig zeigte. Das war zwar kein Grund für eine innige Liebe, aber doch für gewisse Anerkennung.
»Ich mag ihn nicht!« Conny legte das elektronische Spiel zur Seite und schaltete es aus. Das Piepsen verstummte. »Ich wollte mit meinem Papa ins Freizeitparadies.« Ungezogen stapfte Conny mit dem Fuß auf.
Gudrun sah das Kind strafend an. »Conny, darüber wollten wir nicht mehr sprechen. Herr Seeger ist dein Sportlehrer. Darüber hinaus gibt es keine Verbindung zu ihm.«
»Er ist mein Papa!« beharrte Conny trotzig.
»Dein Papa heißt Peter Simon und lebt in Kuba. Warum willst du das nicht akzeptieren?« Gudrun schwankte zwischen Strenge und Nachgiebigkeit. Einerseits ärgerte sie sich über Connys stures Verhalten, andererseits tat ihr das Kind leid, denn es mußte ohne Vater aufwachsen, und das war ihre,
Gudruns, Schuld.
»Du hast gesagt, er kommt nie mehr zurück, und wir hören auch nie mehr von ihm. Da kann er doch auch nicht mein Papa sein. Ein Papa ist da, wenn man ihn braucht.« Da war sie wieder, die kindliche Logik.
Ihr konnte sich auch Gudrun nicht verschließen. Heimlich nahm sie sich vor, Verbindung zu ihrem geschiedenen Mann aufzunehmen. Daß er ein Kind hatte, schien er vergessen zu haben. Bisher störte sie das nicht, im Gegenteil. Doch nun wurde es nötig, Kontakt zu Conny aufzubauen, wenn es auch nur schriftlich oder telefonisch sein konnte.
»Was würdest du sagen, wenn er sich melden würde, dein Vater?« Gespannt schaute Gudrun ihre Tochter an.
Conny überlegte keinen Augenblick. »Braucht er nicht«, meinte sie unbeeindruckt, »ich hab’ ja Jens.«
Eine weitere Erörterung des Themas erschien Gudrun sinnlos. Handeln mußte sie.
Udo, der etwas früher eintraf, machte eine weitere Diskussion ohnehin unmöglich. Er schien bester Laune zu sein. Zur Begrüßung umarmte er Gudrun und küßte sie auf den Mund. »Gut siehst du aus, so richtig zum Verlieben. Dabei bin ich’s doch längst.« Udo schien die Bemerkung für witzig zu halten, denn er lachte herzlich.
»Übrigens hab’ ich dir etwas mitgebracht.« Galant überreichte Udo der überraschten Gudrun ein kleines, in durchsichtiger Folie gepacktes Geschenk. »Ich hoffe, du magst das.«
»Oh, das ist ein wahnsinnig teures Parfüm«, murmelte Gudrun ein bißchen beschämt.
»Für dich ist mir nichts zu teuer, und für die Prinzessin auch nicht. Wo ist sie denn?« Udo schaute sich suchend um.
»Noch am Frühstückstisch.« Gudrun blieb an Udos Seite, als er mit raschen Schritten auf das Eßzimmer zuging, mußte sie doch befürchten, daß sich Conny dem Geschäftsführer gegenüber unhöflich benahm.
Betont forsch trat er ein und gab sich richtig kameradschaftlich. »Ich dachte, du könntest ein neues elektronisches Spiel brauchen, Prinzessin. Hab’ ich recht?«
Conny ließ sich von Udos Freundlichkeit nicht täuschen. Auch mit den teuersten Geschenken konnte er sie nicht bestechen. Ihr Gesicht wurde keine Spur freundlicher, und sie dachte daran, die Annahme des Geschenks zu verweigern. Doch da war der warnende Blick ihrer Mami, und Conny nahm Udos Päckchen folgsam entgegen. »Danke«, murmelte sie feindselig.
Udo schien es nicht zu bemerken, denn er gab sich weiterhin gutgelaunt und machte allerhand Vorschläge für die Gestaltung des Tages.
Während ihn Gudrun mit Kaffee und Gebäckstückchen bewirtete, beobachtete ihn Conny finster.
»Ich komme nicht mit, mein Knöchel tut weh«, erklärte sie schließlich.
Überrascht sah Gudrun das Kind an. Sie ahnte, welche Überwindung dieser Verzicht ihre kleine Tochter kostete. »So plötzlich?« murmelte sie, obwohl diese Frage überflüssig war.
»Das tut mir aber leid.« Udo heuchelte Bedauern. In Wirklichkeit kam ihm die Änderung des Programms sehr gelegen. Für ihn war es nämlich überhaupt kein Spaß, sich in einer Freizeitanlage zu vergnügen, die hauptsächlich auf die Bedürfnisse von Kindern ausgelegt war. »Bleiben wir also zu Hause und gehen zur Mittagszeit in ein schickes Lokal zum Essen.«
Conny fand die Vorstellung, daß Udo den Tag bei ihnen verbringen würde, noch unmöglicher. Deshalb machte sie ihrem Ärger Luft. »Wenn mein Papa mitgekommen wäre…«
»Conny!« warnte Gudrun streng. Sie erreichte, daß der Satz unvollständig blieb. Die Laune ihrer kleinen Tochter verbesserte das allerdings nicht.
*
Die Ferienanlage, die Peter Simon verwaltete, war großzügig konzipiert. In zahlreichen kleineren Häusern wohnten Touristen aus vielen Ländern Europas, aber auch aus Kanada und Südamerika. Abends trafen sie sich auf einer Art Dorfplatz, umgeben von Palmen, verschiedenen Bars und Bühnen, auf denen abwechslungsreiche Shows gezeigt wurden. Sitzgruppen luden zum Verweilen ein, Musiker standen an jeder Ecke. Bis spät in die Nacht tönten ihre heißen Rhythmen über den Platz.
Peter Simon saß dort mit einer schlanken Blondine, die nathlos braun und stark geschminkt war. Sie kam aus der Schweiz und konnte den Dialekt ihrer Heimat nicht verleugnen. »Du bischt so schtill heute«, kritisierte sie ihren Tischherrn, der dem kubanischen Rotwein nur wenig zusprach.
»Ich denke nach.« Pedro, wie er sich hier nannte, war bei den alleinreisenden Touristinnen ein beliebter Gesellschafter. Er sah gut aus, war temperamentvoll und verfügte über jenen zurückhaltenden Charme, den die Inselbewohner nicht hatten.
»Und über was?« erkundigte sich die Schweizerin in singendem Tonfall. Wie schon viele Damen vor ihr, hoffte sie, daß Pedro sie auffordern würde, bei ihm zu bleiben.
Pedro ahnte das wohl, dachte aber nicht daran, darauf einzugehen. Seit er vor drei Jahren von seiner mexikanischen Ehefrau geschieden wurde, empfand er nicht den Wunsch, sich wieder zu binden. Für ihn war das Leben ohne Trauring viel interessanter, denn so konnte er die Partnerinnen ständig wechseln, ohne deshalb Probleme zu bekommen. In den meisten Fällen war die Trennung vorprogrammiert, denn die Urlauberinnen blieben in der Regel nur zwei oder drei Wochen.
Die blonde Schweizerin bildete eine Ausnahme. Schon zweimal hatte sie ihre Buchung verlängert. Nicht nur, weil es ihr in der Karibik so gut gefiel, sondern auch, um Pedro ganz für sich zu gewinnen.
»Ich werde nach Deutschland reisen. Morgen schon. Eben habe ich nochmals mit der Fluggesellschaft telefoniert. Ab Havanna ist ein Platz frei. Für die Strecke dorthin kann ich den Hubschrauber benutzen.«
Die Schweizerin glaubte zunächst, sich verhört zu haben. »Das ischt