Ausgewählte Werke von Selma Lagerlöf. Selma Lagerlöf

Ausgewählte Werke von Selma Lagerlöf - Selma Lagerlöf


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sich noch einmal, und er ärgerte sich darüber, daß er die Furche nicht die ganze Strecke gleich breit und tief pflügen konnte. Schließlich wurde der Boden so steinhart, daß er sich begnügen mußte, ihn nur ganz leicht mit der Pflugschar zu ritzen. Auf die Weise gelangte er aber schließlich bis an die nördliche Grenze der Weide, und dort setzte er sich hin und wartete auf den Vater.

      Der zweite von den Brüdern begann auch damit, eine breite und tiefe Furche zu Pflügen, und er hatte das Glück, eine gute und flache Strecke zwischen den Erdhügeln zu finden, so daß er sie ohne Unterbrechung bis zu Ende führen konnte, Hin und wieder fuhr er an einer Schlucht entlang, und je weiter er gen Norden kam, um so mehr Bogen mußte er machen, um so schmaler wurde die Furche. Aber er war so gut im Gange, daß er nicht an der Grenze anhielt, sondern noch ein gutes Stück weiter pflügte, als er nötig hatte.

      Auch dem dritten Bruder, der links von dem ältesten stand, erging es anfangs ganz gut. Es gelang ihm, eine Furche zu ziehen, die breiter als die der anderen war, bald aber stieß er auf so schlechten Boden, daß er nach Westen zu abbiegen mußte. Sobald wie möglich pflügte er wieder in nördlicher Richtung und pflügte breit und tief, mußte aber innehalten, noch ehe er die Grenze erreicht hatte. Er wollte nicht gern mitten auf dem Felde halten, deswegen wendete er die Pferde und bog nach einer anderen Richtung ab. Aber schon im nächsten Augenblick war er so eingeschlossen, daß er aufhören mußte. ›Diese Furche wird wohl die schlechteste werden,‹ dachte er und setzte sich auf den Pflug, um den Vater zu erwarten.

      Es ist wohl nicht notwendig zu erzählen, wie es den anderen erging. Sie bewährten sich alle als Männer. Diejenigen, die in der Mitte pflügten, hatten harte Arbeit, aber diejenigen, die östlich und westlich von diesen gingen, hatten es noch schwerer, denn da war die Erde so voll von Steinen und Sümpfen, daß es unmöglich war, die Furchen gerade und gleichmäßig zu ziehen. Was nun die beiden Jüngsten betrifft, so konnten sie kaum etwas anderes tun, als ihren Pflug wieder und wieder zu wenden, aber trotzdem brachten sie ein gutes Stück Arbeit fertig.

      Als der Abend hereinbrach, saßen die sieben Brüder müde und niedergeschlagen, ein jeder am Ende seiner Furche, da und warteten.

      Da kam der Vater gegangen. Er kam zuerst zu dem, der am weitesten nach Westen zu gearbeitet hatte.

      ›Guten Abend!‹ sagte der Vater. ›Wie ist es mit der Arbeit gegangen?‹

      ›Nicht allzugut,‹ sagte der Sohn. ›Es war ein schwieriges Stück Land, das Ihr uns zu pflügen gegeben habt.‹ – ›Du kehrst dem Arbeitsfeld ja den Rücken,‹ sagte der Vater. ›Dreh dich einmal um, dann kannst du sehen, was du ausgerichtet hast! Es ist gar nicht so wenig, wie du glaubst.‹

      Und als der Sohn sich umwandte, sah er, daß sich dort, wo er mit seinem Pflug gegangen war, herrliche Täler mit Seen und schönen, bewaldeten Berghängen gebildet hatten. Er war ein gutes Stück durch Dalsland und die Nordmark in Värmland hindurchgekommen und hatte den Laxsee und den Lelangen und den Großen See und die beiden Silarna durchgepflügt, so daß der Vater allen Grund hatte, mit ihm zufrieden zu sein.

      ›Jetzt wollen wir einmal hingehen und sehen, was die anderen geschafft haben,‹ sagte der Vater. Der nächste von den Söhnen, zu dem sie kamen – es war der fünfte in der Reihe – hatte den ganzen Jösser Bezirk und den Glasfjord umgepflügt. Der dritte Sohn hatte den Värmele gepflügt, der älteste das Frykstal und den Tryksee, der zweitälteste das Älftal mit dem Klarelf. Der vierte hatte harte Arbeit im Bergwerkdistrikt gehabt und hatte den Yegen und den Daglösee außer einer Menge anderer kleiner Seen gepflügt. Der sechste hatte eine gar wunderliche Furche gezogen. Zuerst hatte er den Platz für den großen See Skagern geschaffen, dann hatte er eine schmale Furche gepflügt, die der Leteelf ausfüllte, und schließlich war er über die Grenze gekommen und hatte die kleinen Seen in dem Westmanländischen Bergwerkdistrikt herausgegraben.

      Als der Vater das Pflugland gesehen hatte, sagte er, soweit er es beurteilen könne, hätten sie alle ein so gutes Stück Arbeit vollbracht, daß er damit zufrieden sein könne. Jetzt sei das Land keine Wildnis mehr, jetzt könne man darin leben und es bebauen. Sie hätten viele fischreiche Seen und fruchtbare Täler geschaffen; Elfe und Bäche bildeten Wasserfälle, die Mühlen, Sägewerke und Schmieden treiben könnten. Auf den Bergrücken zwischen den Furchen sei Platz zu Wäldern, wo Holz gefällt und Kohlenbrennerei betrieben werden könne, und nun sei auch die Möglichkeit vorhanden, geebnete Wege zu den großen Erzlagern in dem Bergwerkdistrikt anzulegen.

      Die Söhne freuten sich, als sie dies alles hörten, aber nun wollten sie auch gern wissen, wessen Furche die beste sei.

      ›In einem Pflugland, wie dies hier,‹ sagte der Vater ›ist es von größerer Bedeutung, daß alle Furchen gut zueinander passen, als daß die eine besser ist als die andere. Ich glaube, wer zu den großen, langen Seen in der Nordmark und im Dalsland kommt, wird einräumen, daß er selten etwas Schöneres gesehen hat. Aber wenn er hernach die lichten, fruchtbaren Gegenden ringsum den Glafsfjord und den Värmlen sieht, wird er sich doch freuen. Und wenn er sich dann eine Weile in den offenen, betriebsamen, betauten Gegenden aufgehalten hat, wird es ihm ein Vergnügen sein, sie mit den langen, engen Tälern am Fryken und Klarelf zu vertauschen. Und sollte er auch dieser überdrüssig werden, so wird es ihn erfrischen, die verschieden geformten Seen im Bergwerkdistrikt anzutreffen, die sich dahinschlängeln und deren so viele sind, daß niemand alle die Namen behalten kann. Nach diesen Seen mit ihren zahlreichen Buchten und Landzungen wird ihm eine so große Wasserfläche wie die der Skagern sicher eine freudige Überraschung sein. Und nun will ich euch sagen, wie es mit den gepflügten Furchen, so geht es auch mit den Söhnen: Kein Vater freut sich, wenn der eine besser ist als die anderen. Kann er aber mit gleicher Freude seinen Blick von dem Jüngsten bis zu dem Ältesten schweifen lassen, so ist sein Herz voller Freude.«

      XLVIII. Ein kleiner Herrenhof

       Inhaltsverzeichnis

       Donnerstag, 6. Oktober.

      Die Wildgänse flogen an dem Klarelf entlang, bis sie zu der großen Fabrik bei Munkefors kamen. Dann bogen sie nach Westen, dem Frydstal zu, ab. Ehe sie noch den Frykensee erreicht hatten, begann es zu dunkeln, und sie ließen sich auf einem flachen Moor eben in einem Bergwald nieder. Das Moor war ein vorzügliches Nachtquartier für Wildgänse, aber Niels Holgersen fand, daß es kalt und ungemütlich war, und er hatte gern einen besseren Platz zum Schlafen gehabt. Während sie noch hoch oben in der Luft gewesen waren, hatte er am Fuß des Bergrückens einige Höfe liegen sehen, und nun beeilte er sich, sie aufzusuchen.

      Der Weg war länger, als er geglaubt hatte, und er war mehrmals nahe daran, wieder umzukehren. Aber endlich wurde der Wald lichter, und er kam auf eine Landstraße, die am Waldessaume entlang lief. Von der Straße führte eine schöne Birkenallee nach einem Herrenhofe, und er lenkte sogleich seine Schritte dahin.

      Zuerst kam er auf einen Hofplatz, der von langen, roten Wirtschaftsgebäuden umgeben und so groß war wie ein Marktplatz. Als er ihn durchschritten hatte, kam er auf einen zweiten Hof, und dort sah er das Wohnhaus mit einem Seitenflügel, und davor einen Kiesweg und einen großen Rasen; hinter dem Hause aber lag ein Garten voller Bäume. Das Wohnhaus selbst war klein und unansehnlich, der Rasen aber war von einer Reihe mächtiger Ebereschen umkränzt, die so dicht nebeneinander standen, daß sie eine förmliche Wand bildeten, und dem Jungen war es, als sei er in einen prächtigen, gewölbten Saal gekommen. Über dem Ganzen wölbte sich ein blaßblauer Himmel; die Ebereschen waren gelb mit großen, roten Beerenbüscheln, das Gras war noch grün, aber das starke, klare Nordlicht warf einen solchen Glanz darauf, daß es so weiß wie Silber schimmerte.

      Kein Mensch war zu sehen, so konnte der Junge frei umhergehen, wo er wollte, und als er in den Garten kam, entdeckte er etwas, das ihn sofort in gute Laune versetzte. Er war auf eine kleine Eberesche geklettert, um sich ein paar Beeren zu pflücken, ehe er aber noch einen Büschel abgebrochen hatte, gewahrte er einen Faulbaum, der ebenfalls voller Früchte stand. Schnell ließ er sich von der Eberesche herabgleiten und kletterte auf den Faulbaum hinauf, kaum aber saß er dort, als er einen Johannisbeerbusch erblickte, an dem noch lange,


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