Ausgewählte Werke von Selma Lagerlöf. Selma Lagerlöf
Euer Gnaden, wir sind nicht vollzählig gewesen. Wir wissen ja, daß in der Schar der Zwölfe in der Dichtung stets ein Loke, ein Prometheus, ein Ganelon sein mußte. Den haben wir vermißt.
Euer Gnaden! Ich heiße Sie willkommen!«
»Seht, seht!« sagte der Böse. »Schöne Worte, schöne Worte. Und ich, der ich keine Zeit habe zu antworten! Geschäfte, meine Freunde, Geschäfte! Ich muß gleich fort, sonst stände ich euch zu jeglicher Rolle zu Diensten. Habt Dank für eure freundliche Aufnahme, Kameraden. Auf Wiedersehen!«
Da fragen die Kavaliere, wohin es ihn denn so eilig zieht, und er antwortet, daß die Herrin auf Ekeby, die Majorin selber ihn erwartet, um ihren Kontrakt zu erneuern.
Große Verwunderung ergreift die Kavaliere. Eine strenge und tüchtige Frau ist sie, die Majorin auf Ekeby. Sie hebt eine Tonne Roggen auf ihre breiten Schultern. Sie führt den Erztransport von den Gruben bis nach Ekeby. Sie schläft wie ein Fuhrknecht auf der Tenne, einen Sack als Kopfkissen unter dem Haupt. Im Winter kann sie einen Kohlenmeiler beaufsichtigen, im Sommer eine Bretterladung den Löfsee hinabflößen. Eine willensstarke Frau ist sie. Sie flucht wie ein Kerl und regiert ihre sieben Besitzungen und die Güter ihrer Nachbarn, regiert ihre eigene Gemeinde und die Nachbargemeinden, ja, das ganze schöne Wermland. Den heimatlosen Kavalieren aber ist sie eine Mutter gewesen, und deswegen haben sie ihre Ohren verschlossen, wenn das Gerücht zu ihnen drang, daß sie mit dem Teufel im Bunde stehe. Also fragen sie ihn mit großem Staunen, welchen Kontrakt sie mit ihm geschlossen hat.
Und er, der Schwarze, antwortet ihnen, daß er der Majorin ihre sieben Besitzungen geschenkt hat, gegen das Versprechen, daß sie ihm alljährlich eine Seele sendet.
Oh, welch ein Entsetzen schnürt da die Herzen der Kavaliere zusammen!
Sie wußten es ja, aber sie haben es bisher nicht verstanden. Auf Ekeby stirbt alljährlich ein Mann, einer von den Gästen des Kavalierflügels stirbt, einer von den Fröhlichen, den Sorglosen, den ewig Jungen stirbt. Nun ja – Kavaliere müssen nicht alt werden! Wenn ihre zitternden Hände kein Glas mehr halten können, wenn ihre halbblinden Augen die Karten nicht mehr zu unterscheiden vermögen – was ist das Leben da für sie und sie für das Leben? Schmetterlinge müssen zu sterben wissen, solange die Sonne scheint.
Aber erst jetzt verstanden sie die rechte Bedeutung der Sache.
Wehe der Frau! Deswegen also hat sie ihnen so manche gute Mahlzeit gereicht, deswegen läßt sie sie ihr starkes Bier, ihren süßen Branntwein trinken, damit sie vom Trinksaal und den Spieltischen auf Ekeby zu dem Fürsten der Finsternis hinabstürzen, einer alljährlich – einer in jedem flüchtigen Jahr!
Wehe der Frau, wehe der Hexe! Starke, herrliche Männer waren nach diesem Ekeby gekommen, um zu vergehen. Und sie stürzte sie ins Verderben; ihre Gehirne wurden zu Schwämmen, ihre Lungen zu trockener Asche, ihr Geist war umnachtet, wenn sie auf das Totenbett sanken, um ohne Hoffnung, ohne Seele diese lange Reise anzutreten. Wehe der Frau! So sind alle die gestorben, die bessere Männer waren als sie, und so sollen auch sie sterben.
Lange aber stehen die Kavaliere nicht vom Schrecken gelähmt da.
»Du Fürst der Verdammnis!« rufen sie. »Mit der Hexe sollst du nie wieder deine mit Blut geschriebenen Kontrakte schließen; sie soll sterben. Christian Bergh, der starke Hauptmann, hat den schwersten Hammer der Schmiede über die Schulter geworfen; der soll in dem Kopf dieses Ungeheuers begraben werden. Sie soll dir keine Seelen mehr opfern. Und du selber, du Gehörnter, dich legen wir auf den Amboß und dann lassen wir den Stangeneisenhammer los. Während die Hammerschläge fallen, halten wir dich mit den Zangen fest; wir wollen dich lehren, auf Jagd nach Kavalierseelen auszugehen!«
Feige ist er, der schwarze Herr, das ist eine alte Geschichte, und die Aussicht, unter den großen Hammer zu kommen, sagt ihm nicht zu. Er ruft Christian Bergh zurück und fängt an, mit den Kavalieren zu unterhandeln.
»Nehmt die sieben Eisenwerke in dem kommenden Jahr, nehmt sie selber, Kavaliere, und überlaßt mir die Majorin!«
»Glaubst du, daß wir ebenso niedrig denken wie sie?« ruft Patron Julius. »Ekeby und alle sieben Besitztümer wollen wir haben, mit der Majorin aber mußt du dich selber abfinden.«
»Was sagt Gösta? Was sagt Gösta?« fragt der sanfte Löwenberg. »Gösta Berling soll reden. Bei einer so wichtigen Angelegenheit müssen wir seine Ansicht hören.«
»Das Ganze ist Unsinn!« sagt Gösta Berling. »Kavaliere, laßt euch nicht von ihm anführen! Was sind wir gegen die Majorin? Mit unseren Seelen mag es gehen wie es will, aber mit meinem freien Willen werden wir nicht zu undankbaren Wichten, benehmen wir uns nicht wie Schurken und Verräter. Ich habe das Brot der Majorin zu lange gegessen, um sie jetzt im Stich zu lassen.«
»Ja, fahr du zur Hölle, Gösta, wenn du Lust dazu hast! Wir wollen Ekeby lieber selber regieren.«
»Aber seid ihr denn ganz toll, oder habt ihr all euren Sinn und Verstand vertrunken? Glaubt ihr, daß das die Wahrheit ist? Glaubt ihr, daß das der Teufel ist? Könnt ihr denn nicht merken; daß das Ganze eine verdammte Lüge ist?«
»Sieh, sieh, sieh!« sagt der schwarze Herr. »Er merkt noch nicht, daß Er auf dem besten Wege ist, zur Hölle zu fahren, und doch ist Er schon sieben Jahre auf Ekeby gewesen! Er merkt nicht, wie weit Er schon gekommen ist.«
»Ach was, Unsinn, Alter! Ich bin dir ja selber behilflich gewesen, dort in den Ofen hineinzukriechen!«
»Als ob das einen Unterschied machte. Als ob ich deswegen nicht ebensogut ein Teufel sein könnte wie jeder andere. Ja, ja, Gösta Berling! Dich habe ich sicher. Du hast dich schon recht nett entfaltet unter der Behandlung der Majorin.«
»Sie hat mich gerettet!« sagt Gösta. »Was wäre ich wohl ohne sie gewesen?«
»Sieh, sieh! Als ob sie nicht ihren eigenen Zweck dabei gehabt hätte, als sie dich auf Ekeby zurückhielt. Du kannst viele in die Falle locken; du hast große Gaben. Einmal suchtest du dich von ihr zu befreien; du ließest dir von ihr ein Haus geben, und du wurdest Arbeiter; du wolltest dein eigenes Brot essen. Jeden Tag ging sie an dem Hause vorüber, und sie hatte schöne Mädchen in ihrem Gefolge. Eines Tages war Marianne Sinclaire bei ihr; da warfest du Spaten und Schurzfell weg, Gösta Berling, und wurdest wieder Kavalier.«
»Der Weg führte an meinem Hause vorüber, du Dummkopf.«
»Freilich führte der Weg dort vorüber. Später kamst du nach Borg, wurdest Henrik Dohnas Hauslehrer und wärest fast der Schwiegersohn der Gräfin Märta geworden. Wer war schuld daran, daß die junge Gräfin Ebba Dohna erfuhr, daß du nur ein verabschiedeter Pfarrer seiest, so daß sie dir einen Korb gab? Daran war die Majorin schuld, Gösta Berling! Sie wollte dich wieder zurückhaben.«
»Ei was!« erwidert Gösta. »Ebba Dohna starb bald darauf. Die hätte ich doch nicht bekommen.«
Da trat der schwarze Herr dicht an ihn heran und zischte ihm ins Gesicht: »Starb – ja freilich starb sie. Gemordet hat sie sich um deinetwillen – das tat sie, aber dir hat das niemand gesagt.«
»Du bist kein so übler Teufel!« sagt Gösta.
»Die Majorin hat das Ganze besorgt, sage ich dir! Sie wollte dich wieder für ihren Kavalierflügel haben!«
Gösta lachte laut auf. »Du bist kein so üblerTeufel!« rief er wild. »Weshalb sollen wir nicht einen Kontrakt mit dir schließen? Du kannst uns, wenn du willst, die sieben Besitzungen verschaffen.«
»Gut, daß du deinem Glück nicht mehr im Wege stehst.«
Die Kavaliere atmeten erleichtert auf. So weit war es mit ihnen gekommen, daß sie nichts mehr ohne Gösta unternehmen mochten. Wäre er nicht darauf eingegangen, so wäre der ganze Pakt nicht zustande gekommen. Und doch war es keine Kleinigkeit für die armen Kavaliere, sieben Eisenwerke zu bekommen!
»Gebt jetzt acht«, sagte Gösta, »daß wir die sieben Besitzungen annehmen, um unsere Seelen zu retten, nicht aber um reiche Gutsherren zu werden, die Geld zählen und Eisen wiegen; keine trocknen Pergamente, keine zugeschnürten Geldbeutel wollen wir werden,