DECEMBER PARK. Ronald Malfi
Feld. Wenn ein Auto vorbeikäme, wären wir geliefert gewesen.
Immer noch lachend kam Peter um das Schild herum und gesellte sich zu mir. Er wischte sich mit dem Handrücken Tränen aus den Augen und blickte fasziniert zu Michael empor. »Er wird sich das Genick brechen, wenn er fällt«, warnte er so leise, dass Michael ihn nicht hören konnte.
Scott ging zur Rückseite des Schilds. »Ich bleibe hier hinten und versuche ihn aufzufangen, sollte er fallen.«
»Klasse«, bemerkte ich sarkastisch. »Dann geht ihr beide drauf.«
»Vermutlich«, stimmte Scott zu und verschwand hinter dem Schild.
Die ganze Angelegenheit dauerte nicht länger als drei Minuten, obwohl es mir eher wie eine Ewigkeit vorgekommen war. Zum Glück kamen keine Autos vorbei, als Michael zu Werke war, doch zweimal dachten wir, dass wir eines kommen hörten, worauf Michael sich hinter das Schild duckte, während Peter und ich uns in das überwucherte Gebüsch am Straßenrand flüchteten.
Als er fertig war, stieg Michael wieder herab und er kam mit Scott zu uns an die Vorderseite des Schilds, wo unser Quartett sein Werk wie Schätzer auf einer Kunstausstellung bewunderte.
Er hatte je den ersten Buchstaben beider Wörter ausgetauscht, sodass jetzt auf dem Schild prangte: Farting Harms. Furzen ist schädlich.
Es war brillant – ein echter Michael Sugarland eben.
Das Geräusch eines Fahrzeugs ließ uns aufschrecken. Ich wirbelte herum und sah Scheinwerfer die Straße entlang auf uns zu kommen. Zu viert kauerten wir uns im dichten Gras und den Büschen nieder, als ein rostiger Pick-up vorbeigerauscht kam.
»Willkommen in der Unsterblichkeit, altes Haus«, tönte Michael und klopfte mir auf die Schulter.
***
Wir kamen zur Kreuzung von Haven und McKinsey und warteten, während zwei Wagen langsam an die Ampel rollten. Ein beißender Windstoß brachte Scotts Umhang zum Rascheln. Mich fror plötzlich und ich schlang die Arme um meinen Körper. Hier waren wir aufgebrochen.
Scott gab Michael den Rucksack zurück, zog sich den spitzen Kragen seines Dracula-Umhangs dichter um den Hals, winkte und überquerte die Kreuzung. Dann verschwand er hinter der Biegung der Haven Street.
Michael zog sich den Rucksack über. Den Tropenhelm hatte er wieder auf dem Kopf und sein Bärtchen aus Schuhcreme war halb über seine linke Wange verschmiert. »Gute Nacht, ihr Penner.« Er ging geradeaus und kürzte mit zufrieden beschwingtem Gang durch den dunklen Garten zwischen zwei Häusern ab.
Peter fischte zwei Zigaretten aus seiner Tasche und gab mir eine.
»Danke.«
Es war schwierig, die Zigaretten im unnachgiebigen Wind anzuzünden, aber es gelang uns schließlich.
»Dein Paps ist noch nicht zu Hause, oder?«
»Nein«, entgegnete ich. »Nicht vor morgen. Wie jedes Jahr.«
»Wollen wir uns im Diner etwas zu essen holen?«
»Heute nicht mehr. Ich sollte nach Hause gehen.«
»Ja«, stimmte er zu, »ich auch.«
»Was ist?« Ich sah ihm an, dass er etwas auf dem Herzen hatte.
»Ach nichts. Es ist nur … Ich habe deinen Gesichtsausdruck gesehen, als wir Naczalniks Haus bombardiert haben. Ich meine, du warst total …« Er runzelte die Stirn. »Weiß nicht.«
Ich hatte niemandem – nicht einmal meinem Vater, nachdem er mir eine Woche Hausarrest aufgebrummt hatte – den wahren Grund genannt, weshalb ich Naczalnik diesen Aufsatz nicht abgegeben hatte. Peter war mein bester Freund und ich überlegte, ob ich es ihm nun erzählen sollte. Am Ende entschloss ich mich doch dagegen. Nicht, weil ich es Peter nicht anvertrauen wollte, sondern weil ich nicht glaubte, mich selbst dazu bewegen zu können, darüber zu sprechen.
»Langhalsnik ist ein Trottel«, zog ich mich aus der Affäre. »Das ist alles.«
Peter nickte und betrachtete seine neuen Sneakers, die noch immer mit schwarzer Schuhcreme vollgeschmiert waren. Seine Unterlippe zitterte vor Kälte und eine Rauchwolke waberte um seinen Kopf, bis der Wind sie zerstob. »Ohne Scheiß, meine Mom zerlegt mich in meine Einzelteile wegen dieser bekloppten Schuhe.«
»Vielleicht geht es mit Waschen weg«, schlug ich vor, obwohl ich nicht ernsthaft daran glaubte.
»Ja, möglich.« Er grinste mich leicht an. »Na gut. Bis später, Verräter.«
»Bis dann, Pädo-Mann.«
Er trat seine Zigarette mit einem der ruinierten Schuhe aus und stopfte die Hände in die Hosentaschen seiner Jeans. Mit hochgezogenen Schultern und seiner Plastik-Batman-Maske, die er im Nacken hängen hatte, flanierte er über die Kreuzung davon. Der grüne Schein der Ampel hüllte ihn in ein gespenstisch bläuliches Leuchten. Er sah aus wie ein Geist, direkt den Legenden entsprungen, die sich um den December Park rankten.
Ich stand an der Ecke und sah ihm hinterher, bis ihn die Dunkelheit gänzlich verschlungen hatte.
***
Während ich mich durch die Haven Street auf den Heimweg machte, ging mir der Vorfall mit Mr. Naczalnik noch einmal durch den Kopf. Hätte ich meiner Umgebung mehr Aufmerksamkeit geschenkt, hätte ich auch den Wagen bemerkt, der vor mir in der Dunkelheit verborgen lag. Diesem Umstand geschuldet fuhr ich auch vor Schreck fast aus der Haut, als der Motor unvermittelt mit lautem Dröhnen startete. Im selben Moment, als die Scheinwerfer angingen, schlingerte das Fahrzeug vorwärts und ich konnte das kettensägenartige Geräusch eines mahlenden Getriebes hören, als es auf mich zukam.
Das alles geschah so plötzlich, dass ich vor Entsetzen wie angewurzelt stehenblieb; ich stand einfach nur da, mitten auf der Straße, der Wind zerzauste mir die Haare, wehte sie kreuz und quer über meine Stirn und in meine Augen. Ich hob einen Arm, um meine Augen abzuschirmen und trat hinüber zum Randstein, während die Scheinwerfer begleitet vom Motorgeheul auf mich zuhielten.
Der Gedanke zu rennen, über den Randstein zu springen und durch den angrenzenden Wald abzuhauen, war mir sofort in den Sinn gekommen, doch ich war wie gelähmt. Ich sah das Scheinwerferlicht auf mich zurasen, bis der Wagen keine zehn Meter vor mir entfernt quietschend zum Stehen kam. Es war ein Pick-up und die Kraft des plötzlichen Halts hatte bewirkt, dass der Wagen quer über die Straße gedriftet war. Die Reifen qualmten. Selbst aus dieser Entfernung konnte ich die Hitze spüren, die von dem Fahrzeug ausging. Von außen hörte ich gedämpft, wie das Radio in der Fahrerkabine dröhnte, und sah dunkle, schattenhafte Umrisse von der Seite der Ladefläche herabgleiten. Plötzlich konnte ich das Schimmern metallener Gürtelschnallen ausmachen.
Eine körperlose Stimme trieb zu mir herüber. »Mazzone, du Arschloch, ich hab schon die ganze Stadt nach dir abgesucht.«
Sie kamen um den Wagen herum und kreisten mich ein wie Hyänen. Die Deckenleuchte der Fahrerkabine ging an, als sich die Tür öffnete, und beleuchtete den Fahrer.
Nathan Keener.
Ich wich von der Straße zurück und halb in eine Reihe dichter Büsche aus. Durch den neuen Blickwinkel meines veränderten Standpunktes blendeten mich die Scheinwerfer nicht länger, wodurch ich meine Auflauerer nun richtig erfassen konnte. Nathan Keener und vier oder fünf seiner Lakaien waren aus dem Wagen gestiegen und schlichen um mich herum, wobei ihre weißen, totenkopfgleichen Gesichter losgelöst in der Dunkelheit zu schweben schienen. Überall um mich herum kreiste ihr leichenfahles Grinsen.
Keener postierte sich vor der Front seines Pick-ups und lehnte sich steif gegen die Motorhaube. Er steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen und zündete sie mit einem Zippo-Feuerzeug an. Das Zippo schimmerte im Mondlicht. Mit verschränkten Armen nahm er einen Zug, sodass die glühende Aschespitze rot aufleuchtete.
Nathan Keener war achtzehn und hatte gerade erst Stantons Berufsschule abgeschlossen – allerdings nur mit Hängen und Würgen, soweit ich informiert war. Er und sein Haufen Gleichgesinnter wirkten in dieser Gegend von Harting Farms völlig