Ausgewählte Werke von Selma Lagerlöf. Selma Lagerlöf
ihre Sprache verändert?« dachte er.
Er winkte ihnen mit seiner Mütze zu, und er lief am Strande entlang und rief: »Hier bin ich, wo bist du?«
Aber das schien sie nur zu beängstigen. Sie hoben die Flügel und flogen übers Meer hinaus. Da wurde ihm die Sache endlich klar! Sie wußten nicht, daß er ein Mensch war. Sie konnten ihn nicht erkennen!
Und er konnte sie nicht zu sich rufen, weil ein Mensch die Sprache der Vögel nicht sprechen kann. Er konnte sie nicht sprechen, und er konnte sie auch nicht verstehen.
Obwohl Niels Holgersen so glücklich war, aus seinem Zauberbann erlöst zu sein, fand er es doch bitter, so von seinen guten Kameraden getrennt zu sein. Er setzte sich in den Sand und hielt die Hände vor das Gesicht. Was konnte es nützen, ihnen nachzusehen?
Nach einer Weile aber hörte er Flügelrauschen. Es war der alten Mutter Akka schwer geworden, vom Däumling zu reisen, und sie kehrte noch einmal zurück. Und jetzt, wo der Junge still dasaß, wagte sie es, näher an ihn heranzufliegen. Und auf einmal war es, als seien ihr die Augen dafür aufgetan, wer er war. Sie ließ sich neben ihm auf der Landzunge nieder.
Der Junge stieß einen Freudenschrei aus und schlang die Arme um die alte Mutter Akka. Die anderen Wildgänse strichen mit den Schnäbeln an ihm auf und nieder und drängten sich um ihn. Sie klagten und schnatterten und wünschten ihm auf alle mögliche Weise Glück, und er sprach auch mit ihnen und dankte ihnen für die wunderbare Reise, die er in ihrer Gesellschaft gemacht hatte. Aber auf einmal wurden die Wildgänse so merkwürdig still, als wollten sie sagen: »Ach, er ist ja ein Mensch! Er versteht uns nicht; wir verstehen ihn nicht!«
Da stand der Junge auf und trat an Akka heran. Er liebkoste und streichelte sie. Dasselbe tat er Yksi und Kaksi und Neljä, Viisi und Kuusi, allen den alten, die von Anfang an dabeigewesen waren.
Dann ging er den Strand hinauf, landeinwärts, denn er wußte ja, daß der Schmerz der Vögel niemals lange währt, und er wollte sich am liebsten von ihnen trennen, solange sie noch betrübt darüber waren, daß sie ihn verloren hatten.
Als er das feste Land erreicht hatte, wandte er sich um und sah den vielen Vogelscharen nach, die über das Meer dahinflogen. Alle riefen sie ihre Locktöne, nur eine einzige Schar Wildgänse flog ganz stumm ihres Weges, solange er ihnen mit den Augen folgen konnte.
Aber der Zug war regelmäßig und wohlgeordnet, die Geschwindigkeit war groß und die Flügelschläge waren stark und kräftig. Und der Junge empfand eine solche Sehnsucht nach den Davonziehenden, daß er nicht weit davon entfernt war zu wünschen, er wäre wieder der Däumling und könne mit einer Schar Wildgänse über Meer und Land dahinfliegen.
Ende.
Gösta Berling
Der Schatz des Pfarrers von Broby
Erster Teil
Der Pfarrer
Endlich stand der Pfarrer auf der Kanzel. Die Leute in der Kirche hoben die Köpfe in die Höhe. Er war es also wirklich! So fiel denn die Predigt diesen Sonntag doch nicht wieder aus wie am letzten Sonntage und an vielen Sonntagen vorher.
Der Pfarrer war jung, von hohem Wuchs, schlank und strahlend schön. Wenn man ihm einen Helm auf den Kopf gesetzt und ihm ein Schwert und einen